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LeverkusenPeter Bosz war der ideale Bayer-Trainer, bis alles zusammenbrach

Lesezeit 4 Minuten
Bayer Bosz

Ex-Trainer Peter Bosz

Leverkusen. – So hatte sich das Saisonende in Leverkusener keiner vorgestellt. In der von der Deutschen Fußball-Liga verordneten Corona-Blase im stadionintegrierten Lindner-Hotel versucht das Team von Bayer 04 Leverkusen zwischen den Trainingseinheiten die Zeit totzuschlagen. Zu tun gibt es nicht mehr viel. Interimstrainer Hannes Wolf verriet dieser Tage, man habe immerhin Minigolf spielen können. Das passt zum Spannungsbogen vor dem Saisonabschluss in Dortmund am Samstag um 15.30 Uhr, der ein letzter Showdown am Ende einer Saison hätte werden können, die noch vor einem halben Jahr zu den allergrößten Träumen berechtigt hatte.

So aber warten alle auf eine letzte Pflichtübung. Für beide Klubs gibt es nichts mehr zu gewinnen und nichts mehr zu verlieren. Bayer 04 hat sich mit einem unansehnlichen 1:1 gegen Union Berlin in die Europa League geschleppt, die das Minimalziel der sportlichen Führung darstellt. Borussia Dortmund hat unter Interimstrainer Edin Terzic in einem furiosen Endspurt die Teilnahme an der Champions League gesichert und den DFB-Pokal gewonnen. Insofern ist die Rollenverteilung eindeutig. Bayer 04 ist klarer Außenseiter. Emotionaler Höhepunkt wird der letzte Auftritt von Sven Bender an dem Ort, der ihn zum Kultspieler des BVB unter Jürgen Klopp werden ließ. Die Sperre des Kollegen Edmond Tapsoba wird ihm einen sportlich würdigen Abschied als Startelfspieler geben. Auch ohne Publikum werden große Gefühle entstehen.

Danach ist diese seltsame Saison beendet, und bis heute hat Bayer 04 kein Zeichen erkennen lassen, wie man sich danach seinen hohen Ansprüchen wieder annähern will. Dazu müsste erst verkündet werden, wer kommende Saison Trainer sein wird. Wäre Hannes Wolf die A-Lösung, hätte man es längst sagen können, anstatt ihn schmallippig „einen der Kandidaten“ zu nennen und auf die Zeit nach dem Saisonende zu verweisen. Der momentan vom DFB freigestellte U-18-Bundestrainer hat seinen Auftrag mit dem Stopp des freien Falls, der in den letzten Tagen von Peter Bosz als Bayer-Trainer alle Ambitionen gefährdete, immerhin erfüllt. Aber beim Werksklub will man nicht aufhören, in größeren Dimensionen zu denken.

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Im Prinzip wäre der Idealkandidat gerade frei: Ein mutiger Trainer mit Auge für Talent und Sinn für Offensivfußball, der sein Team zu einer Attraktion macht, so wie das Bayer 04 Leverkusen bis zum 12. Spieltag dieser Saison als Tabellenführer war. Auf den ersten Blick gibt es keinen verfügbaren Trainer, der besser zum Selbstverständnis von Bayer 04 passt als der Niederländer Peter Bosz in der Zeit von 1. Januar 2019 bis 1. Januar 2021. Unter ihm entwickelten sich Julian Brandt, Kai Havertz und auch Kevin Volland zu Top-Spielern, die dem Klub eine dreistellige Millioneneinnahme bei Transfers eingebracht hatten. Er integrierte den damals 16-Jährigen Florian Wirtz bedenkenlos ins Profi-Team, machte Bayer 04 zur, neben Bayern München, offensivsten Mannschaft der Liga mit dem meisten Ballbesitz, erreichte die Champions League und im Jahr darauf das DFB-Pokal-Finale und das Viertelfinale des Uefa-Pokals.

Bis heute scheint niemand zu wissen, warum diese spektakuläre Fußballkultur quasi über Nacht zum Einsturz gekommen ist. „Das ging alles unglaublich schnell, das war nicht zu verstehen, das ist wahnsinnig ärgerlich“, sagte dieser Tage der scheidende Ex-Kapitän Lars Bender. Am Ende verlor man gegen Bielefeld und Hertha BSC, war gegen Viertligist Essen aus dem DFB-Pokal ausgeschieden und gegen Bern aus der Europa League. Bender: „Da haben nicht einmal mehr die einfachsten Abläufe funktioniert, es war unglaublich.“ Peter Bosz war nicht mehr zu halten. Unter Hannes Wolf sah Bayer 04 nur noch einmal, beim 3:1-Sieg über ein kriselndes Eintracht Frankfurt, wie das Team aus, das im letzten Spiel des Jahres 2020 gegen den FC Bayern so lange die bessere Mannschaft war und nur durch ein dummes Tor in der Nachspielzeit 1:2 verlor. Niemand weiß, was passiert wäre, wenn Robert Lewandowski diesen Treffer nicht erzielt hätte.

So endet die Saison nicht nur spannungslos in der Corona-Tristesse. Sie endet auch in der Außenbetrachtung ohne schlüssige Erklärung dafür, was genau kaputt gegangen war beim nach Bayern München spektakulärsten Team der Bundesliga. Es bleibt nur die Ahnung davon, was mit diesem Kader prinzipiell möglich ist. Aber welcher Trainer das Potenzial voll ausschöpfen kann und wer einschreitet, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, das weiß man natürlich nicht. Das wird sich frühestens in der nächsten Saison zeigen.