Der Keeper von Rot-Weiss Köln peilt mit der Nationalmannschaft nach dem WM-Titel 2023 Olympia-Gold 2024 an. Jean Danneberg im Interview
Jean Danneberg„Du stellst dich in den Kasten, lässt dich abknallen und findest es geil“
Herr Danneberg, Ihr bisheriger Karriere-Höhepunkt war das Finale der Hockey-WM in Indien Anfang 2023, als Sie die entscheidenden Penaltys zum Titelgewinn parieren konnten. Wie oft denken Sie noch an diese Momente?
Schon relativ oft. Es ist immer schön, wenn ich Videos davon sehe. Und es gibt ein Video von der Reaktion meiner Familie, als ich den letzten Penalty gehalten habe. Gerade in Phasen, in denen es mir nicht so gut geht und in denen ich mehr Selbstbewusstsein brauche, gucke ich mir die Videos an. Der Titel erfüllt mich mit Stolz und gibt einem eine enorme Stärke. Man kann schon auf etwas Besonderes zurückblicken, das man erreicht hat. Weltmeister werden nur sehr wenige Sportler überhaupt in ihrer Karriere.
Wie hat der Titel Ihr Leben in den letzten eineinhalb Jahren verändert? Privat und sportlich?
Privat hat sich nichts geändert, ich habe immer noch denselben Freundeskreis und bin noch mit derselben Frau zusammen. Sportlich hat sich einiges getan, gerade in Hockey-Kreisen ist mein Bekanntschaftsgrad viel größer geworden, man hat einen ganz anderen Stellenwert in der Bubble. So wird man auch bei einer Welt-Torhüter-Wahl berücksichtigt, dort bin ich zuletzt Dritter geworden – das macht mich schon stolz. Es vergeht kaum ein Bundesliga-Spieltag, an dem nicht mal ein kleines Kind ankommt und mich anspricht. Das ist sehr schön, so ein kleiner Star-Moment, den ich als Hockey-Nationalspieler sonst eher nicht habe. Im Alltag werde ich vielleicht mal von einer Hockey-Mama erkannt (lacht).
Jetzt kommt Olympia. Wie hoch ist der Stellenwert im Vergleich zu einer WM?
Olympia steht noch einmal um einiges weiter oben. Es ist das einzige Event, bei dem wir die gleiche Aufmerksamkeit erhalten wie jede andere Sportart. Es ist das einzige Turnier, bei dem alle unsere Spiele bei den Öffentlichen übertragen und mit einem deutschen Kommentator begleitet werden. Sowas gibt es bei unseren Welt- oder Europameisterschaften leider nur sehr selten. Und als Sportler hatte ich schon immer den Traum, Olympiasieger zu werden und an Olympischen Spielen teilzunehmen – mein erster Traum war es nicht, Weltmeister zu werden. Was den WM-Titel jetzt nicht abwerten soll.
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Ist Ihr Ziel eine Olympia-Teilnahme oder ein Olympiasieg?
Der Olympiasieg! Da müssen wir als Mannschaft keine Zielsetzungs-Meetings mehr abhalten. Es ist ganz klar, dass wir Olympia-Gold holen wollen.
Bei der WM waren Sie der Penalty-Experte, bei der folgenden Heim-EM waren Sie Stammkeeper. Wie ist die Absprache für Olympia?
Ich bin als Nummer eins gesetzt, für die regulären Spiele und wenn es zum Shoot-out kommen sollte. Bei Olympia hat man in der Regel keinen zweiten Torhüter auf der Bank, weil die Kadergröße viel kleiner ist als bei einer WM. Da wollen sich die Teams lieber eine Feldspieler-Option mehr offenhalten.
Zur Person: Jean Danneberg (21), geboren in Darmstadt, feierte im März 2022 sein Debüt in der Hockey-A-Nationalmannschaft. 2023 wurde er als Penalty-Spezialist Weltmeister. In der Bundesliga spielt Danneberg seit 2022 für Rot-Weiss Köln. (ksta)
Ihre Zielsetzung ist klar. Verspüren Sie mit Blick auf die medaillenreiche deutsche Hockey-Vergangenheit Druck?
Noch nicht, aber der könnte im Verlaufe des Turniers kommen. Bei den letzten Spielen gab es keine Medaille. Darum wäre jetzt jede Medaille eine Steigerung. Klar muss uns aber sein, dass es neben Deutschland noch fünf oder sechs andere Titel-Kandidaten gibt – was aber nichts an unserem Ziel ändert.
Wie steht es um die Form der Nationalmannschaft?
Die ist gut. Wir stehen dort, wo wir stehen wollen. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten noch einmal viel als Team entwickelt. Individuell und taktisch sind wir vielleicht derzeit die beste Mannschaft der Welt. Auch mental sind wir stark. Wir wissen, selbst wenn wir zwei Minuten vor Spielende 0:2 zurückliegen, haben wir noch Chancen, uns darf man nie abschreiben.
Diese Unberechenbarkeit, dass sich ein Spiel binnen Sekunden drehen kann, ist eine der Besonderheiten des Hockeys.
Auf jeden Fall. Beim Finale der Fußball-EM hat man die Spanier schon ein paar Minuten vor dem Schlusspfiff irgendwie feiern und abklatschen gesehen. Im Fußball geht das vielleicht, weil ein Spielaufbau in der Regel etwas länger dauert. Im Hockey ist es ein auf Kniehöhe reingeschlagener, langer Ball über 70 oder 80 Meter, wo ein Spieler am langen Pfosten steht, und ihn reinmacht – das geht blitzschnell.
Warum sind Sie Torhüter geworden?
