AboAbonnieren

Köln/Bonns viele ProblemeDas sind die Baustellen des neuen Flughafen-Chefs

Lesezeit 5 Minuten
tier1_2020_06_20_KSTA_MDS-KSTA-2020-06-20-71-162304318

Scheidender Flughafen-Chef Johan Vanneste. Der Aufsichtsrat sucht derzeit seinen Nachfolger.

Köln/Bonn – Die überraschende Ankündigung von Flughafen-Chef Johan Vanneste im September, sein Amt zum Jahresende niederzulegen, hat die Gremien überrumpelt. Nun wird die Zeit knapp. Denn binnen weniger Wochen muss der Aufsichtsrat, konkreter ein spezieller Präsidial-Ausschuss, einen neuen Mann oder eine neue Frau für die Spitze von Köln/Bonn finden.

Noch hat sich Vize- und Finanzchef Torsten Schrank nicht offiziell um Vannestes Nachfolge beworben, zumindest ist darüber nichts nach außen gedrungen. Öffentlich wurde bislang nur die Kandidatur eines ehemaligen Düsseldorfer Luftfahrtmanagers. Udo Stern heißt der Mann, der seinen Hut selbst in den Ring warf, über dessen Chancen aber spekuliert werden darf. Aber was muss der oder die Neue überhaupt bewältigen. Eine Analyse über die Baustellen des neuen Chefs und was er an Eignung mitbringen muss.

Führungsstil

Die Akteure des Flughafens, befragt nach dem gewünschten Führungsstil des „Neuen“ nennen ganz unterschiedliche Dinge. Von „Souveränität“, über „Durchsetzungsfähigkeit“ bis „Fingerspitzengefühl“. Das sind in diesem Fall nicht bloß Phrasen. Vannestes Vorgänger Michael Garvens hätte man die ersten beiden Fähigkeiten sicher bescheinigt. Vanneste selbst vor allem die dritte.

Der Flughafen ist diesbezüglich für Außenstehende schwer verständlich. Denn auch führende Manager und gar Betriebsräte rufen nach einem „härteren“ Chef als den als sehr freundlich bekannten Belgier Vanneste. Es mag etwas an die Minions erinnern. Minions sind diese kleinen gelben Comicwesen, eine Lebensform mit nur einem Ziel: den schrecklichsten Schurken der Geschichte zu dienen.

Aber scheinbar ist die raue Flughafen-Welt (noch) nichts für einen Führungsstil der leisen Töne und der Höflichkeit, wie Johan Vanneste ihn oft vorgelebt hat. Fakt ist, dass es intern diverse Spannungen gibt. Nur ein Beispiel: Der Airport hat zwei konkurrierende Betriebsräte, die sich untereinander oft regelrecht bekriegen. Versöhnen muss der Neue diese nicht, aber mit den Kontrahenten umgehen lernen. Außerdem muss sich der Nachfolger schnell eine Hausmacht im Management schaffen, und nach Meinung von Insidern auch die eine oder andere harte Personalie entscheiden: Will heißen, unwillige Führungskräfte aus dem Weg räumen.

Nachtflug

Corona hat gezeigt, welche Bedeutung der Nachtflug für den Flughafen Köln-Bonn hat. Während die Passagierzahlen drastisch sanken und es heute schon wieder tun, boomte die Fracht – auch weil Containerschiffe als Alternative nicht verfügbar waren. Doch ein eiserner Grundsatz besagt: Fracht braucht Nacht. Konkret: Erstens ist die Wirtschaft auf Luftfrachtsendungen mit hoher Dringlichkeit beziehungsweise termingebundene Fracht angewiesen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu behalten. Unerwartet müssen entweder dringend Waren aus Deutschland (etwa Ersatzteile im Maschinenbau) zu Produktionsstätten weltweit oder aus der Welt nach Deutschland transportiert werden, da ansonsten ganze Produktionsprozesse zum Erliegen kommen können.

Zweitens ist die internationale Arbeitsteilung auf ununterbrochene Logistikketten zwischen den unterschiedlichen Produktionsstätten angewiesen. Dazu muss der Flughafen Köln/Bonn die Nachtfluggenehmigung über das Jahr 2030 verlängern. Darüber entscheidet der NRW-Verkehrsminister, mit Ina Brandes nach Hendrik Wüst eine CDU-Politikerin.

Aber was, wenn die nächste Landtagswahl ganz anders ausfällt, und ein Grüner den Posten innehat? Ist dann der Nachtflug in Gefahr? In Gänze sicher nicht. Aber Branchenkenner sehen die Möglichkeiten ihn einzuschränken, etwa bestimmte Flugzeugtypen nicht mehr nachts starten und landen zu lassen, weil sie zu laut sind. Das könnte die Fracht-Airlines empfindlich treffen, sind ihre Flotten verglichen mit Passagier-Fluggesellschaften doch sehr alt.

Passagierflug

Köln befindet sich in einer Zangenlage. Reisende aus Köln und Umgebung haben mit Frankfurt und Düsseldorf in rund einer Stunde Fahrtzeit sehr große internationale Airports als Alternative. Während es in Köln/Bonn schon seit einigen Jahren keine Langstrecken-Flüge mehr gibt, hat Düsseldorf ein beachtliches Angebot. Und von Frankfurt als größtes Lufthansa-Drehkreuz kommt man fast überall auf der Welt hin.

Entsprechend muss sich Köln eine Nische suchen, außerhalb der Fracht. Da waren in den vergangenen Jahren vor allem die so genannten ethnischen Flüge. Also solche von Menschen, die hier leben und in den Ferien in ihre Heimat fliegen. Deshalb ist auch Turkish Airways in Köln stark. Allerdings sehen Airline-Vertreter viel mehr Potenzial ab Köln/Bonn für solche Flüge, etwa in Richtung Balkan oder Osteuropa. Im Großraum Köln leben Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die regelmäßig solche Heimatflüge nachfragen.

Luftfracht

Cargo hat wie beschrieben den Flughafen in der Corona-Krise über Wasser gehalten, weil die Frachtraten gegen den Trend stiegen. Das zeigt aber auch auf, dass der Airport damit an seine Kapazitätsgrenze gegangen ist. „Es ist so voll, es werden sogar Flüge abgewiesen“, sagt ein Mitarbeiter aus dem Frachtbereich.

Anders als an anderen Standorten, wo vor allem die Slots für Starts und Landungen fehlen, mangelt es in Köln an Parkpositionen für Frachtflieger. Daher muss sehr viel „hin und her bewegt werden“. Für den neuen Chef heißt das, neue Parkpositionen zu schaffen. Das aber klingt leichter als es ist. Denn vorgeschaltet sind langwierige Planfeststellungsverfahren.

Kontrollen

Im Sommer offenbarten sich Mängel, an den Fluggastkontrollen bildeten sich lange Schlangen, es fehlte an Kontrolleuren. Reisende mussten lange warten und verpassten vereinzelt sogar ihre Flieger. Doch diese Bilder dürfen sich nicht wiederholen. Allerdings sind dem Flughafen und seinem Chef dabei die Hände gebunden, denn die Bundespolizei bestellt die Kontrolleure.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ein Vorbild könnte Frankfurt sein. Dort vergibt neuerdings der Flughafen selbst die Aufträge statt der Polizei, was zu mehr Flexibilität führen könnte. Der neue Vorsitzende der Geschäftsleitung muss ein solches Modell zumindest prüfen.