Immer teurer, immer später fertigKulturbauten sind Kölns größte Sorgenkinder
- Im Köln-Barometer blickt die Kölner Lokalredaktion vierteljährlich unter anderem auf die Politik, den Verkehr, die Wohnsituation, die Wirtschaft und die wichtigsten größten Bauprojekte.
- Während sich in Sachen Verkehrswende ein wenig etwas tut, sind und bleiben die Kulturbauten die größten Sorgenkinder der Stadt.
- Außerdem präsentieren wir die Gewinner und Verlierer des Quartals.
Köln – Das Ergebnis der Europawahl verändert auch die politische Landschaft in Köln: Grüne mit breiter Brust verhandeln mit geschwächten Christdemokraten über die Zukunft der Stadt – und scheinbar orientierungslose Sozialdemokraten drücken dabei vorläufig die Zuschauerbank. Das Hoch der Grünen hat nicht nur mit Prozent- oder Umfragezahlen zu tun. Es sind neue soziale Bewegungen, die die etablierte Politik herausfordern. Die streikenden „Fridays for Future“-Schüler, Proteste gegen die Kohlepolitik und die Wohnungsnot, die europafreundlichen Kundgebungen gegen Abschottung – das alles erzeugt eine Grundstimmung, der sich die Kölner Kommunalpolitik nicht entziehen kann.
Anders als auf Bundesebene, wo die Grünen auch davon profitieren, dass sie nicht mitregieren, sind sie in Köln in der Verantwortung – und das schon sehr lange und immer wieder. Es ist nicht leicht, den ungeduldigen Demonstranten und Jungwählern zu erklären, warum so vieles nur so schleppend voran geht.
Die Konstellation ein Jahr vor der Kommunalwahl ist spannend: Manches deutet darauf hin, dass die Partner im Ratsbündnis von CDU und Grünen zunehmend bemüht sein werden, ihr eigenes Profil deutlich zu machen. Vor allem in verkehrspolitischen Themen liegen die Parteien nicht selten weit auseinander. Und dann liegen wiederum liegen sie so nah beieinander, dass der eine dem anderen das Urheberrecht streitig macht. Nachdem die CDU Mitte Mai mit dem Vorschlag kam, die Venloer Straße in eine Einbahnstraße umzugestalten, erinnerten die Grünen umgehend daran, dass sie so etwas bereits vor 20 Jahren angeregt hatten.
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Das ist das Köln Barometer
Viermal im Jahr wirft der „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Form einer Bestandsaufnahme einen Blick auf Entwicklungen, den Stand von wichtigen Bauprojekten, politische Trends und Herausforderungen des vergangenen Quartals. Die Vierteljahresbilanz prüft, was aus politischen Absichtserklärungen, Planungen und Beschlüssen geworden ist, und zeigt, wie die Stadt mit ihren Zukunftsaufgaben umgeht.
Die erste Ausgabe des Köln-Barometers erschien vor rund dreizehn Jahren, im April 2006. Es erscheint immer am ersten Samstag nach dem Ende des jeweiligen Quartals. Die Schwerpunkte der regelmäßigen Analyse können wechseln. Fester Bestandteil des Barometers ist die Darstellung des Fortschritts der zehn wichtigsten Bauprojekte der Stadt.
Wenn eines fertiggestellt ist oder Planungen beendet werden, werden neue Projekte ins Ranking aufgenommen. Außerdem präsentiert die Redaktion regelmäßig die Gewinner und Verlierer des jeweiligen Quartals.
Von der Frage, wie sich Oberbürgermeisterin Henriette Reker für die Zukunft in diesem Spannungsfeld positioniert, haben die Grünen abhängig gemacht, ob sie noch einmal mit ihr antreten wollen. Die Gespräche haben begonnen – ihr Ausgang ist durchaus offen. Vertreter der grünen Parteispitze beteuern, dass es nicht nur um gut gemeinte Absichtserklärungen und den schönen Schein gehen soll.
