Heftige verbale Angriffe prägten den Wahlkampf um den CDU-Parteivorsitz vor einem Jahr. Wie geeint ist die Partei heute? Eine Analyse.
„Geht ein Riss durch die Partei“So steht es um die Kölner CDU ein Jahr nach dem Machtwechsel
Sebastian Benz ist als neuer Schatzmeister der Kölner CDU am 25. März 2023 gerade erst wenige Minuten im Amt, als er den ersten Fehler seiner jungen Amtszeit macht. Benz sagt mit Blick auf die nächsten Monate: „Jetzt wird es langweilig.“
Er bezieht sich auf die gerade beendete Vorstandswahl, in der Karl Mandl nach zwei Jahren voller parteiinterner Streitigkeiten Bernd Petelkau abgelöst hat. Mandl ist der Kandidat von „Zukunft Jetzt“, einer parteiinternen Initiative, die „CDU pur“ will, die das Ende der Doppelfunktion von Petelkau als Fraktions- und Parteichef fordert. Sie sieht darin die Ursache für vier CDU-Niederlagen bei den großen Wahlen, weil die CDU im Stadtrat mit den Grünen agiere, so ihr Profil verliere.
Der neu gebildete geschäftsführende Vorstand besteht als Kompromiss aus Mitgliedern des Team Petelkau und aus Mitgliedern von „Zukunft Jetzt“, Mandl löst die Initiative am Wahlabend auf. So soll die Partei geeint werden – so die Hoffnung am 25. März 2023, der heute exakt ein Jahr her ist. Ex-Bundestagsmitglied Karsten Möring fordert danach: „Es wird jetzt wichtig sein, dass alle die neue Einigkeit im Alltag leben und nicht versuchen, sich über den Tisch zu ziehen.“
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Allerdings: Wer das vergangene Jahr der CDU als langweilig bezeichnet, dürfte auch ein 5:5 im Fußball-Bundesliga-Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach als ereignisarmen Freizeitkick bezeichnen. Es ist vor allem geprägt von Finanzskandalen (siehe Chronik am Ende des Artikels). Heute sagt Benz: „Ich hatte es mir einfacher vorgestellt, aber ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.“
Viele Gesprächspartner wollen sich nicht öffentlich äußern
Mandl hatte im März 2023 angekündigt, Brücken bauen zu wollen – aber hat er Wort gehalten? Mandl sagt: „Unsere Partei ist bei weitem geeinter als vor einem Jahr.“ Petelkau, seitdem nur noch Fraktionschef im Rat, will dazu nichts sagen.
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat für diese Geschichte mit 15 CDU-Funktionsträgern gesprochen, öffentlich mit ihrem Namen äußern wollten sich nur drei. Herausgekommen ist das Bild einer Partei, die teils wirkt wie ein zerstrittenes Paar auf der Zielgeraden seiner Ehe: Viel zu sagen hat es sich nicht – und wenn, ist es meist nichts Gutes.
Viel Kritik, aber auch Lob
Es fallen Sätze wie: „95 Prozent der Zeit beschäftigen wir uns mit allem Möglichem und fünf Prozent mit Inhalten.“ Oder: „Es geht weiter ein Riss durch die Partei.“ Und: „Wenn die Spaltung so bleibt, beschädigt das einen Oberbürgermeisterkandidaten und wir werden die Wahl nicht gewinnen.“ Viele Selbstverständlichkeiten würde Mandls Team als Neuigkeiten verkaufen. Es gibt aber auch Stimmen, selbst von Petelkau-Unterstützern, die in der Macht-Trennung etwas Gutes sehen, die die Partei im Aufbruch sehen.
Nathanael Liminski hat im Vorjahr die Versammlung geleitet, der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei findet, Mandls Bilanz könne sich sehen lassen. Liminski sagt: „Mit seiner pragmatischen Art und klarer Haltung wird er es schaffen, Brücken zu bauen und das Wesentliche in den Fokus zu rücken: eine starke CDU für ein starkes Köln.“ Liminski lobt also Mandl, aber laut seiner Aussage sind die Brücken momentan noch nicht gebaut.
In den ersten Monaten seiner Amtszeit kümmert sich Mandl mit Benz um die Finanzen der CDU, verkündete hohe Schulden, ausstehende Mitgliedsbeiträge, die Partei wirft Hunderte Mitglieder raus. Benz spricht öffentlich von einer möglichen Insolvenz, was selbst Petelkau-Gegner als „total irre“ bezeichnen.
