Werner Delmes nahm an drei Olympischen Spielen teil und war mehr als 80 Jahre Mitglied bei Rot-Weiss Köln.
Nachruf auf Werner DelmesDer legendäre Goldschmied aus Köln
Werner Delmes konnte die Folgen dieses Frühlingstags im Jahr 1940 nicht absehen, wie sollte er auch? Neun Jahre war er alt – und steckte in ernsthaften Schwierigkeiten: Auf der Hockeywiese des KTHC Rot-Weiss Köln hatte er mit Freunden Fußball gespielt und war erwischt worden dabei. Man hatte ihnen die Fahrräder abgenommen, nun musste er beim Verein vorsprechen und sie auslösen. „Als wir die Räder abholen wollten, fragte man uns, ob wir nicht Lust hätten, Hockey auszuprobieren“, berichtete Werner Delmes vor einigen Jahren.
Zwei Olympia-Teilnahmen als Spieler, als Trainer wurde er zur Legende
Die deutsche Hockey-Geschichte wäre anders verlaufen, hätte Delmes damals „nein“ gesagt. Als Aktiver gewann er bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne Bronze, 1960 nahm er an den Spielen in Rom Teil und wurde Siebter. Doch seinen größten Moment im Hockeysport erlebte er 1972 in München, als er das deutsche Nationalteam als Trainer zum ersten Olympiasieg eines europäischen Hockeyteams führte. Gold hatten immer nur Indien und Pakistan gewonnen. Mehr als 80 Jahre lang blieb er Mitglied bei Rot-Weiss. Am Freitag vor einem Jahr ist Werner Delmes gestorben, in seiner Geburtsstadt Köln. Er wurde 91 Jahre alt.
Auf der Platzanlage von Rot-Weiss hatte Delmes als Teenager mit den amerikanischen Soldaten Tennis gespielt, wurde später sogar Westdeutscher Meister. Doch seine sportliche Erfüllung fand er im Hockeysport. 1954 gab Delmes mit 24 Jahren seinen Einstand in der Nationalmannschaft. Und der erste sportliche Höhepunkt ließ nicht lange auf sich warten. Als Belohnung für einen Turniersieg wurde das deutsche Team zu einer sechswöchigen Reise nach Pakistan eingeladen. „Unglaublich strapaziös, aber auch sehr beeindruckend“, sei das damals alles gewesen, beschrieb er Jahrzehnte später.
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Kaum entspannter war die Anreise zwei Jahre später nach Melbourne: Mit Propeller-Flugzeugen ging es in knapp 72 Stunden über Wien, Teheran, Saigon und Darwin bis nach Australien, „auch das war abenteuerlich“, berichtete Delmes. In seinem Haus in Müngersdorf bewahrte er zahllose Schätze aus seinen Jahren im Hockeysport auf, darunter auch das Flugticket nach Australien, eingerahmt im Treppenhaus.
Seine Karriere als Nationalspieler beendete Delmes 1964. Nur fünf Jahre später wurde er Bundestrainer – ehrenamtlich neben seinem Beruf als Jurist bei der Colonia-Versicherung. Ein hauptamtlicher Hockey-Bundestrainer war damals nicht vorgesehen. Doch Delmes fand die Zeit, außerdem war er entschlossen genug, sich ohne Trainerausbildung das nötige Wissen im Alleingang anzueignen, um eine Weltklassemannschaft zu formen. 1970 gewann Deutschland die Europameisterschaft. Zwei Jahre später folgte der Triumph von München im Finale durch ein 1:0 über Pakistan vor 18 000 Zuschauern.
Pakistans Spieler erweisen sich als historisch schlechte Verlierer
Es war ein sporthistorischer Moment. Die Pakistaner erwiesen sich als die auf dieser Bühne wahrscheinlich schlechtesten Verlierer in der Geschichte des Sports. Die Spieler spuckten während der Siegerehrung nach Funktionären und verweigerten die Annahme der Silbermedaillen. Ein pakistanischer Spieler zog sich die Badelatschen aus, hängte seine Medaille daran und schlenkerte sie verächtlich herum. Der Hockey-Weltverband schloss Pakistan anschließend auf alle Zeit von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen aus. Doch immerhin gelang es Staatspräsident Zulfikar Ali Bhutto, die Sperre auf die Spieler zu beschränken, die unmittelbar beteiligt gewesen waren.
1973 gab Delmes den Job als Bundestrainer auf, aus beruflichen und privaten Gründen. Rot-Weiß Köln blieb er aber noch einige Jahre als Coach erhalten. Mit dem Zuschauen tat er sich immer schwer; auch später als Mitglied und Dauerkarten-Inhaber des 1. FC Köln verlebte er fordernde Nachmittage auf den Tribünen von Müngersdorf, stets begleitet von seinen Söhnen. Er überlege permanent, was ich selbst machen würde, beschrieb der ehemalige Trainer, wenn er den beständig wechselnden Kölner Trainer bei der Arbeit zusah.
Auch nach dem Ende seiner Hockeylaufbahn suchte und fand Werner Delmes Betätigung in verantwortlicher Position: An einem Sonntagnachmittag im Jahr 1984 kam er auf der Fahrt zu seinem Jagdhaus in der Eifel an einer Baustelle vorbei, „hier entsteht ein Neun-Loch-Golfplatz“, stand auf dem Schild. Das interessierte ihn. Er hielt an, nahm sich einen Eimer Bälle, einen Golfschläger und einen Trainer – und schon war er dem Sport verfallen. Bis zum Handicap 7 brachte er es, doch das langte ihm nicht: Zusätzlich wurde er noch Präsident des Golfclubs Hillesheim, wo er bis ins hohe Alter mit größtem Ernst spielte und unter anderem den späteren Ausbau auf 18 Löcher verantwortete. Mit dem 75. Geburtstag gab er die Präsidentschaft ab – unter anderem, um mehr Zeit für sein eigenes Golfspiel zu haben und noch einmal anzugreifen, wie er damals mitteilte. Seit 1997 war er Ehrenpräsident des Clubs.
Der Mannschaftsgeist der Sieger von München wird bis heute gepflegt
Die Olympiasieger von 1972 verdankten ihren Triumph vor allem der Gabe ihres Trainers, eine Gemeinschaft zu formen. „In großer Trauer nehmen wir Abschied von unserem Freund und Coach der deutschen Hockey-Nationalmannschaft, dem wir unseren Olympiasieg 1972 in München verdanken“, schrieben die verbliebenen Mitglieder der Gold-Mannschaft in einem letzten Gruß an Werner Delmes. Die Verbindung, die Delmes einst knüpfte, lange bevor es Teampsychologen gab, hält bis heute: Jeden Herbst trifft sich die Mannschaft von 1972 am Walchsee in Tirol. Mittlerweile leider ohne ihren Chef, ohne Werner Delmes aus Köln.