Unterstützung von zwei Parteien als Bedingung
Die CDU hat sich ihrerseits klar zu Reker bekannt, will aber ebenfalls Einfluss auf deren Politik nehmen. Reker selber hat eine Unterstützung durch zwei Parteien zur Bedingung für ihre erneute Kandidatur gemacht. Ihre Entscheidung will sie nach den Sommerferien bekanntgeben. Falls das ein Indiz sein sollte: Von Amtsmüdigkeit ist nicht das geringste zu bemerken, die Stadtchefin wirkt entschlossener als in manch einer früheren Phase ihrer Amtszeit.
Und die SPD? Die einst in Köln so mächtigen Sozialdemokraten suchen nach einem Spitzenkandidaten, der über die Parteigrenzen hinaus strahlen kann. Bislang ist niemand in Sicht, man wartet erst einmal die Entscheidung Rekers ab. Die Linke liebäugelt mit einer eigenen Kandidatur, will zuvor jedoch mit anderen Parteien sprechen.
Verkehr: Die Wende nimmt Fahrt auf
Welchen Beitrag zum Umweltschutz die seit Mitte Juni erlaubten Elektro-Tretroller leisten, lässt sich noch nicht absehen. Bringen Sie irgendjemanden dazu, für kurze Strecken auf sein Auto zu verzichten? Werden sie eher von denen genutzt, die ansonsten mit dem Fahrrad, der Bahn oder zu Fuß unterwegs sind? Oder, und das wäre aus ökologischer Sicht geradezu schädlich, dienen sie überwiegend dem Freizeitspaß und erheben die batteriebetriebene Fortbewegung zum Selbstzweck.
Bis die Auswirkungen der E-Scooter untersucht sind, lassen sie sich so einstufen: Eine Modeerscheinung, die mit der angestrebten Verkehrswende so gut wie nichts zu tun hat.Ganz anders das Fahrrad: Je mehr Kölnerinnen und Kölner dieses ebenso simple wie geniale Gefährt auf ihren alltäglichen Wegen bevorzugen, umso mehr profitiert die Luftqualität. Das wissen der Stadtrat und die Stadtverwaltung zwar schon lange. Doch in den zurückliegenden Wochen und Monaten verstärkt sich der Eindruck, dass es den Verkehrsplanern ernst ist mit der Idee einer fahrradfreundlichen Stadt. Da eröffnet die Oberbürgermeisterin eine Fahrradstraße auf den Wällen, so dass der Kraftverkehr dort nur noch Gastrecht beanspruchen darf. Da werden auf den Ringen Abschnitt für Abschnitt eigene Spuren für Radler markiert. Und stadtweit gibt die Verwaltung weitere Einbahnstraßen für den unmotorisierten Gegenverkehr frei. Selbst wenn es noch Jahre dauert, ehe aus dem Flickenteppich ein geschlossenes Radverkehrsnetz geworden ist, lässt sich spüren: Endlich nimmt die Wende auch in Köln Fahrt auf.
Den Autoverkehr nicht unnötig behindern und schon gar nicht verbieten, aber klar machen, dass es attraktivere Angebote gibt: Von diesem Gedanken lässt sich die österreichische Hauptstadt Wien bei ihrer Verkehrsplanung leiten. Für Köln wäre das nachahmenswert, aber mit Schwierigkeiten verbunden. Denn das Schienennetz der KVB mit seinem Mix aus U-Bahn und Straßenbahn, mit seiner Störanfälligkeit und Bahnsteigen in unterschiedlicher Höhe, stößt längst an seinen Grenzen. Ob die von der Verwaltung vorgeschlagene Expressbus-Verbindung auf der Aachener Straße die Linie 1 entlasten kann, und ob das Ausbremsen des Pendler-Pkw-Verkehrs mittels einer Pförtner-Ampel in Weiden eine gute Lösung ist, ist zu bezweifeln.
