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Neue Serie über Probleme und LösungenNRW ist das industrielle Herz Deutschlands – und ringt mit dem Strukturwandel

Lesezeit 4 Minuten
Lichter von Werksanlagen auf dem Chempark in Leverkusen spiegeln sich im Rhein.

Lichter von Werksanlagen auf dem Chempark in Leverkusen spiegeln sich im Rhein.

Die enorm gestiegenen Energiepreise lassen die Wirtschaft am Rhein erzittern. Eine neue Serie beleuchtet Sorgen, Nöte, aber vor allem Chancen der Unternehmer.

Klassischerweise gilt Nordrhein-Westfalen als industrielle Herzkammer Deutschlands. Keine Region der Bundesrepublik ist so sehr geprägt von Schwerindustrie, Chemie, Stahl, Metallbau, Glas-, Papier- und Kunststoffherstellern.

NRWs Wirtschaft hat eine lange Tradition

Die Wirtschaft NRWs ist gemessen am Bruttoinlandsprodukt die größte Volkswirtschaft aller deutschen Länder. An Rhein und Ruhr werden rund 21 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts erzeugt, fast 800 Milliarden betrug die Wirtschaftsleistung NRWs im zurückliegenden Jahr. Jeder erwerbstätige Mensch in NRW schuf 2022 im Schnitt fast 82.000 Euro.

NRWs Wirtschaft hat dabei eine lange Tradition. Schon zu Zeiten, als die heute reichen Bundesländer Bayern oder Baden-Württemberg noch reine Agrarländer waren, arbeitete die Industrie im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen unter Volldampf. Im 19. Jahrhundert industrialisierte das Ruhrgebiet in atemberaubendem Tempo.

NRW verliert stärker als der Rest der Republik

In anderen Gebieten des heutigen NRW war bereits um 1800 – und damit vor der eigentlichen Industrialisierung – mit Kohle, Stahl und Dampf der Übergang vom Heimgewerbe und der Landwirtschaft zur Fabrikproduktion vollzogen. In weiten Teilen des südlichen Westfalen und des Bergischen Landes war die Eisenerzeugung und -verarbeitung seit der frühen Neuzeit weit verbreitet.

Stahl- und Kohlekrisen haben NRW seit den 1960er und 1970er Jahren derweil stark gebeutelt. Doch trotz aller Krisen konnte sich die Industrie im Land mehr oder weniger gut über Wasser halten und bot und bietet gut bezahlte Jobs für Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ein Risiko aber birgt der Wirtschaftsmix: NRWs Firmen hängen an der Energie. Sind die Energiepreise im Rahmen, können an Rhein und Ruhr gute Geschäfte gemacht werden. Das aber ist im Moment absolut nicht der Fall.

Die hohe Unsicherheit führt dazu, dass viele Unternehmen derzeit abwarten und Investitionen zurückstellen
Ralf Stoffels, Präsident IHK NRW

Die Folgen für NRW sind verheerend. Der dramatische Anstieg der Energiekosten hat die Wirtschaft im bevölkerungsreichsten Bundesland in die Rezession rutschen lassen. Das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen geht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in NRW in diesem Jahr um 0,3 Prozent zurückgehen wird. Für den Bund ist nur ein Rückgang von 0,1 Prozent berechnet worden. „Damit trifft die Energiekrise Deutschland und vor allem Nordrhein-Westfalen im internationalen Vergleich besonders hart“, heißt es vom RWI.

Im Sommer verschärfte sich die Lage der NRW-Industrie

Im Sommer verschärfte sich die Lage. Die Produktion der NRW-Industrie war im August 2023 saisonbereinigt um 2,2 Prozent gegenüber August 2022 gesunken. Wie das Statistische Landesamt mitteilte, war dieser Rückgang vorwiegend auf die niedrigere Produktion in den energieintensiven Industriebereichen zurückzuführen. Die Produktion war in diesen Wirtschaftszweigen im August 2023 um 4,2 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. In den übrigen Industriebereichen verringerte sich die Produktion um 1,2 Prozent.

„Die Versorgung und die Preisentwicklung bei Energie, der Fach- und Arbeitskräftemangel und die anhaltend hohe Inflation bereiten den Unternehmen Sorge. Die hohe Unsicherheit führt dazu, dass viele Unternehmen derzeit abwarten und Investitionen zurückstellen“, sagte Ralf Stoffels, Präsident von IHK NRW bei der Präsentation des RWI-Konjunkturberichts für NRW.

Wir brauchen den Brückenstrompreis und eine Absenkung der Stromsteuer als Akutmaßnahme
Mona Neubaur, NRW-Wirtschaftsministerin (Grüne)

„Es ist leider keine neue Erkenntnis, dass die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen mit ihrem strukturell hohen Anteil energieintensiver Industrie unter der aktuellen geopolitischen Lage ganz besonders leidet. Deshalb ist für uns vollkommen klar, dass wir dort, wo wir als Land konkret unterstützen können, genau das auch tun“, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Wirtschaftsministerin Neubaur: Maßnahmen besser heute als morgen

„Die hohen Energiepreise sind eine extreme Belastung für unsere Unternehmen, benachteiligen sie im internationalen Wettbewerb und verhindern dringend nötige Zukunftsinvestitionen. Um dem schnell und konsequent entgegenzuwirken, brauchen wir den Brückenstrompreis sowie eine Absenkung der Stromsteuer als Akutmaßnahmen – und zwar besser heute als morgen“, so Neubaur.

„Die konjunkturelle Erholung der NRW-Wirtschaft dürfte in diesem Jahr schwach bleiben, da die Belastungen insbesondere durch die hohe Inflation nur langsam abklingen“, sagte auch RWI-Konjunkturexperte Torsten Schmidt, Professor für Makroökonomie.

Unter dem Titel „NRW – zwischen Strukturwandel und Aufbruch“ zeigen wir in den kommenden Wochen im Rahmen einer neuen Serie, wie Land und Unternehmen mit mutigem Blick nach vorn die Konjunkturschwäche bekämpfen können. In diesem Rahmen wird es Interviews und Analysen mit Landespolitikern, Ministerinnen, Wirtschaftslenkern und Verbänden im „Kölner Stadt-Anzeiger“ geben.