Der aus 20 Sportlern bestehende Verbund Kölner Athleten setzt sich für mehr Sichtbarkeit der Sportarten im Schatten des Fußballs ein.
Hockey & Co.„Spitzensport gegen Amateurbezahlung“ – Kölner Athleten kämpfen für mehr Geld
Sein Kampfgeist wurde früh auf die Probe gestellt. Mit fünf Jahren erhielt Timur Oruz (28) die Diagnose Diabetes. Typ 1, die bedrohliche Variante. Bis heute ist ein Insulin-Pen sein ständiger Begleiter. Bis zu zwölf Spritzen muss er sich setzen, täglich wohlgemerkt.
Trotzdem sagt der Hockeyspieler des KTHC Rot-Weiss Köln: „Die Krankheit hat mich vor allem stark gemacht.“ So legte der Medizinstudent – allen Widerständen zum Trotz – eine Weltkarriere hin. Derzeit bereitet sich der Olympia-Dritte von Rio (2016) auf die Weltmeisterschaft im Januar in Indien vor.
Timur Oruz ist Vorsitzender des Verbunds Kölner Athleten
Die nächste Medaillen-Mission hält Oruz jedoch nicht davon ab, einen zusätzlichen Kampf zu führen. Einen Kampf abseits des Platzes. Mit 19 weiteren Kölner Spitzenkräften aus olympischen und paralympischen Sportarten hat er den Verbund Kölner Athleten (VKA) gegründet. Dieser setzt sich für mehr Sichtbarkeit der Sportarten im Schatten des Fußballs ein – und für eine bessere Bezahlung. „Wir betreiben Spitzensport gegen Amateurbezahlung“, berichtet Oruz als VKA-Vorsitzender von einem „vermeintlichen Hobby, das in Wahrheit ein Fulltime-Job ist“.
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Dabei stünden er und seine Hockey-Kollegen noch vergleichsweise gut da. Schließlich erhielten sie vom Verein einen niedrigen vierstelligen Festbetrag im Monat, mit dem man sich beispielsweise den neuesten Thermomix leisten könnte.
Sarah Voss muss mit der Deutschen Sporthilfe auskommen
Andere VKA-Mitglieder wie die Kunstturnerin Sarah Voss (23) müssten indes hauptsächlich mit der Deutschen Sporthilfe auskommen. Und diese variiert stark: In weniger erfolgreichen Zeiten kommen selbst die Höchsteingestuften nicht über die Grundförderung (800 Euro) hinaus. „Da muss man sich schon die Frage stellen: Kann ich mir meinen Traum überhaupt noch leisten?“, so Voss.
In ihrem Fall sind es die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Dass es auch anders geht, zeigen Hamburg, Berlin und Düsseldorf. In Düsseldorf werden rund 50 Leistungssportler zusätzlich unterstützt, 25 auf ihrer „Road to Paris“. Bis zu 700 Euro und die Bereitstellung eines Fahrzeugs sind drin. „Das kann den Unterschied ausmachen, ob ich meine Miete zahlen kann oder nicht“, so Oruz.
Das Geld stamme aus dem Haushalt und von lokalen Wirtschaftsunternehmen. Der VKA will nun erreichen, dass zumindest seine Gründungsmitglieder ebenfalls eine solche Extraförderung erhalten. Angepeilt ist ein Jahresbudget von 300.000 Euro. Auch, um weiter für das eigene Anliegen werben zu können – so wie beim Kickoff-Event am 1. Dezember in den Räumlichkeiten des Sport-Informations-Dienstes in Köln.
Langfristig sollen mehr Spitzenathleten profitieren. Welche genau, dürften die jeweiligen Leistungsstützpunkte entscheiden – oder die Sponsoren selbst. Für Oruz geht es allerdings nicht nur ums Geld: „Wir müssen sichtbarer werden, etwa auf Plakaten in den Stadtbahnen. Nur so bringen wir mehr Kinder in die Turnhallen, auf die Judomatte oder in den Boxring.“
Timur Oruz verweigert gemeinsames Foto mit Henriette Reker
Wie schwer es ist, sich Gehör zu verschaffen, erlebte das Hockey-Ass bei der kölschen Sportnacht 2021. Kurz vor dem obligatorischen Foto mit Henriette Reker fragte er die Oberbürgermeisterin, warum sich Köln kein Beispiel an der Sportstadt Düsseldorf nehme: „Daraufhin sagte sie mir, dass sie dafür nicht zuständig sei.“
Oruz ließ nicht locker und versuchte Reker zumindest das Versprechen abzuringen, sich für die zusätzliche Förderung Kölner Spitzenathleten einzusetzen. Als das nicht passierte, verweigerte er das gemeinsame Foto: „Ich dachte nur: Heute wird uns zwar der rote Teppich ausgerollt, aber wirklich helfen will uns niemand.“
Es war letztlich die Geburtsstunde des VKA. Immerhin: Reker sollte später den Kontakt zum zuständigen Sportausschuss herstellen. Doch die Gespräche verliefen ohne konkretes Ergebnis. „Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die Politik doch noch zu unserem Projekt bekennt“, so Oruz.
Vorerst beschränkt sich der Unterstützerpool des VKA auf eine Werbeagentur und die Anwaltskanzlei von RW-Präsident Stefan Seitz. Es scheint, als würde Oruz’ Kampfgeist auf eine weitere Probe gestellt.
Die 20 Mitglieder des Verbunds Kölner Athleten (VKA)
20 Sportler haben sich zum Verbund Kölner Athleten zusammengeschlossen. Dazu zählen die Hockey-Asse Timur Oruz, Christopher Rühr, Mats Grambusch, Johannes Große, Julia Sonntag, Nike Lorenz und Pia Maertens sowie Sarah Voss (Kunstturnen), Leonie Fiebig (Bobfahren), Matyas Szabo (Fechten), Joshua Hartmann (Leichtathletik), Alexander Wieczerzak, Jasmin Grabowski, Martyna Trajdos, Anna-Maria Wagner (alle Judo), Andreas Mies (Tennis), Felix Streng (Para-Leichtathletik), Nelvie Tiafack (Boxen), Valeska Knoblauch (Para-Badminton) und Lukas Schiwy (Sitzvolleyball).