Wirtschaft: Hoffen und Bangen bei Ford
Die bitteren Ankündigungen von Ford, massiv Stellen abzubauen, werden konkreter. 5400 Stellen der insgesamt 24.000 Arbeitsplätze in Köln und Saarlouis sollen abgebaut werden. Das Unternehmen sagt, dass 60 Prozent der geplanten Kürzungen bereits erreicht seien, weil Mitarbeiter Abfindungen akzeptiert haben.
Die US-Konzernmutter will in Europa zurück in die schwarzen Zahlen. Der Kölner Standort wird überleben und hat Chancen, vom schmerzhaften Sparprogramm am Ende sogar zu profitieren. So will Ford die Sparte E-Mobilität in Köln konzentrieren. Hier soll zudem das gesamte Pkw-Geschäft, aber auch das deutlich margenstärkere SUV-Segment gebündelt werden.
Die Arbeitslosenzahlen sind leicht gestiegen, doch die Agentur für Arbeit sieht keinen Grund zur Besorgnis: Der Arbeitsmarkt sei stabil, es gebe ein weiteres Beschäftigungshoch. Die Zahl der Entlassungen ging zurück, mehr Menschen kommen in Arbeit; auch die Zahl der gemeldeten Stellen ist gestiegen.
Mehr als 8400 Stellen sind zur Zeit unbesetzt. Gleichzeitig gibt es in der Stadt weiterhin fast 35.000 Langzeitarbeitslose. Ihre Zahl stieg prozentual deutlich stärker an, als die Gesamtzahl der Arbeitslosen – ein sicheres Indiz für ein strukturelles Problem des Arbeitsmarkts der Großstadt. Es fehlt an einfachen Jobs. Viele Arbeitslose bringen nicht das mit, was Unternehmen zur Besetzung ihrer freien Stellen erwarten.
Wohnen: Der Markt ist aus den Fugen
Das Quartal begann für alle, die mit Wohnungen, ihrem Bau und ihrer Verwaltung zu tun haben, mit ganz kräftigem Druck. Die Wohnungsnot und die Preisentwicklung in den Städten hat Tausende mit wütenden Demos auf die Straße gebracht. Der Chef des Kölner Mieterbundes, Franz-Xaver Corneth, äußerte gar Verständnis für die aus Berlin importierte Forderung nach Enteignung großer privater Wohnungskonzerne. „Wenn der Markt aus den Fugen gerät, ist das ein naheliegender Gedanke.“ Corneth ist nicht der einzige, der neue Instrumente fordert, mit dem Stadt und Staat dagegen halten. In der politischen Diskussion sind zum Beispiel eine neue Wohnungsbaugesellschaft oder ein zusätzliches kommunales Förderprogramm für den preiswerten Wohnungsbau. So etwas gibt es in anderen Großstädten, die weiter sind als Köln.
Wie es scheint, ist Bewegung in die Bauverwaltung gekommen. Über alles mögliche wird zur Zeit nachgedacht, ist zu hören. Die Liegenschaftsdezernentin flankiert die neuen Anläufe mit der Ankündigung, in Zukunft mit dem Erbbaurecht zu arbeiten, anstatt städtischen Grund und Boden zu verkaufen. Das wäre tatsächlich ein echter Kurswechsel. Und die Sozialverwaltung schickt Kontrolleure los, um diejenigen zu bestrafen, die ihre Wohnungen an Touristen vermieten. Auch hier sind Berlin und Hamburg weiter – aber immerhin: Köln versucht nachzuziehen.
Entscheidend ist die Frage, ob es gelingt, dass tatsächlich mehr gebaut wird. Die Zahlen liegen weiterhin weit unter den selbstgesteckten Zielen, vor allem beim preiswerten und geförderten Wohnungsbau.
Im Juni hat der städtische Wohnungskonzern GAG seine Zahlen vorgelegt, der nach wie vor den größten Beitrag beim sozialen Wohnungsbau leistet. 436 neue Wohnungen für Menschen mit Wohnberechtigungsschein wurden 2018 errichtet – eine überschaubare Steigerung im Vergleich zum Vorjahr. Hinzu kommen rund 300 neue Wohneinheiten für Menschen mit einem höheren Einkommen und rund 350, die modernisiert wurden. Auch diese Zahlen sind gestiegen, aber ebenfalls nur leicht.
