AboAbonnieren

Kommentar

Ford und Lufthansa
Kölner Stadt-Spitze schweigt trotz drohender Paukenschläge in der Wirtschaft

Ein Kommentar von
Lesezeit 6 Minuten
Dunkle Wolken ziehen über das Werksgelände von Ford in Köln.

Dunkle Wolken ziehen über das Werksgelände von Ford in Köln. Der US-Autobauer will offenbar Tausende Stellen in Köln abbauen.

Ford will massiv Stellen abbauen – die Lufthansa plant wohl den Weggang aus Köln. Warum äußert sich die Stadt-Spitze nur zögerlich oder gar nicht? Eine Einordnung.

Das neue Jahr hat in seinen ersten Wochen gleich mehrere schlechte Nachrichten für den Wirtschaftsstandort Köln. Ford, der größte privatwirtschaftliche Arbeitgeber der Stadt, plant europaweit einen massiven Stellenabbau.

Allein am Standort Köln könnten bis zu 3200 Menschen ihre Jobs verlieren. Vor allem im Entwicklungszentrum, wo bislang die Fahrzeuge von morgen für Deutschland und ganz Europa entworfen werden, blicken nun viele in eine ungewisse berufliche Zukunft.

Abzug von Lufthansa und Stellenabbau bei Ford wären schwerer Schlag für Kölner Wirtschaft

Nur wenige Tage später wird bekannt, dass es bei der Lufthansa, immerhin Europas größter Airline, Überlegungen gibt, den rechtlichen Sitz des Dax-Konzerns aus Köln abzuziehen. Richtung Frankfurt oder München könnte es gehen, heißt es aus dem Konzernumfeld.

Alles zum Thema Lufthansa

Beides sind Nachrichten von enormer Tragweite für den Wirtschaftsstandort. Sie gehen innerhalb kürzester Zeit im Netz viral und belegen auf bundesweiten Nachrichtenportalen Top-Plätze. Sie füllen regional und überregional ganze Zeitungsseiten, bekommen im Fernsehen beste Sendezeiten.

Sicher, in beiden Fällen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Bei der Lufthansa ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Bei Ford geht der Betriebsrat mit Rückendeckung der IG Metall in harte Verhandlungen mit dem Management im Kampf um Jobs und Perspektiven.

Was auffällt in dieser Gemengelage: wie wenig oder auch gar nichts dazu von der Stadt-Spitze kommt. Oder auch – wie falsch offenbar die Töne sind, die getroffen wurden.

Beispiel Lufthansa: OB Reker und Wirtschaftsdezernent schweigen zunächst

Am Freitag, 27. Januar, vermeldet das bekannte Berliner Nachrichtenportal The Pioneer am frühen Morgen, dass die Lufthansa Pläne für einen Umzug von Köln nach München hat. Um kurz nach zehn steht die Meldung in Köln online, kurze Zeit später geht die Anfrage des "Kölner Stadt-Anzeiger" dazu an das Presseamt der Stadt Köln raus. Auch die Wirtschaftsförderung Köln-Business wird telefonisch angefragt. Dann passiert – lange nichts. Gegen 15.30 Uhr kommen dann diese Antworten von der Stadt:

Trifft das zu, sind die Pläne bekannt, gab es bereits Gespräche dazu? Der Stadt Köln liegen keine offiziellen Informationen zu den aktuellen Entwicklungen bei der Lufthansa vor.

Sind die Gründe bekannt? Was spricht gegen Köln? Siehe Antwort oben. Köln ist eine dynamische Wirtschaftsmetropole – Unternehmen siedeln sich neu an, Unternehmen verlassen aber auch die Stadt. Köln hat zurzeit eine Rekordbeschäftigung mit mehr als 600.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. In den vergangenen 15 Jahren sind hier mehr als 160.000 neue Arbeitsplätze entstanden.

Mehr als 50 Prozent der städtischen Steuereinnahmen stammen aus der Gewerbesteuer (mehr als 1 Milliarde Euro), die Tendenz ist steigend: 1,7. Mrd. laut Prognose in 2026. Durch seine große Branchenvielfalt kann der Wirtschaftsstandort Köln Fortzüge aus einzelnen Branchen gut verkraften und zeigt sich bisher robust. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder interessante Ansiedlungen, beispielsweise aus dem Bereich der Biotechnologie.

Was will die Stadt tun, um die Airline möglicherweise doch zu halten? Wenn Lufthansa am Standort Köln bleiben wollen sollte, bieten wir Gespräche und unsere konstruktive Hilfe an. Erstaunlich: Es gibt keinen klaren Absender. Kein Satz der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, kein Satz des neuen Wirtschaftsdezernenten Andree Haack und auch keiner des Chefs der Wirtschaftsförderung Manfred Janssen.

Im Klartext bedeutet der Inhalt der E-Mail doch offenbar: Wir wissen nichts, Unternehmen kommen und gehen, und wer bleiben will, mit dem sprechen wir. Kein Satz des Engagements, auf das Unternehmen zugehen zu wollen, und kein Wort, die Lufthansa doch gerne am Standort Köln halten zu wollen. Immerhin äußern sich an dem Nachmittag aus der Politik noch der Kölner CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau und der Kölner FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben.