Während das Mandl-Lager davon spricht, aufräumen zu müssen, spricht die andere Seite davon, es gehe nur darum, „Dreck zu werfen“. Ein Funktionär sagt: „Es ist Wunschdenken, dass eine Vorstandswahl die extrem offensiv geführte Auseinandersetzung vergessen lässt.“
Irritationen um einen Beitrag im Internet
Mitte Januar nähern sich beide Seiten nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ an: Nach Monaten der Terminfindung treffen sich demnach die geschäftsführenden Vorstände von Partei, Mandls Hoheitsgebiet, und Fraktion, Petelkaus Spielwiese.
Sie sprechen unter anderem über Strategiefragen, auch um Peinlichkeiten wie im Juli zu verhindern: Damals hatte die Fraktion sich zu Aussagen von Bundesparteichef Friedrich Merz zur AfD geäußert. Später wird der Post gelöscht, es folgt eine mildere Erklärung von Partei und Fraktion. Das Treffen soll in guter Atmosphäre abgelaufen sein.
Doch damit ist es am 6. Februar vorbei, als Mandl Ratsfrau Monika Roß-Belkner in die achtköpfige Vorschlagskommission für den OB-Kandidaten 2025 beruft. Mandl wählt Roß-Belkner als Vertreterin der Fraktion, doch die hatte sich im Wahlkampf auf die Seite von „Zukunft Jetzt“ gestellt. Das Petelkau-Lager fühlt sich übergangen. „Da machen wir einen Schritt nach vorne und direkt wieder drei nach hinten“, sagt ein Beteiligter. Mandl sagt, Roß-Belkner sei unabhängig von eigenen Interessen, weil sie nicht mehr für den Rat kandidiere.
Wie mehrere Gesprächspartner bestätigen, haben Mandl und Petelkau bis heute kein festes eigenes Gesprächsformat gefunden, in dem nur sie beide miteinander sprechen. Mandl verneint das, verweist auf die „regelmäßigen Treffen“ der geschäftsführenden Vorstände, die man initiiert habe – doch nach Informationen dieser Zeitung hat in dieser Besetzung bislang nur das eine im Januar stattgefunden.
Petelkau kein Mitglied im geschäftsführenden Vorstand
Mandl darf als Parteichef an den Fraktionssitzungen teilnehmen, Petelkau nimmt zwar an den Sitzungen des erweiterten Parteivorstands teil, gehört aber nicht zum geschäftsführenden Vorstand, wurde nicht kooptiert. Die Fraktion ist in dem siebenköpfigen Gremium nicht vertreten.
Ein langjähriges Mitglied des Führungszirkels sagt: „Das ist ein Armutszeugnis und ein Zeichen von Schwäche von Mandl.“ Mandl verweist darauf, dass Petelkau, Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz und andere Fraktionsmitglieder dem erweiterten Vorstand angehörten.
Ab der zweiten Jahreshälfte stellt die Partei die Kandidaten für die Wahl des Stadtrates 2025 auf. Wenn Petelkau nochmal antritt, ist die Frage, ob Mandl jemanden gegen ihn stellt und der Machtkampf weitergeht. Mandl sagt: „Ich werde für den Rat nicht kandidieren.“ Doch es geht um viel Wahlkreise, um viele Mandate, es dürfte mit der Kölner CDU nicht langweilig werden. Das weiß mittlerweile auch Schatzmeister Sebastian Benz.
Das Jahr der Kölner CDU mit ihren Finanzen
August 2023: Die Partei hat seit Jahren ausstehende Mitgliedsbeiträge nicht eingetrieben, es handelt sich um rund 260.000 Euro. Zudem drücken die Partei rund 250.000 Euro Schulden.
September 2023: Schatzmeister Sebastian Benz spricht öffentlich über eine mögliche Insolvenz, viele Mitglieder sind entsetzt über so viel Öffentlichkeit. Zuvor hatte der CDU-Kreisverband Borken mitgeteilt, die Landes-CDU würde für die Kölner CDU einspringen, sollte diese den 100.000-Euro-Kredit bei ihr nicht zurückzahlen können.
Oktober 2023: Die „Tagesschau“ berichtet von einer Selbstanzeige der Bundes-CDU bei der Bundestagsverwaltung. Es geht um eine möglicherweise illegale Spende des Projektentwicklers Gerchgroup von 50.000 Euro. Das mittlerweile insolvent gegangene Düsseldorfer Unternehmen wollte das sogenannte Laurenz-Carré am Kölner Dom bauen. Die Frage ist, ob mit der Spende eine bestimmte Erwartungshaltung verbunden war. Die damalige Parteiführung um den damaligen Chef Bernd Petelkau verneinte das.
Januar 2024: In der Geschäftsstelle fällt eine mögliche Veruntreuung von rund 29.000 Euro durch eine Mitarbeiterin auf. Die CDU stellt Strafanzeige, die Mitarbeiterin muss gehen.