Die GAG-Chefs fordern mehr günstige Grundstücke von der Stadt. Auch sie fordern die Kölner Politik und Verwaltung auf, endlich ein Wohnungsbauförderungsprogramm aufzulegen, das den Namen verdient und tatsächlich wirkt.
Finanzen: Der Gewerbesteuer sei Dank
Von einer Finanzkrise ist im Rathaus nichts mehr zu hören, wohl aber von dem Zwang, den Sparkurs fortzusetzen. Die Bilanz für das Jahr 2018, die Kämmerin Dörte Diemert den Fraktionen im zurückliegenden Juni vorlegte, enthält jedenfalls die Nachricht, dass das Minus in dem Fünf-Milliarden-Haushalt nicht ganz so hoch ausgefallen ist wie erwartet. Statt der vorhergesagten 125 Millionen Euro fehlten am Ende lediglich 83 Millionen. Das ist für die Steuerzahler natürlich alles andere als ein Anlass zum Jubeln. Aber der städtische Jahresabschluss, vergleichbar mit dem Geschäftsbericht eines Unternehmens, nährt die Hoffnung, in absehbarer Zeit ein ausgeglichenes Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben zu erreichen.
Was die Ausgaben betrifft, profitiert Köln weiterhin von den niedrigen Zinsen. Bankkredite sind für Kommunen, die als Körperschaft des Landes vor einer Pleite geschützt sind, noch günstiger zu haben als für private Bauherren. Müsste die Stadt höhere Zinssätze zahlen, würde sie durch unverzichtbare Investitionen etwa in den Bau von Schulen und die Sanierung der enorm belastet – und dadurch an Spielraum für Kulturförderung, soziale Zusatzleistungen und andere freiwillige Ausgaben verlieren.
Auf der Einnahmenseite spült die Gewerbesteuer Rekordbeträge in die Kasse, allein in diesem 1,4 Milliarden Euro. Die immer noch gute allgemeine wirtschaftliche Lage trägt maßgeblich dazu bei, dass die Stadt handlungsfähig bleibt. Gleichzeitig offenbart der Umstand die große Abhängigkeit der Verwaltung von der Konjunktur. Laut der aktuellen Steuerschätzung ist für den Zeitraum von 2020 bis 2024 ein Rückgang der jährliche Erträge für den städtischen Etat in Höhe von rund 50 Millionen Euro und mehr zu befürchten. Das stellt die Ratspolitiker und die Verwaltung vor die Pflicht, den Haushalt zu entrümpeln und sich gegebenenfalls von Aufgaben zu trennen. Das ist allen Ankündigungen zum Trotz in der Vergangenheit niemals so recht gelungen. Angesichts des Einwohnerwachstums und der sich daraus ergebenden zusätzlichen Arbeit wird die 19.000 Mitarbeiter starke Verwaltung noch mehr Personal benötigen. Umso dringender muss sie die Digitalisierung vorantreiben. Vieles von dem, was heute noch am Schalter beantragt werden muss, ließe sich mit ein paar Mausklicks erledigen.
Die zehn wichtigsten Bauprojekte
Gerling Quartier
Der vor neun Jahren begonnene Umbau zu einem Wohn-, Büro- und Hotelkomplex nähert sich so langsam dem Ende. Bis Ende 2021 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.
Archäologische Zone
Das Bauvorhaben, zu dem das jüdischen Museum gehört, wird laut Verwaltung wohl mehr kosten als die vom Rat bewilligten 77 Millionen Euro. Die für Juni 2021 geplante Eröffnung verzögert sich.
Messe-City
Das 60 Meter hohe Hochhaus, künftige Zentrale der Zurich-Versicherung, soll Ende 2019 einzugsbereit sein. Im kommenden Jahr soll dann der Hotelkomplex fertig sein. Die Betreiber: Adina und Motel One.