Auf Nachfrage am Montag dieser Woche, warum sich seitens der Verantwortlichen der Stadt niemand zur Causa Lufthansa geäußert hat, kommt die Antwort der Stadt: Man habe ja nicht nach einem personalisierten Statement gefragt und die Stadt habe daher am Freitag eine innerhalb der Verwaltung abgestimmte Antwort verschickt. Es muss also offenbar explizit das Statement eines Verantwortungsträgers angefordert werden, wenn ein Gründungsmitglied des Dax die Stadt verlassen will, in der es 70 Jahren den Firmensitz hat.

Drei Tage nach Eintreffen der Nachricht äußerte sich Wirtschaftsdezernent Andree Haack dann doch noch – allerdings wiederum nur auf erneute Nachfrage: „Wir werden alles dafür tun, um Lufthansa auch langfristig am Standort zu halten. Ich habe Kontakt zur Landesregierung aufgenommen, weil ein Fortzug des Dax-Unternehmens Lufthansa nicht nur ein Imageschaden für Köln, sondern letztlich für NRW wäre. Die Beweggründe zur Überprüfung der Standortwahl liegen nicht an den Standortbedingungen in Köln, sondern haben unternehmensstrategische Ursachen. Wir würden gerne gemeinsam mit der Landesregierung das Gespräch mit der Lufthansa führen, zumal man davon ausgehen darf, dass die Lufthansa in München nicht nur mit der Stadt, sondern auch mit dem Freistaat spricht.“

Beispiel Ford: Reker äußert sich bei Facebook – Ford-Belegschaft reagiert wütend

Gleich drei Betriebsversammlungen sind am Montag, 23. Januar, nötig, um die aufgebrachte Ford-Belegschaft über den drohenden Jobabbau am Standort zu informieren. In den Ärger über die eigene Geschäftsführung mischt sich noch die Wut über die Stadtspitze.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte bei Facebook geschrieben: „Das Ziel muss lauten, möglichst viele Stellen in Köln zu erhalten. Sollte es zu einem Stellenabbau kommen, erwarte ich, dass der Abbau sozialverträglich abläuft und über einen Zeitraum, der dies auch erlaubt.“ „Die Belegschaft ist schockiert, dass für ihre Oberbürgermeisterin die Abwicklung der Belegschaft schon Tatsache ist, ohne dass man überhaupt verhandelt hat“, sagte Betriebsratschef Benjamin Gruschka.

Man hätte sich gewünscht, dass Reker die Bedeutung der Produktentwicklung für Fahrzeuge in Deutschland und Europa hervorhebt – und natürlich für den Standort Köln, so Gruschka. „Stattdessen beschäftigt sich Frau Reker damit, wie die Leute abgefunden werden.“ Das habe massive Irritationen in der Belegschaft ausgelöst.

Die Fraktionen im Kölner Stadtrat äußerten sich am Tag darauf. Von Wirtschaftsdezernent Andree Haack und Köln-Business-Geschäftsführer Manfred Janssen war nichts zu vernehmen. Ist die Art der Kommunikation eine Form der Nachlässigkeit oder Ausdruck einer grundsätzlichen Haltung gegenüber der Wirtschaft am Standort Köln?

Kölns DGB-Chef Witich Roßmann findet dazu klare Worte. „Der DGB ist in großer Sorge mit Blick auf die Vielfältigkeit der Kölner Wirtschaftsbranchen, wenn man nur fatalistisch den Weggang oder den Beschäftigungsverlust von großen Unternehmen hinnimmt“, sagt der Gewerkschafter gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zumal gerade im Fall Ford das Entwicklungszentrum eine entscheidende Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des Standorts habe.

Verband Arbeitgeber Köln: „Veränderungen sind ja nichts Neues, viele Städte müssen sich darauf einstellen“

Auch der Verband Arbeitgeber Köln findet einordnende Worte: „Veränderungen sind ja nichts Neues. Viele Städte müssen sich darauf einstellen – ja, sogar damit rechnen. Entscheidend ist doch, welche Antworten die Stadt darauf hat. Wenn unsere Stadt ein attraktiver Standort für Unternehmen sein und bleiben möchte, dann muss sie aktiv Akquise zur Neuansiedlung von Industrie betreiben, Unternehmen vom Standort Köln überzeugen und ihnen optimale Rahmenbedingungen anbieten. Das erwarten wir von einer wirtschafts- und industriefreundlichen Politik“, so der neue Geschäftsführer Dirk Wasmuth.

Auch die IHK hat Forderungen. „Wir wissen, dass die Stadt die Wirtschaft hier am Standort natürlich wertschätzt. Aber auch wir als IHK wünschen uns, dass diese Wertschätzung aktiver und sichtbarer zum Ausdruck gebracht wird“, sagt Uwe Vetterlein, IHK-Hauptgeschäftsführer. Damit Unternehmen sich willkommen fühlten, brauche es klare Entwicklungskonzepte für verschiedene Branchen.

„Auch dafür wurde mit unserer Unterstützung die KölnBusiness Wirtschaftsförderung (KBW) gegründet“, so Vetterlein. Genauso wichtig sei es aber, dass die Stadt die für Unternehmen extrem wichtigen Standortfaktoren wie Flächenverfügbarkeit, schnelle Baugenehmigungen, Sicherheit, Sauberkeit und eine gute Erreichbarkeit mit allen Verkehrsmitteln gewährleiste.