Bei „Arsch huh“ machte die Kölner Band Planschemalöör Drohungen gegen ihren Sänger Juri Rother öffentlich. Im Interview sprechen sie über Angst vor Auftritten danach und über Solidarität im Karneval.
Nach Drohbriefen und Arsch huhPlanschemalöör im Interview: „Wir haben uns in eine Ecke geschoben gefühlt“
Im Oktober hat Sie als Band ein „Shitstorm“ überrollt. Sie haben einen Auftritt bei einer Veranstaltung abgesagt, bei der auch die Ihrefelder Zigeuner zu Gast sein sollten. Was war da los?
Juri Rother: Ich habe auf einem Flyer irgendwann das Z-Wort gelesen und gedacht – das fühlt sich nicht gut an. Und das in den Band-Chat geschrieben. Bei mir ist das ein emotionales Ding gewesen, ich bin mit dem Wort schon beleidigt worden. Wir haben uns dann in der Roma- und Sinti-Community umgehört und danach beschlossen, wir können da eigentlich nicht mit gutem Gewissen auftreten.
- Juri Rother (31) ist Sänger, Pierre Pihl (32) Gitarrist der Kölner Band „Planschemalöör“. Zur Band gehören außerdem Schlagzeuger Mathis Rasmußen und Bassist Alex Mayer.
- Seit 2018 ist die Band im Kölner Karneval unterwegs, nachdem sie zuvor mit hochdeutschen Texten unterwegs war. Zu ihren bekanntesten Songs zählen „Heimat“, „Keinen Millimeter“ und „Annabella“.
- Der aktuelle Sessionshit heißt „Eat Sleep Alaaf Repeat“. Planschemalöör bewerben sich aktuell mit „30 000 Meilen“ außerdem im deutschen Vorentscheid um eine Teilnahme am Eurovision Songcontest in Liverpool.
Was ist dann passiert?
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Rother: Der Veranstalter hat das verstanden, auf einem anderen Event haben wir mit den Ihrefelder Zigeunern gesprochen. Für alle Seiten war es okay, wenn wir da nicht spielen. Eigentlich ein gutes Beispiel dafür, wie Menschen aus unterschiedlichen Lebensrealitäten zusammenkommen und eine Sache klären. Für uns war die Sache damit abgehakt.
„Wir haben uns gefragt, wie eine Band so weiterbestehen kann“
Für andere aber nicht.
Rother: Das stimmt. Es ging uns nie darum, dass die Ihrefelder Zigeuner ausgeladen werden, wie es uns teilweise unterstellt worden ist. Das Thema wurde dann aber größer gemacht, als es war. Viele Sachen wurden vermischt. Nach dem Motto: Die wollen da nicht spielen, dann sind sie sicherlich auch dagegen, dass Menschen sich als Indianer verkleiden. Obwohl wir dazu noch nie was zu gesagt haben.
Pierre Pihl: Oder zum Gendern.
Rother: Oder zu Fridays for Future. All diese Themen wurden auf uns projiziert. Und damit ging es uns ehrlich gesagt ziemlich schlecht. Wir haben uns in eine Ecke geschoben gefühlt. Und wir hatten auch Angst um unsere Existenz, weil wir von vielen Veranstaltern gespiegelt bekommen haben, dass die das nicht gut finden, was wir da gemacht haben.
Haben Sie ans Aufhören gedacht?
Rother: Wir haben uns schon gefragt, wie kann eine Band unter so einer Situation weiterbestehen. Wenn Veranstalter dich anrufen und fragen, ob wir wirklich bei ihnen spielen, wenn auch Band XY kommt. Obwohl wir mit keiner Band ein Problem haben. Wir haben es auch auf Veranstaltungen gemerkt. Die Leute standen fast immer voll hinter uns, aber auf einem Event wurde auch gebuht.
Wie war dann die Dynamik unter Ihnen?