Porz-Mitte
Im Juni ist der Grundstein für das „Haus 1“ der Neuen Mitte Porz gelegt worden. Nach dem Abbruch des ehemaligen Hertie-Kaufhauses hat der Bau des ersten von drei Gebäudekomplexen begonnen.
Rudolfplatz
Die Gebäude auf dem Grundstück zwischen Habsburgerring, Hahnenstraße und Pilgrimstraße sind abgerissen. In der riesigen Baugrube gehen die Arbeiten voran. Bis 2021 soll ein Büro-Neubau fertig sein.
Stadtarchiv
Der Neubau droht teurer zu werden als die veranschlagten 83,5 Millionen Euro, unter anderem wegen nachträglicher Rechnungen und ungünstiger Firmenangebote; in welchem Ausmaß, ist noch nicht ermittelt.
Nord-Süd-Stadtbahn
Mitte 2020 soll die Sanierung des beim Einsturz des Stadtarchivs zerstörten U-Bahn-Bauwerks beginnen. Die neue Linie zwischen Breslauer Platz und Bonner Wall geht frühestens 2027 in Betrieb.
Sanierung Oper/Schauspielhaus
Laut jüngsten Berechnungen wird die Sanierung 571 Millionen Euro kosten und bis zum zweiten Quartal 2023 dauern. Es wird noch einmal bisschen teurer und einige Monate länger dauern.
Stadtmuseum Roncalliplatz
Das historische Quartier in der Zeughausstraße wird geräumt. Ob das Museum tatsächlich an den Dom ziehen wird, ist noch nicht entschieden. Der Rat soll 2020 entscheiden.
Erweiterung Wallraf-Richartz-Museum
Der Vertrag mit dem Generalplaner ist im April unterzeichnet worden. Der Baubeginn ist für 2022 terminiert. Seit über 18 Jahren wartet das Projekt auf seine Realisierung.
Öffentlicher Raum: Keine klaren Regeln
Die Premiere ist gelungen: Mit dem Fest „Straßenland“ haben sich nicht nur Firmen und Initiativen mit Ideen für den Verkehr der Zukunft präsentiert. Die Besucher konnten auch erleben, wie es ist, wenn die Nord-Süd-Fahrt an einem Sonntag für den Autoverkehr gesperrt wird und plötzlich unheimlich viel Platz für allerlei andere Aktivitäten entsteht.
Die Diskussionen im Vorfeld über die Frage, ob die Stadt nicht mehr Nutzungsgebühren von den Veranstaltern kassieren muss, waren kleinlich, ist doch in Köln mittlerweile fast jedes andere Straßenfest komplett von den Gebühren befreit – egal, ob es sich um eine hoch kommerzielle Ansammlung von Ramschbuden oder um ein Nachbarschaftsfest handelt.Doch die Diskussionen belegten einmal mehr: Die Stadt hat kein klares Konzept, was den Umgang mit ihrem öffentlichen Raum angeht. Es braucht neue Regeln und Verabredungen darüber, was in einer Stadt, die unter ihrem Ballermann-Image leidet, wünschenswert und förderungswürdig ist.
Politik und Oberbürgermeisterin drücken sich weiterhin vor der Diskussion, obwohl das Thema in einer wachsenden Stadt mit einem sich stark veränderndem Freizeitverhalten als eine zentrale Zukunftsaufgabe gilt. Kein Ruhmesblatt für die Stadt ist auch die festgefahrene Debatte um ein NSU-Mahnmal in Mülheim. Auch zum 15. Jahrestag des Nagelbombenanschlags ist das Mahnmal in weiter Ferne.
Kulturbauten: Teurer und später fertig
Die Sanierung der Oper, des Schauspiels und der Zentralbücherei am Neumarkt, das neue Stadtarchiv sowie die Archäologische Zone mit dem Jüdischen Museum: Keines dieser Kultur-Vorhaben läuft nach Plan. Das gilt für die vom Stadtrat genehmigten Kosten gleichermaßen wie für die vorgesehenen Eröffnungstermine. So müssen die Politiker das Budget für die 2015 unterbrochenen Arbeiten in den Bühnengebäuden noch einmal um eine Million Euro auf 571 Millionen Euro erhöhen.
