Der Flughafen Köln/Bonn befindet sich in misslicher Lage. Jetzt äußert sich der Chef Johan Vanneste zur aktuellen Krise.
Die Passagierzahlen nehmen rapide ab, eine andere Sparte könnte die Probleme jedoch abmildern.
Vanneste sieht auch die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Umdenke, die erhebliche Auswirkungen auf den Airport haben könnte.
Köln – Herr Vanneste, wann wird der Flughafen Köln/Bonn wegen der Coronakrise den Flugbetrieb einstellen?
Gar nicht! Nur über meine Leiche, das können Sie so schreiben. Wir sind ein enorm wichtiger logistischer Standort. Bei den Passagierflügen gibt es Einbrüche, nicht aber bei der Fracht, da sind wir aktuell sogar über Plan. Wir sind ein bedeutender Frachtflughafen, die drei größten Express-Frachtairlines DHL, FedEx und UPS sind bei uns angesiedelt. Aktuell haben wir sogar zusätzliche Nachfrage –von Frachtanbietern. Köln/Bonn ist ein wichtiger Teil der Logistikkette, besonders in der jetzigen Situation. Alleine das ist schon ein Grund, warum wir 24/7 offen bleiben müssen.
Zur Person
Der belgische Luftfahrt-Manager Johan Vanneste ist seit dem Jahr 2018 Chef des Flughafens Köln/Bonn.
Der 59-Jährige ist gelernter Ingenieur für Flugzeugbau, hat in den Niederlanden studiert und auch schon für verschiedene Fracht- und Personenfluggesellschaften gearbeitet. Zuvor leitete er den Flughafen von Luxemburg.
Wie haben sich die Flugzahlen entwickelt?
Nach aktuellem Stand haben wir im März über 30 Prozent weniger Flüge, und das ist erst der Anfang, weil am Anfang des Monats ja noch alles relativ normal lief. Im April wird es auf jeden Fall sehr schwierig. Die Lufthansa lässt viele Flugzeuge am Boden, Ryanair, auch ein wichtiger Kunde für uns, spricht gerade davon den Flugverkehr ganz einzustellen.
Fracht steigt, sagen Sie, ist das auch eine Folge von Corona?
Die Fracht läuft besser in der aktuellen Situation. Wir liegen im einstelligen Prozentbereich bei der Fracht über Plan, und das wird weiter steigen. Die reinen Frachtflugzeuge fliegen heute schon Volllast. Aber ein großer Teil der Fracht wird weltweit normalerweise in Passagiermaschinen mit-transportiert, zehn bis 20 Tonnen pro Maschine. Das ist die sogenannte Belly-Fracht. Dieser Anteil fällt jetzt wegen der Einstellung vieler Langstreckenflüge weg. Die Fracht ist im Moment ein kleiner Lichtblick für den Flughafen Köln/Bonn.
Was sind die wirtschaftlichen Folgen für den Zusammenbruch des Passagierverkehrs?
Natürlich werden auch wir ein finanzielles Problem haben. Ich spreche am Freitag mit unserem Aufsichtsrat, um unsere finanzielle Situation zu besprechen und bereits mögliche Lösungen zu finden.
Wie hoch werden die Verluste für Köln/Bonn sein?
Wir haben am Sonntag diverse Szenarien aufgestellt, die nun durchgerechnet werden und sind zu dem Schluss gekommen: Ess ist noch zu früh, das zu beurteilen.
Sie sind ein staatlicher Flughafen, Eigentümer sind Bund, Land Stadt und Kreise. Werden Sie Ihre Gesellschafter um Hilfe bitten müssen?
Das ist eine der Möglichkeiten. Als GmbH werden wir aber erstmal mit den Banken sprechen wegen unserer Kreditlinien.
Kann der Flughafen auch in die Insolvenz schlittern durch diese Krise?
Nein. Es gibt keinen Grund für unsere 1.800 Mitarbeiter, verunsichert zu sein. Wir werden alles tun, um diese Krise gemeinsam zu überstehen.
Was sind die konkreten Auswirkungen am Airport?
Jeder der hier ist, sieht, dass weniger los ist. Die Terminals sind leer, die Parkhäuser auch. Parkhaus P1, das teuerste, weil es nah am Terminal ist, meist genutzt von Geschäftsreisenden, ist an manchen Tagen zu 90 Prozent leer, auch die anderen haben Kapazitäten frei, wie man auf den Bildschirmen an den Einfahrten sehen kann. „7000 freie Plätze“ stand dort am Dienstagnachmittag. Das ist normalerweise anders.
