Bei den Höhenbergern blühen Profis auf, die bei ihren vorherigen Klubs nicht mehr glücklich wurden.
Dritte LigaSpielerauswahl von Viktoria Köln sorgt für den Aufschwung
Die Spieler des Fußball-Drittligisten FC Viktoria haben es so weit gebracht, dass selbst die größten Überraschungen ihren Trainer nicht mehr unerwartet treffen. Olaf Janßen ist keineswegs so vermessen, den 3:2-Erfolg seiner Mannschaft am vergangenen Sonntag bei Dynamo Dresden als selbstverständlich zu betrachten, denn eines steht auch für den 58-Jährigen fest: „Das war schon der dickste Brocken, den wir fischen konnten.“
Den Coup beim bisherigen Spitzenreiter hat der Coach seinen Profis andererseits ohne Vorbehalte zugetraut, weil sie ihm in dieser Saison hinreichend bewiesen haben, dass sie in schwierigen Situationen imstande sind, die Ruhe zu bewahren. „Die Jungs sind sehr gefestigt und überzeugt von dem, was sie tun“, bemerkt Janßen.
Said El Mala fehlt Viktoria Köln gegen Waldhof Mannheim
Dennoch verlangt die sportliche Qualität der Sachsen jedem Gegner auf diesem Niveau genug Respekt ab, erst recht einer jungen Mannschaft wie jener der Viktoria. Zudem entfalteten 27.783 Zuschauer im Rudolf-Harbig-Stadion eine Atmosphäre, die das Potenzial zur Einschüchterung in sich trug. „Das haben wir schon häufiger gehabt, dass wir in vollen Stadien gespielt haben und alle gegen uns waren“, sagt Janßen mit drei Tagen Abstand entspannt. „Man träumt doch als kleiner Junge davon, vor so einer Kulisse antreten zu dürfen.“
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Während für die ernüchterten Gastgeber die zuvor acht Begegnungen währende Serie ohne Niederlage mit dem Sturz von Platz eins endete, traten die Rechtsrheinischen nach ihrem vierten Sieg in Serie mit nur einem Dämpfer die Heimreise an: Der überragende Said El Mala, der das 1:0 von Serhat-Semih Güler vorbereitet und das 2:0 selbst erzielt hatte, musste nach einem Pferdekuss ausgewechselt werden. Der 18-jährige Nachwuchsnationalspieler wird den Kölnern am Freitag gegen Waldhof Mannheim (19 Uhr, Sportpark Höhenberg) fehlen, weil der Bluterguss im Oberschenkel zu starke Schmerzen verursacht.
Janßen könnte über den Ausfall seines Topspielers ausschweifend klagen, doch er spricht nur knapp von einem „herben Verlust.“ Eine der größten Stärken der Höhenberger liegt nach Einschätzung des Trainers ohnehin darin, jedem Profi des zu Saisonbeginn von vielen Experten belächelten Kaders das Vertrauen zu schenken. Dies war vor allem von Oktober bis Anfang Dezember gefragt, als in acht Meisterschaftsspielen nur ein Sieg gelang. „Es ist ja das Einzigartige an diesem Verein, dass jeder meine Arbeit und die Situation einschätzen kann. Die Spieler leben auch nicht in einer Blase und merken, dass sie die Zeit bekommen, die unser Prozess in Anspruch nimmt“, betont Janßen.
Zwar wird der Coach den Klub zum Saisonende auf eigenen Wunsch verlassen und die Nachfolge seinem bisherigen Assistenten Marian Wilhelm anvertrauen, doch bis dahin habe man sich darauf verständigt, jedes Spiel so zu bestreiten, als ob es das letzte sei. Möglicherweise liegt es auch an diesem Pakt, dass der Coach bei seinen Aufstellungen stets auf wundersame Weise das richtige Gespür beweist. Nachdem Serhat-Semih Güler zu Saisonbeginn vor allem mit seinen Toren nach Einwechslungen zum Rekord-Joker der Liga aufgestiegen war, trifft er inzwischen auch in jenen Begegnungen, in denen er von Anfang an spielt.
Umgekehrt beweist der zuvor in der Startelf aufgebotene Tyger Lobinger, dass er auch von der Bank wichtige Impulse zu setzen vermag, wie zuletzt bei seinem Tor zum 3:1 in Dresden zu begutachten war. „Die beiden verstehen sich gut und gönnen dem jeweils anderen den Erfolg“, so Janßen. „Andere Klubs wären froh, wenn sie einen starken Stürmer hätten – wir haben zwei.“
Nicht nur Güler (zwölf Saisontore) und Lobinger (9) stehen in Köln für den Aufschwung jener Spieler, die bei ihren vorherigen Arbeitgebern nicht mehr so recht glücklich geworden sind. Sportdirektor Stephan Küsters und seine Scouts haben die Akquise von andernorts Aussortieren neben ihrer bemerkenswerten Nachwuchsförderung zu einem sportlich gewinnbringenden Geschäftsmodell entwickelt.
Den Beweis erbrachten am Sonntag in Dresden auch die kurz zuvor verpflichteten Tobias Eisenhuth und Paul Pöpperl, deren Leistungen Janßen schlicht als „top“ bewertete. Pöpperl (21), der seine Stärken sonst eher im offensiven Mittelfeld zur Geltung bringt, überzeugte als kompromissloser Zweikämpfer in der Defensivzentrale. Dort vertrat er den nach seiner Roten Karte gegen Sandhausen (2:0) auch in den nächsten beiden Matches noch gesperrten Enrique Lofolomo.
Tobias Eisenhuth und Paul Pöpperl feiern starkes Debüt für Viktoria Köln
Und Eisenhuth (23) bewährte sich nach dem Aus für El Mala ebenfalls als wichtiger Stabilisator. „Man hat bei beiden sofort gesehen, dass sie super zu uns passen“, meint Janßen.
Die weitsichtige Personalpolitik hat die Höhenberger auf Platz vier geführt. Trotz nur noch drei Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz möchte sich Janßen nicht zu Aufstiegsfantasien hinreißen lassen, sein Blick reicht zunächst einmal bis Freitag: „Ich bin zuversichtlich, dass wir gegen Mannheim drei Punkte holen.“ Dabei möchte er es belassen, obwohl ihn auch alles andere nicht mehr überraschen würde.