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Kommentar

Erzbistum Köln
Brisantes Urteil zu Missbrauchspriester

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Lesezeit 3 Minuten
Das Justizgebäude Reichensperger Platz, Sitz des Oberlandesgerichts Köln

Das Justizgebäude Reichensperger Platz, Sitz des Oberlandesgerichts Köln

Das Oberlandesgericht Köln sieht hinter Vorwürfen gegen einen von Kardinal Woelki beförderten Geistlichen, die Woelki stets als bloße Gerüchte eingestuft hat, feststehende Taten.

Presserechtliche Streitigkeiten drehen sich, so wirkt es zumindest außerhalb der juristischen und der journalistischen Blase, oftmals um Spitzfindigkeiten. Was das Oberlandesgericht (OLG) Köln aber jetzt in einem Berufungsprozess um Berichte der „Bild“-Zeitung über einen von Kardinal Rainer Woelki beförderten Priester entschieden hat, ist dagegen ausgesprochen klar: Die Zeitung durfte den klagenden Geistlichen, gegen den eine ganze Reihe von Vorwürfen sexueller Übergriffigkeiten im Raum stehen, einen „Missbrauchspriester“ nennen.

Das Gericht bestätigte damit die Rechtsauffassung aus einem anderen Prozess, in dem Woelki selbst an diesem Punkt ebenfalls unterlegen war. Die kritische Bewertung des Klägers als „Missbrauchspriester“ stehe in einem „direkten und untrennbaren Kontext der tagesaktuellen Kritik an der Amtsführung des Kardinals und einem angeblichen Kontrast zu dessen öffentlicher Selbstdarstellung als jemand, der vermeintlich um die Aufklärung kirchlicher Missbrauchstaten bemüht sein will“.

OLG Köln hörte einen Zeugen zu den Missbrauchsvorwürfen

Fast noch wichtiger: Während Woelki die Vorwürfe gegen den Priester, bei denen es unter anderem um gemeinsame Saunabesuche mit Messdienern, übermäßigen Alkoholkonsum, Masturbation und das Vorführen von Pornofilmen ging, sämtlich als bloße Gerüchte qualifiziert hat, handelt es sich „zur vollen Überzeugung“ des Senats um feststehende Taten.

Das Gericht hatte dazu im September in nicht-öffentlicher Sitzung einen heute 47 Jahre alten Zeugen gehört, der die an ihm in den 1990er Jahren begangenen sexuellen Übergriffe dem Erzbistum bereits Ende 2020 schriftlich geschildert hatte. Die Vorinstanz hatte eine solche Befragung für nicht notwendig erachtet. Der Geistliche hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets beschritten.

Kardinal Woelki schilderte den Fall in einem Schreiben an den Vatikan

Die Einschätzung des OLG zu dem Fall wirft auch ein Licht auf das kirchliche Strafverfahren gegen den Priester. Das Kirchengericht des Erzbistums kam 2022 „aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen“ zu einem Freispruch. Da das Opfer zur Tatzeit älter als 16 war, war der Missbrauch nach damaligen kirchenrechtlichen Bestimmungen zwar nicht strafbar. Ein „Bild“-Sprecher sagte mit Blick auf die Bewertung des Falls durch das OLG gleichwohl, es handele sich um ein „krasses Missverhältnis“, und er verwies darauf, dass im kirchlichen Verfahren keine Zeugen befragt worden seien.

Woelki selbst schilderte den Fall des zur Tatzeit Minderjährigen in einem Schreiben an den früheren Präfekten der Glaubenskongregation aus dem November 2018. In einem Gerichtsverfahren, in dem es um Woelkis Kenntnisstand zu Missbrauchsfällen ging, gab der Kardinal im März 2023 unter Eid an, ihm habe „bis heute niemand etwas über die Vorwürfe“ des Betroffenen berichtet. Inzwischen ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Meineid.

Wie Oberstaatsanwaltschaft Ulf Willuhn dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte, werden hierzu unter anderem die E-Mails und die Handy-Kommunikation des Kardinals ausgewertet. Mit Ergebnissen sei nicht vor dem Frühjahr zu rechnen.

Aktenzeichen 15 U 132/22