Früher habe ich im Feld gespielt, war Stürmer – und das gar nicht mal schlecht. Dann war ich einmal bei einem Herren-Spiel in Darmstadt. Nach dem Spiel sah man den Torhüter, einen zwei Meter großen Bären mit langen Haaren, eine richtig coole Erscheinung. Wie er mit seiner Ausrüstung, ein bisschen Ritterrüstung, ein bisschen Transformers-Anzug, dastand – das hat mich beeindruckt. Dazu stehst du als Keeper bei jeder Parade im Fokus. Als Feldspieler musst du entweder geisteskrank gut spielen oder Tore machen, damit du erwähnt wirst. Diese Aufmerksamkeit hat mich in jungen Jahren extrem motiviert.
Im Handball oder Fußball gelten die richtig guten Torhüter oft als ein wenig verrückt. Sie wirken nicht so…
… dass würden meine Teamkollegen wohl anders sehen (lacht). Als Torwart muss man schon ein bisschen anders ticken als die Feldspieler. Du stellst dich in den Kasten, lässt dich abknallen und findest es geil.
Wie schmerzhaft sind solche Paraden?
Es tut in der Regel weh. Egal, ob der Ball aufs Polster geht oder daneben. Das wird dann blau, grün, gelb und rot. Da muss man ein bisschen verrückt sein. Aber um sich als Judoka 200-mal pro Tag auf die Matte schleudern zu lassen, muss man das doch auch.
Was war Ihr schmerzhaftester Treffer?
Unten rein, so dass ich auch ins Krankenhaus musste. Das tut schon sehr weh, zum Glück ist alles verheilt.
Sie spielen seit 2022 für Rot-Weiss Köln. Sind Sie glücklich hier?
Ja, auf jeden Fall. Rot-Weiss Köln ist das Bayern München des Hockeysports. Ich bin unglaublich froh, dass ich damals den Schritt von Mannheim nach Köln gegangen bin. Ich habe super Freunde gefunden, fühle mich der Stadt sehr verbunden und habe mit Management and Economics an der Uni Köln den perfekten Studiengang für mich gefunden.
Sie sind einmal mit Rot-Weiss Deutscher Meister geworden. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Bilanz?
Nein, das bin ich noch nicht. Die Meisterschaft ist etwas Tolles, aber ein Europapokal-Titel fehlt definitiv. Die letzte Liga-Saison war auch nicht leicht, wir stecken in einem Umbruch und hatten viele Verletzte. Eigentlich hätten wir den Anspruch runterschrauben müssen, aber das haben wir nicht getan. Weil Rot-Weiss immer den Anspruch hat, Deutscher Meister zu werden. Darum war die Saison letztlich etwas enttäuschend. Aber der Fokus lag schon während der Bundesliga-Saison auf Olympia. Da konnte ein dann Nationalspieler mal ein Spiel mehr aussetzen, damit die Blessur ganz verschwindet und derjenige für Paris fit ist.
So etwas wäre im Fußball undenkbar. Wurde das von allen anderen Bundesligisten so gehandhabt?
Das ist bestimmt auch bei den anderen Klubs so gewesen. Weil wir bei Rot-Weiss aber so viele A-Nationalspieler haben, waren die Auswirkungen für uns größer.
Sie trainieren am Olympiastützpunkt (OSP) in Köln und sind Teil des Verbunds Kölner Athleten, der für mehr Unterstützung für Top-Sportler kämpft. Als der Verbund vor knapp eineinhalb Jahren gegründet wurde, herrschte beim OSP nicht nur Begeisterung. Wie ist inzwischen die Zusammenarbeit?
Als Verbund wollen wir keine Konkurrenz zum OSP darstellen, wir wollen eine Ergänzung und ein Kooperationspartner sein. Wir Sportler genießen und schätzen die Unterstützung und Förderung des Stützpunkts sehr. Ohne den OSP könnten wir unseren Sport kaum so ausüben, wie wir es wollen. Er bietet uns eine Grundlage. Wir haben hier zum Beispiel Reha-Möglichkeiten, Ernährungsberatung und Leistungsdiagnostik. Mit unserem Athleten-Verbund kämpfen wir darüber hinaus für Unterstützung, wie es sie zum Beispiel in Düsseldorf gibt – wo die Sportlerinnen und Sportler des olympischen Kaders von der Stadt finanziell gefördert werden oder ein Auto gestellt bekommen. Der OSP muss mit seinen Mitteln ein viel breiteres Feld an Sportlern, zum Beispiel die komplette Jugend, abdecken. Inzwischen hat es sich zwischen uns als Verbund und dem OSP schon viel besser eingespielt. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass wir noch viel erreichen können. Wir kämpfen am Ende des Tages für das gleiche Ziel: Sportlich so erfolgreich zu sein, wie möglich.
Konnten sie mit dem Verbund Kölner Athleten bereits etwas bewegen?
Wir haben viele Kooperationspartner gewonnen und unser Netzwerk vergrößert. Ein konkretes Beispiel: Wir können uns Fitnessgeräte für zu Hause organisieren. Hier beim OSP gibt es drei Ergometer, auf denen wir unsere Einheiten machen können. Wenn da 40 bis 50 Judoka trainieren, dann sind diese Fahrräder immer besetzt. Dank des Verbunds Kölner Athleten wurde mir jetzt ein Ergometer zur Verfügung gestellt, mit dem ich in meiner Wohnung trainieren kann. Dazu haben wir Olympia-Teilnehmer für die intensive Zeit der Vorbereitung dank Spenden und Sponsoren noch einen kleinen finanziellen Zuschuss bekommen, für uns ist das ein Meilenstein. Der Betrag ist nicht die Welt – aber in einer vor-olympischen Phase, wo du eigentlich alles auf den Sport ausrichten musst, und nicht mehr nebenher Kindertraining anbieten kannst oder so, nimmst du das sehr gerne.