Was passiert nachts am Flughafen? In Folge 5 besuchen unsere Reporter den riesigen Frachtbereich von UPS, wo jede Nacht hunderttausende Päckchen aus aller Welt sortiert und verschickt werden.
Eine Nacht am Flughafen Köln/BonnWenn es dunkel wird, beginnt der Wettlauf gegen die Zeit
Die Maschine aus Rom mit Zwischenstopp in Venedig setzt um 0.24 Uhr auf der Großen Bahn auf. Knapp 35 Tonnen Fracht bringt die Boeing 767-300 des Frachtriesen UPS in dieser Nacht nach Köln ins größte Sortierwerk des Unternehmens außerhalb der USA. Im Bauch der Maschine stecken mehrere tausend Pakete, verteilt auf 31 große Container. Die Piloten lenken die Boeing in den Frachtbereich West des Flughafens Köln/Bonn.
Drei Minuten nach der Landung kommt das Flugzeug an seiner Zielstation zum Stehen, die Verladung kann beginnen. Für die Mitarbeiter von UPS startet jetzt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn alle Pakete, alle Flugzeuge müssen noch bis zum frühen Morgen wieder raus. Sofort machen sich die Mitarbeiter an die Entladung, fahren Hebebühnen an die Maschine und bringen die Fracht in die Sortierhalle.
Wenn es Nacht wird über dem Rheinland und die letzten Passagiere am Flughafen Köln/Bonn abgefertigt sind, schlägt die Stunde der Fracht. Von etwa 22.30 Uhr an landet eine hohe zweistellige Zahl an Transportmaschinen. Allein von UPS sind es in dieser Nacht etwa 50, davon acht Exemplare der größten Frachtflieger der Welt, dem Jumbojet Boeing 747. Sie kommen aus Warschau, Istanbul, New York, Hong Kong und weiteren Städten und bringen von Elektrogeräten, Autoteilen und Klamotten bis zu Impfstoffen und Medikamenten alles mit, was in ein Paket passt.
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Auf dem Rollfeld landen jetzt im Minutentakt die großen Frachtmaschinen. In aller Regel bleibt ein Päckchen nicht länger als ein paar Stunden hier, erklärt Sprecher Jan Heitmann, sondern werden wieder mit der nächsten Maschine – bei näher gelegenen Zielen auch per LKW – weitertransportiert. Damit das Nacht für Nacht klappt, muss ein Rad ins andere greifen. Am späten Abend werden dafür tausende Mitarbeiter mit Bussen in die Sortierstelle gebracht, wo die Päckchen zuerst aus den Containern entladen, stichprobenmäßig vom Zoll begutachtet und dann durch ein riesiges Bänderwerk für den Weitertransport startklar gemacht.
„Jedes einzelne Paket wird dafür von der Sortiermaschine gescannt und in eine Kippschale oder Querbänder geschoben, von denen mehrere tausend auf dem Transportmechanismus liegen“, erklärt Mitarbeiter Tim Gänge. Die unterschiedlich großen und schnellen Sortierbänder in der Halle haben eine Gesamtlänge von mehr als 40 Kilometer, fast so lang wie ein Marathon. Kleinpakete werden aus den Schalen automatisch in Säcke gekippt, mehrere Säcke passen dann in einen Container und davon mehr als 40 in ein Flugzeug. „Das System funktioniert wie ein Trichter“, erklärt Gänge.
Nach Frankfurt und Leipzig ist Köln/Bonn der größte Frachtflughafen in Deutschland, das Cargo-Geschäft also auch wirtschaftlich essentiell, zumal die Corona-Pandemie die Zahlen nicht hat einbrechen lassen - anders als bei den Passagiermaschinen. 970 Millionen Tonnen Fracht wurden hier im vergangenen Jahr abgewickelt. Der vor allem bei Anwohnern im Rechtsrheinischen umstrittene Nachtverkehr bringt unweigerlich Fluglärm mit sich. Doch wenn Pakete in kürzester Zeit um die halbe Welt geflogen werden und pünktlich ankommen müssen, geht es oft nur mit Nachtflügen.
Der Flughafen erhebt dafür nachts höhere Start- und Landegebühren und UPS hat schon die lautesten Maschinen aus der Flotte und aus den Kernzeiten der Nacht genommen. Ein spezielles An- und Abflugverfahren mit einem kontinuierlichen Sink- und Steigflug reduziert zudem Lärm. Die Querwindbahn, die vor allem über dem dicht besiedelten Porz den Krach erzeugt, ist nachts geschlossen.