Wie lange werden die Einschränkungen am Airport anhalten?
Was aktuell um uns herum passiert, habe ich noch nie erlebt. Das ist viel größer als die Finanzkrise 2008 oder 9/11. Wir rechnen mit schweren Auswirkungen bis Ende Juni. Ob es im August besser wird, wissen wir noch nicht. Wir müssen einen zweistelligen Rückgang bis Ende des Jahres befürchten.
Gibt es bald nur noch innerdeutsche Flüge?
Spanien, Portugal, Italien, diese Verbindungen sind ja schon großteils weggefallen oder stark reduziert. Innerdeutsch gibt es noch Verkehr. Aber viele Menschen verzichten eben momentan auf das Reisen.
Wird sich das Verhalten der Passagiere langfristig ändern?
Das ist die Gefahr. Viele Unternehmen stellen gerade fest, dass Meetings auch per Video oder Telefon stattfinden können. Die Menschen gewöhnen sich gerade daran, wenig zu reisen – das kann langfristig auch zu rückläufigen Reisezahlen führen, vor allem im geschäftlichen Flugverkehr.
Kommen immer noch Menschen mit Flugzeugen aus Italien an?
Es gibt noch vereinzelte Italienflüge, die bei uns ankommen, Die Passagiere sind in der Regel Heimkehrer, die nach Hause wollen.
Wie schnell können Sie den Flughafen aus dem Krisenmodus wieder „hochfahren“?
Wir fahren unseren Betrieb im Moment nicht runter. Natürlich entwickeln wir Maßnahmen für den Fall, dass der Beschäftigungsbedarf sinkt, dafür arbeiten wir eng mit dem Betriebsrat zusammen. Es geht dabei zum Beispiel um den Abbau von Urlaub und Zeitguthaben, unbezahlter Urlaub ist eine weitere Option. Wir finden gemeinsam kreative Lösungen. Und wenn eine Normalisierung eintrifft, können wir – um in Ihrem Jargon zu bleiben – sehr schnell wieder „hochfahren“.
Wenn viele Airlines ihre Flugzeuge am Boden lassen, werden diese dann in Köln geparkt?
Erste Maschinen kommen in den nächsten Tagen an, es gibt weitere konkrete Anfragen nach Parkmöglichkeiten für Passagierjets. Unsere kleine Landebahn ist wegen Bauarbeiten ohnehin im Moment gesperrt – da haben wir Platz. Uns wurde die Genehmigung erteilt, auch dort Maschinen parken zu können. Unser Vorteil ist: Auch die ganz großen wie die Boeing 747 oder Airbus A380 können bei uns landen, weil wir die große Interkontinentalbahn haben.
Wie klappt die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern und Betriebsrat?
Ich möchte mich bei allen Flughafenmitarbeitern bedanken. Sie sind stolz hier zu arbeiten und ich bin stolz auf sie und darauf, wie sie das tun. Die Lage mit dem Betriebsrat war früher angespannt, jetzt sind wir angesichts dieser Krise zusammengerückt. Das ist wohl das einzig Gute an dieser Krise.
Lufthansa-Chef Spohr hat in Aussicht gestellt, dass die Airline mit ihren vielen freien Passagier- und auch Cargo-Jets Deutschland zur Not wie mit einer Luftbrücke versorgen könnte. Was halten Sie davon?
Wir haben die Anfrage einer ausländischen Airline bekommen. Sie will Köln mit Passagierfliegern anfliegen, deren Bellys vollgepackt mit Frachtcontainern sind.
Frieren Sie nun andere Projekte wie die Hotelbauten ein?
Nein. Es geht hier um die Zukunft des Airports. Wir arbeiten weiter, Stillstand bringt nichts. Am Mittwoch etwa findet eine Grundsteinlegung für den Hotelbau statt. Wir haben wegen der aktuellen Situation bloß die öffentliche Feierlichkeit abgesgat, die holen wir nach.
Was halten Sie von einem Reiseverbot?
Wir müssen die Situation ernstnehmen. All die Maßnahmen sind notwendig, um die Bevölkerung zu schützen.
Dass unsere Mitarbeiter gesund bleiben, ist für uns das Wichtigste. Wir haben verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Viele Mitarbeiter arbeiten aus dem Homeoffice, Meetings werden nur noch telefonisch durchgeführt. Dienstreisen sind abgesagt. Dazu kommen Hygienemaßnahmen in der Kantine, Essen gibt es dort nur noch To Go.