Dauerkrise statt Erholung: Die NRW-Wirtschaft ist immer stärker unter Druck, das ist das Ergebnis des Konjunkturberichtes von IHK NRW, den Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) vorgestellt hat
NRW-KonjunkturWirtschaftswachstum im Land halbiert sich
Die Wirtschaft Nordrhein-Westfalens ist immer stärker unter Druck. Zunehmend mehren sich Zeichen, dass es sich nicht nur um eine konjunkturelle Krise handelt, sondern um eine strukturelle. Für das Industrieland NRW wäre eine weiter fortschreitende De-Industrialisierung besonders schmerzlich. Am Dienstag stellte die Industrie- und Handelskammer NRW (IHK NRW) in Düsseldorf gemeinsam mit Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) und dem RWI-Konjunkturexperten Torsten Schmidt die jüngste Konjunkturuntersuchung für das Land mit. Ein Überblick über die Ergebnisse der Umfrage:
Wächst die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen?
Die NRW-Wirtschaft wächst theoretisch, aber so langsam, dass man es kaum messen kann. Nordrhein-Westfalens Wirtschaft droht nach Ansicht von Konjunkturexperten sogar noch tiefer in die Krise zu rutschen. Für 2024 wird jetzt ein Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in dem bevölkerungsreichsten Bundesland von nur noch 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erwartet, berichtete das RWI – Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung in Düsseldorf. Im Juni hatte das RWI noch mit einem Jahreszuwachs von 0,5 Prozent gerechnet. Für den Bund rechnen die Fachleute nun für 2024 mit einem Minus von 0,1 Prozent.
Wie ist die Prognose für das nächste Jahr?
Für das kommende Jahr musste das Institut seine Prognose für die NRW-Wirtschaft ebenfalls mehr als halbieren. Noch im Sommer waren die Wissenschaftler von einem Wachstum von 1,5 Prozent im Land und Bund ausgegangen. Nun rechnen sie für NRW bloß noch mit einem Zuwachs um 0,7 Prozent. Das ist noch niedriger als der Bundesdurchschnitt, den das RWI im September für das kommende Jahr auf 0,9 Prozent geschätzt hat.
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Wie man die Zahlen interpretiert, hängt freilich vom Blickpunkt des Betrachters ab. „Die Konjunktur in Nordrhein-Westfalen zieht absehbar wieder an“, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur am Dienstag bei der Präsentation der Zahlen in Düsseldorf und ergänzte: „2024 entwickelt sich die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen damit besser als im Bund“.
Wie geht es der Industrie?
Schwierig sei die Lage nach wie vor für die schrumpfende Industrie: Sie leide nach dem Energiepreisschock unter der schwachen Nachfrage aus dem In- und Ausland, hieß es vom Landeswirtschaftsministerium. Nach Einschätzung des Vize-Präsidenten der Industrie- und Handelskammer NRW, Stefan Hagen, ist die Lage der Industrie „nach Jahren des Rückgangs zunehmend kritisch“. „Die jüngsten Meldungen und leider auch unsere Konjunkturumfrage zeigen, dass zeitnah kein Licht am Ende des Tunnels ist.“
Volkswirt Schmidt erklärte, dass sich die NRW-Industrie seit dem Jahreswechsel 2018/2019 stagnierend bis rückläufig zeige. Befragt danach, ob Nordrhein-Westfalen in einer Phase der De-Industrialisierung stecke, sagte Ministerin Neubaur: „Das sind alles keine guten Nachrichten, aber sicherlich keine Erfindung des Jahres 2024“.
Weitere Insolvenz im Sauerland
Zu dem geplanten Stellenabbau bei Thyssen und Ford kam am Dienstag eine weitere Hiobsbotschaft für die Industrie im Land. Die Gerhardi Kunststofftechnik GmbH aus Lüdenscheid ist finanziell in Schieflage geraten. Der Automobilzulieferer hat einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Hagen gestellt. Das geht aus einer Bekanntmachung auf dem Portal Insolvenzbekanntmachungen.de hervor. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wurde der Rechtsanwalt Jan-Philipp Hoos von der Kanzlei White & Case. Gerhardi beschäftigt insgesamt 1500 Menschen. Wie es für die nun weitergeht, ist noch unklar.
Wie wirkt sich die Rezession auf den NRW-Arbeitmarkt aus?
Der Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen erweist sich noch als überraschend robust. Laut RWI-Prognose entwickelt sich die Beschäftigung mit 38.000 zusätzlichen Jobs 2024 dynamischer als im Bund. Im kommenden Jahr sollen laut RWI unter dem Strich weitere 6000 Beschäftigte hinzukommen, auch wenn einige Industrieunternehmen Stellenverluste angekündigt haben. Viele Betriebe berichten trotz Krise weiterhin vom Fachkräftemangel. Ein Problem ist, dass jene Arbeitnehmer, die gerade ihre Stellen verlieren, oft nicht auf das Anforderungsprofil der Firmen passen, die dringend Mitarbeiter suchen.
Wie reagiert die NRW-Wirtschaft?
„Die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen droht zum Herbst 2024 tiefer in die Krise zu rutschen. Gerade in der Industrie ist die wirtschaftliche Lage nach Jahren des Rückgangs zunehmend kritisch“, sagt Stefan Hagen, Vize-Präsident der IHK NRW und Präsident der Bonner IHK. Er besitzt ein Beratungsunternehmen in Siegburg. Die Unternehmen müssten nun reagieren. „Die jüngsten Meldungen und leider auch unsere Konjunkturumfrage zeigen, dass zeitnah kein Licht am Ende des Tunnels ist“, sagt Hagen. Die Betriebe bräuchten den Rückenwind durch eine belastbare Wirtschaftspolitik, um Vertrauen zu fassen und wieder Schwung aufnehmen zu können.
Wie reagiert die Wirtschaftsministerin auf die Krise?
Wirtschaftsministerin Mona Neubaur sagte, der Ausbau Erneuerbarer Energien senke Energiekosten und verbessere die Rahmenbedingungen für Unternehmen. „Wir schaffen diese durch gezielte Maßnahmen: Im nächsten Jahr stellen wir dringend benötigte neue Flächen bereit, etwa im Münsterland und in Köln, um auch dort erfolgreiche Ansiedlungen wie zuletzt die von Rheinmetall in Weeze oder Microsoft im Rheinischen Revier zu ermöglichen“, sagte Neubaur.