Gestartet war man bei gut 250 Millionen Euro. Die Archäologische Zone vor dem Rathaus wird nach jüngsten Berechnungen voraussichtlich ebenfalls teurer. Und auch für die Sanierung der Bibliothek und den Bau des neuen Stadtarchivs an der Ecke Luxemburger Straße/Eifelwall müssen die Politiker mehr Geld bewilligen, als ihnen zum Zeitpunkt der Baubeschlüsse vorgerechnet wurde.
Opern und Museen sind nun einmal keine Allerweltsbauten. Es sind Spezialgebäude, oftmals mit technisch anspruchsvollen Gewerken, und kostspieligen Einzellösungen. Die Baubranche ist seit längerem ausgelastet. Unternehmen können es sich deshalb erlauben, ihre Preise stetig anzuheben. Das gilt besonders, wenn Auftraggebern niemals das Geld ausgehen wird, wie das bei Städten der Fall ist. Es gilt aber auch: Wer nicht mit seinem eigenen Geld wirtschaftet, sondern mit dem der Steuerzahler, schaut weniger auf den einzelnen Euro als ein privater Bauherr.
Gewinner: Jaques Offenbach
Erstmals in der 13-jährigen Geschichte des Köln-Barometers wird ein Toter zum Gewinner des Quartals erklärt: Es führt kein Weg mehr an Jacques Offenbach vorbei, jenem 1819 im Kölner Griechenmarktviertel geborenen deutsch-französischen Komponisten. Auch wer sich bislang nicht für das Schaffen des Begründers der modernen Operette interessiert hat, wird nun im Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag – nach der fleißigen und höchst kreativen Arbeit der Verantwortlichen des Kölner „Offenbach-Jahres“ – mit ihm irgendwo in der Stadt Bekanntschaft gemacht haben. Auf Plakaten, bei Konzerten, Musikpicknicks, Aktionen in Schulen oder Diskussionen – Köbes Offenbach ist omnipräsent. Beim Feuerwerk „Kölner Lichter“ wird sein Porträt sogar in die Luft gefeuert, passend zum Motto des Musik-Festivals im vergangenen Juni: „Piff, Paff, Puff“. Die Kölner Offenbach-Gesellschaft und ihre Partner leisten Großartiges, weil sie federleicht Hoch- und Unterhaltungskultur verbinden, von deutsch-französischer, europäischer sowie christlich-jüdischer Geschichte erzählen und mit viel Spaß, Ironie und ein wenig Provokation das Kölner Leben bereichern.
Verlierer: Katarina Barley
Von der Papierform her erschien Katarina Barley als ideale Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl. Die Juristin, die in Weiß die Grundschule besuchte und in Rodenkirchen ihr Abitur machte, hat einen englischen Vater und eine deutsche Mutter. Ihre Kinder haben Großeltern mit vier unterschiedlichen europäischen Staatsangehörigkeiten. Europa sei ihr ein Herzenswunsch, sagte sie im Wahlkampf. Überzeugt hat das wenige, weder im Bund, noch in Köln.
Im Gegenteil, in der Heimatstadt Barleys erlebte die SPD ein Debakel. 2014 noch stärkste Partei, sackte sie in ihrer vormaligen Hochburg auf 17 Prozent ab. Nur noch Nummer drei, hinter der CDU und, mit weitem Abstand, der Grünen. Die Stimmenverluste der Sozialdemokraten waren in Köln wie im gesamten Land Nordrhein-Westfalen sogar noch höher als in der Bundesrepublik. Die Erklärung der städtischen Statistiker wird der Partei nur ein geringer Trost sein: Die die Europawahl 2014 würde in NRW und in einigen anderen Bundesländern zeitgleich mit der Kommunalwahl abgehalten. Davon, so heißt es, „dürfte die traditionell kommunalstärkere SPD 2014 profitiert haben“.