Heute Nacht geht auch ein Flieger nach Madrid. Mehrere Päckchen pro Minute fallen in einen der Madrid-Säcke, von denen es über die Marathon-Strecke der Bänder verteilt mehrere gibt. „Dadurch können wir die Schalen mit weniger Leerlauf effizienter belegen“, sagt Gänge. Ein Päckchen liegt so im Schnitt insgesamt nur etwa 15 Minuten auf einem Förderband. Die vollen Container werden noch verplombt, gewogen und mit dem sogenannten „Manifest“, sozusagen seinem Flugticket mit allen Daten versehen an eine Rampe gebracht. Einer der Container nach Madrid wird gerade mit 1,9 Tonnen abgewogen. Die Fracht-Taxis, die die ganze Nacht durch die Halle und das Vorfeld düsen, ziehen jeweils zwei bis drei Container aufs Rollfeld.
Dort herrscht jetzt eiliges, aber geordnetes Treiben. Nebeneinander stehen dutzende UPS-Maschinen, die letzten werden noch ausgeladen, die ersten schon wieder beladen, einige sind dazwischen komplett leer. Wie eine 747, die noch heute Nacht wieder nach Louisville in Kentucky fliegt. Der Innenraum des Jumbojets ist mit Rollen verlegt, sodass sich die Container leicht über Joysticks bewegen lassen. 46 Container fasst dieses größte Modell der UPS-Flotte.
Spezialfahrzeuge von UPS fahren nun an die Flugzeuge heran, enteisen und betanken sie für ihren Rückweg. Gegen 1.20 Uhr, da ist sie gerade erst entladen, wird die Boeing 767 aus Venedig mit diesem hellrosa-farbenen Chemikaliengemisch gegen Frostbildung geschützt, eine halbe Stunde vor dem Rückflug noch einmal. Die Fontänen hüllen die Flugzeuge im Nachthimmel kurzzeitig in helle Nebelschwaden.
Der Paketriese UPS ist mit etwa 3500 Mitarbeitern, 49 täglichen Flugverbindungen, 26 eigenen und 23 gecharterten Maschinen der größte Fracht-Akteur am Flughafen Köln/Bonn. Ein Großteil des Europa-Geschäfts für eilige Express-Sendungen wird über das Drehkreuz in Köln abgewickelt. Bis zu 190.000 Pakete kann das Sortierwerk pro Stunde verarbeiten. Ausgelegt ist die Halle auf die Spitzen im Weihnachtsgeschäft ab Ende November. „Die Peak, das Weihnachtsgeschäft, ist erst im Januar beendet. Nach Weihnachten gibt es schließlich noch die Retouren“, sagt Heitmann.
In nur anderthalb Stunden ist die Boeing 767, die kurz nach Mitternacht aus Venedig gelandet ist, wieder neu beladen. Über Hebebühnen wurden 46 Tonnen Fracht in den 30 Containern in die Maschine gehievt und mit 41,3 Tonnen Kerosin betankt. Frachtmaschinen fliegen zwar durch steileren Steig- und Sinkflug im Vergleich zu Passagiermaschinen etwas spritsparender, sind aber auch etwas schwerer und brauchen daher mehr Treibstoff.
Ein Arbeiter des Abfertigungsteams fährt den Hubwagen weg, mit dem die Pakete in den Bauch der Maschine gehoben wurden. Ein anderer zieht die fahrbare Treppe zurück, mit der die Piloten ins Cockpit gelangt sind. Die 767 ist nun bereit zum Weiterflug nach Oslo mit Zwischenstopp in Malmö. Der „Ramp Agent“ ist der letzte vom Bodenpersonal, der über Funk nun noch Kontakt zum Piloten hält, bevor gleich ein Lotse im Tower übernimmt. Der „Ramp Agent“ informiert den Piloten, dass das Abfertigungsteam seine Arbeit erledigt hat, die Maschine ist startklar. Ein Flugzeugschlepper, „Pusher“ genannt, schiebt die Boeing ein paar Meter bis zur Startbahn. Sie rollt los, um 3.10 hebt sie über die Große Start- und Landebahn ab.
Wie funktioniert der Flughafen Köln-Bonn? Ein Reporterteam des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat eine Nacht in Tower, Terminals und auf dem Rollfeld verbracht. Alle Texte, Bilder und Videos finden Sie in den einzelnen Kapiteln aus der Nacht.
Lesen hier Teil 1 unserer Flughafenreportage zur Gepäckabwicklung. In Teil 2 erzählt unser Reporterteam von spannenden Begegnungen am Terminal. Für Teil 3 begleitete das Team des Zolls am Flughafen und in Teil 4 Piloten und Flugbegleiterinnen von Eurowings vor einem Flug. In Teil 5 berichten unsere Reporter von dem Wettlauf gegen die Zeit im Frachtbereich. In Teil 6 besuchen unsere Reporter den Tower.