Was passiert nachts am Flughafen? In Folge 6 besuchen unsere Reporter den Tower, wo jede Nacht dutzende Flugzeuge dirigiert werden.
Nachts in Köln/BonnWie Lotsen den komplexesten Flughafen Deutschlands dirigieren
Es ist dunkel oben im Tower, 54 Meter über dem Rollfeld, nur die Monitore, Tastaturen und eine Uhr leuchten. „So können wir die Flugzeuge da draußen besser sehen“, sagt Lotse Oliver Bullmann und schaut durch die Fenster herunter auf das nächtliche Lichtermeer des Flughafens Köln/Bonn. Es herrscht heitere, aber konzentrierte Stimmung. Das deutet auf eine eher ruhige Phase für die vier Lotsinnen und Lotsen der heutigen Nachtschicht hin.
„Die Landung ist der anspruchsvollste Teil bei einem Flug“, sagt Lotse Oliver Bullmann. Überpünktlich schwebt Eurowings-Flug EW 755 aus Wien über die Wahner Heide auf dem Landeanflug nach Köln/Bonn und funkt den Tower an. Der Pilot bittet bei Bullmann um Landefreigabe. Kurze Zeit später fragt auch die Besatzung eines Fedex-Fliegers über die große Bahn Landegenehmigung an. Der Frachtflieger ist etwas schneller unterwegs als die Eurowings-Maschine mit ihren 180 Knoten, ist aber noch etwa fünf Seemeilen von der Landebahn entfernt. Bullmann schaut auf den Monitor, der etwa eine Hochrechnung von 95 Sekunden Zeitunterschied anzeigt. Die beiden Maschinen werden sich also weder in der Luft, noch auf dem Boden in die Quere kommen werden.
Bullmann gibt zunächst dem Eurowings-Piloten eine Landegenehmigung. Dafür gibt er die Windgeschwindigkeit durch, aktuell ein Knoten, und erteilt dem Piloten das „cleared to land“, wie es heißt. Der Pilot wiederholt die Freigabe wörtlich, danach dauert es weniger als eine Minute, bis der Flieger aufsetzt. Die Fedex-Maschine kommt kurz danach.
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In der zwölften Etage des inzwischen gehörig in die Jahre gekommenen Towers sitzt das „Gehirn“ des Flughafens, wo alle Starts, Landungen und Flugzeugbewegungen auf dem Boden koordiniert werden. – vom Regierungsflieger über den Rettungshubschrauber der Feuerwehr bis zum Kampfjet kann hier alles dabei sein. Köln/Bonn ist auch Ausweichflughafen für den Fliegerhorst Nörvenich.
Köln/Bonn ist einer der komplexesten Flughäfen Deutschlands
Etwa 300 Flugbewegungen sind es täglich an einem der komplexesten Flughäfen Deutschlands. Die beiden parallel verlaufenen Großen und Kleinen schneidet eine dritte Piste, die Querwindbahn. Das gibt es in Deutschland sonst nur in Hamburg. Jeder Flughafen hat unterschiedliche Eigenarten, die Lotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) können daher nur an einem einzigen Ort eingesetzt werden und müssen vor einem Wechsel neu geschult werden.
In dieser Nacht kreist ein Polizeihubschrauber über Leverkusen und will am Kölner Flughafen vorbei zurück zum Flugplatz Hangelar. Da gerade zwei Maschinen auf ihrem Landeanflug auf Köln/Bonn sind, bittet Bullmann ihn, einen „Schweinehaken“ zu fliegen, also nochmal eine kleine Runde. Danach darf er weiter durch den Kölner Luftraum fliegen. „Die Maschinen, die von Norden über die große Bahn einfliegen, drehen meistens über Leverkusen, um über Köln zum Landeanflug anzusetzen. Bis dahin ist die Flugsicherung in Langen bei Frankfurt zuständig“, sagt Lotse Bullmann. „Erst ab dem Moment übernehmen wir“.
Von Leverkusen bis ins Siebengebirge, vom Bergischen bis in die Eifel reicht das Zuständigkeitsgebiet des Kölner Towers. Alles, was hier passiert, koordinieren Bullmann und seine Kollegen. Auch wenn mal was dazwischenkommt, wie gestern, als eine Bombenentschärfung am Nachmittag den halben Kölner Westen lahmlegte.
Insgesamt 33 Fluglotsen und 2 Flugdatenbearbeiter steuern das Fluggeschehen aus der 40 Quadratmeter großen Towerkanzel im Schichtdienst. Sie kontrollieren rund um die Uhr die Flugzeuge vom Anlassen der Triebwerke, über den Rollverkehr bis hin zur Start- und Landefreigabe. Auch Segelflieger, Ballonfahrer und Drohnen werden von hier gelotst.
95 Prozent Ausfallquote
Wie fast alle Branchen sucht auch die Flugsicherung händeringend Nachwuchs und lockt dafür mit attraktiven Gehältern. Wer Abitur und gute Englischkenntnisse hat, kann sich bis zum Alter von 24 Jahren bewerben, muss danach aber durch harte Auswahlprüfungen, in denen unter anderem die Fähigkeit zu Konzentration, Belastung und Multi Tasking abgeklopft wird. 19 von 20 Anwärtern bestehen diesen Test nicht.
„Das wichtigste ist, seine Grenzen zu kennen und sich nicht zu überschätzen“, sagt Bullmann. Früh dem Stress gegenzusteuern, die Abstände der Starts und Landungen vergrößern, wenn es nicht anders geht. Safety first. „Man muss auch brenzlige Situationen, wenn sich Flugzeuge zum Beispiel sehr nahe kommen, routiniert abarbeiten. Es gibt Menschen, die würden dann erstarren und aus Panik gar nichts mehr tun. Die wären hier falsch aufgehoben“, sagt Bullmann, der seit 2011 ausgebildeter Lotse ist.
Die Nachtschicht ist die arbeitsreichste für die Lotsen in Köln/Bonn. Gegen 22.30 Uhr beginnt die „Inbound Phase“, in der viele Flugzeuge erwartet werden. Es wird ruhiger, konzentrierter. Allein von UPS, dem größten Frachtbetrieb am Flughafen, werden in den kommenden zwei Stunden etwa 50 Maschinen erwartet, die gerade noch alle in der Luft sind, wenige Kilometer entfernt von Köln und nacheinander über Leverkusen drehen und in den Landeanflug gehen.
Wie funktioniert der Flughafen Köln-Bonn? Ein Reporterteam des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat eine Nacht in Tower, Terminals und auf dem Rollfeld verbracht.
Lesen hier Teil 1 unserer Flughafenreportage zur Gepäckabwicklung. In Teil 2 erzählt unser Reporterteam von spannenden Begegnungen am Terminal. Für Teil 3 begleitete das Team des Zolls am Flughafen und in Teil 4 Piloten und Flugbegleiterinnen von Eurowings vor einem Flug. In Teil 5 berichten unsere Reporter von dem Wettlauf gegen die Zeit im Frachtbereich. In Teil 6 besuchen unsere Reporter den Tower.