AboAbonnieren

Analyse nach der WahlKölner SPD droht sich in der Führungsdebatte zu verheddern

Lesezeit 4 Minuten
LTW Joisten SPD Köln

Enttäuschung in den Gesichtern von Parteichefin Christiane Jäger und Fraktionschef Christian Joisten

Köln – 96.395 Kölnerinnen und Kölner haben bei der Landtagswahl am Sonntag ihre Stimmen der Sozialdemokratische Partei Deutschlands gegeben. Das entspricht 23,2 Prozent der abgegebenen Voten. Noch nie hat die SPD bei einer Landtagswahl weniger Zweistimmen geholt. Die Wahlsiegerin von 2017 ist auf den dritten Platz abgerutscht, überholt von der ungeliebten CDU und um Längen geschlagen von den Grünen. Von den vier Direktmandaten sind fünf Jahre später noch zwei geblieben. Nein, es war beileibe kein guter Abend für die Kölner SPD. Die Schlappe dürfte die seit Monaten schwelende Debatte um die Führung der Kölner Partei in den kommenden Wochen neu entfachen. Vor allem, weil es offenbar an konsensfähigem Personal mangelt. Mal wieder.

Die Kölner SPD so heißt es, ist in zwei Lager gespalten, die sich in ihrem politischen Wirken neutralisieren. Es ist ein bisschen so als hätte jemand der Partei eine Käsehaube übergestülpt, unter der mit sich gerungen wird, während andere von außen etwas irritiert auf das Geschehen unter dem Glasdeckel blicken. Die Ratsfraktion um dessen Vorsitzenden Christian Joisten und der seit Sonntag ehemaligen Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Parteichefin Susana dos Santos bilden mit ihren Getreuen den einen Block.

Auf der anderen Seite steht das Lager um die Parteivorsitzende Christiane Jäger, die 2019 den einflussreichen Schulpolitiker und stellvertretenden Vorsitzenden der Landtagsfraktion Jochen Ott beerbte und der offenbar Sympathien für Jäger hegt. Jäger hat aber bereits angekündigt, dass sie beim Parteitag am 25. Juni nicht mehr als Vorsitzende antritt. Statt ihrer hat sich die SPD bei einem Parteitag im vorigen November auf eine mögliche Doppelspitze aus Dos Santos und dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Fabian Stangier verständigt. Doch der Rückhalt für diese Doppelspitze schwindet, das Machtvakuum droht zum Dauerzustand zu werden.

Alles zum Thema Jochen Ott

Streit um Kandidatur in Mülheim

Dos Santos wollte eigentlich für die Landtagswahl in Mülheim antreten, was aber vor allem am Widerstand der örtlichen Genossinnen und Genossen scheiterte. Stattdessen trat hier Carolin Kirsch an, die prompt das Direktmandat errang und für einen Lichtblick im trüben SPD-Ergebnis sorgte. Dos Santos geht also doppelt geschwächt aus der Landtagswahl hervor. Ihr Spannmann Stangier (35) repräsentiert eine junge SPD. Er muss sich sein Standing in der Partei jedoch erst noch erarbeiten.

Kann dieses Duo die Partei einen? Offenbar hegt selbst Parteichefin Jäger gewisse Zweifel daran. Dabei hatte sie Dos Santos und Stangier mitvorgeschlagen. „Nach dieser Landtagswahl müssen wir überlegen, ob es noch gut ist, was wir im November beschlossen haben“, sagt sie. Trotzdem sehe sie den Hauptgrund für das schlechte Abschneiden der Partei vor allem im mangelnden Vertrauen in die Politik der Bundesregierung, analysiert Jäger. Noch am Freitag waren Bundeskanzler Olaf Scholz und reihenweise sozialdemokratische Parteiprominenz beim Wahlkampffinale auf dem Roncalliplatz. Genutzt hat es augenscheinlich nichts, im Gegenteil. „Als Kölner SPD haben wir einen guten Wahlkampf gemacht“, findet Jäger. Außer „minikleinen Querelen“ wie etwa die um Dos Santos‘ Kandidatur, sei die Kölner SPD geschlossen aufgetreten.

Joisten: „Das Ergebnis hat mich kalt erwischt“

Auch Christian Joisten hat das Landtagsmandat verpasst, stattdessen konnte in seinem Wahlkreis Florian Braun für die sonst übel gescholtene CDU den einzigen Sitz in Düsseldorf holen. Dabei hatte Joisten viel auf diese Karte gesetzt und schon mit seinem Arbeitgeber seine Zukunft als Berufspolitiker durchgesprochen. „Das Ergebnis hat mich kalt erwischt“, sagt er. Nun bleibt ihm die Position des Ratsfraktionschefs. Die Kölner Sozialdemokratie müsse „von einer starken Parteiführung flankiert werden“, fordert Joisten, was im Umkehrschluss bedeuten könnte, dass das aktuell nicht der Fall ist. Dennoch übt er sich in Einigkeit mit dem vermeintlich anderen Lager. Da Jäger nicht mehr antrete, sei es normal, dass sie kurz vor ihrem Ausscheiden keine großen Impulse mehr setze, auch wenn das zurzeit „eine für alle unbefriedigende Hängepartie“ sei. Ob die angepeilte künftige Doppelspitze Dos Santos/Stangier immer noch das Ziel sei, lässt er ein Stück weit offen: „Mag ein, dass da der eine oder andere Änderungsbedarf sieht. Ich habe aber diesbezüglich noch nichts gehört.“

Das könnte Sie auch interessieren:

In jedem Fall gebe es zu denken, dass viele SPD-Wählende bei der Landtagswahl überhaupt nicht abgestimmt hätten, sind sich Jäger und Joisten einig. „Das ist ein Desaster“, urteilt Joisten. Die Dominanz der Grünen in Köln sei einem „Lebensgefühl“ geschuldet, „dass mit der realen politischen Arbeit nichts zu tun hat“, sagte der Fraktionschef. Denn es hätten völlig unbekannte grüne Kandidierende reüssiert, für die die Menschen also kaum wegen politisch Erreichtem abgestimmt hätten. „Wir müssen unsere Kommunikation verbessern“, damit die Themen der SPD besser bei den Wählerinnen und Wählern ankommen, sagt Jäger. Sie selbst ist dann als Parteichefin nicht mehr in der Pflicht. Ob es die vorgeschlagen Doppelspitze ist, ist ungewiss.