Pihl: Wir haben Krisensitzungen gemacht. Besonders bitter ist, dass die ganze Sache an dem Tag aufkam, als wir unser schönstes Konzert des Jahres hatten, unseren eigenen Auftritt im Gloria. Wir konnten uns kaum drauf konzentrieren, obwohl uns nicht mal bewusst war, was für Ausmaße das Ganze annehmen wird. Es ist völlig in Ordnung, unterschiedlicher Meinung zu sein. Auch wir vier untereinander sind uns nicht immer einig. Aber wir müssen als Band doch in der Lage sein dürfen, zu entscheiden, wo wir spielen wollen und wo nicht.
Planschemalöör über Hass im Internet
Bei „Arsch huh“ haben Sie einen Drohbrief verlesen, der Juri und Sie als Band nach der ganzen Sache erreicht hat. Warum haben Sie das gemacht?
Rother: Mir war wichtig, dass die Leute verstehen, dass jeder einzelne Facebook-Kommentar, der eine Grenze überschreitet, Menschen darin bestärkt, solche Drohungen auszusprechen. Da besteht ein Zusammenhang. Unsere Realität ist, dass es nicht bei einer Debatte bleibt, sondern in Hass umschlägt. Auch wer mir persönlich nie eine Drohung an die Hauswand geschrieben hätte, muss doch begreifen, dass sein Verhalten online andere dazu anregt.
Hat es Sie überrascht, dass solche Dinge im Karneval stattfinden?
Rother: Karneval ist doch eigentlich Liebe. Man will doch eine gute Zeit haben. Wenn dann solche Anfeindungen kommen, tut das weh. Und zeigt einem, dass man den Job, den man macht, sicherlich romantisiert hat. Es gibt unglaublich schöne Seiten im Karneval. Die nicht so schönen haben wir jetzt kennengelernt.
Der Karneval ist immer noch eine sehr konservative Angelegenheit.
Rother: Das Argument von „wir haben das immer schon so gemacht“, das zählt für mich nicht. Man kann doch nicht Fehler dadurch rechtfertigen, dass man sie wiederholt. Wir bringen als Band das in den Karneval, was wir sind. Das war immer unser Ziel.
Pihl: Sobald du dich für irgendetwas positionierst, wirst du darauf auch negative Rückmeldungen bekommen. Das kennen Cat Ballou, als sie sich zum Hambacher Forst geäußert haben, Brings sowieso. Du kannst es nie allen recht machen. Im Karneval treffen die unterschiedlichsten Leute aufeinander. Wir werden aber auch in Zukunft nicht alles schlucken, was gegen unsere Werte geht.
Juri Rother und Pierre Pihl über Solidarität unter Kölner Bands
Haben Sie denn überhaupt noch Lust auf Karneval?
Rother: Ich habe wieder Lust. Aber als die Drohungen kamen, das war kurz vor dem 11.11., war das hart. Wir waren an einem Punkt, an dem wir überlegt haben, ob wir auf die Bühne gehen können. Denn was ist, wenn wirklich etwas passiert?
Pihl: Wir haben nach Arsch huh aber auch viel Solidarität erfahren, von Vereinen, von Veranstaltern. Das tut gut.
Und von anderen Bands?
Pihl: Vor Arsch huh haben wir vor allem mit Kasalla und Brings gesprochen. Das Ganze dort anzusprechen, war auch deren Initiative.
Rother: Die haben sich richtig, richtig gerade gemacht. Das war beeindruckend. Peter hat mich schon vor dem Drohbrief angerufen und mir eine Stunde ins Ohr geschrien, wie wütend ihn das alles macht. (lacht) Das hätte er nicht machen müssen, er hat ja nichts davon. Und auch mit Basti und Flo von Kasalla haben wir viel gesprochen, auch um uns mal anzuhören – wie geht man mit sowas um?
Pihl: In Köln gibt es da schon ein Zusammengehörigkeitsgefühl, auch unter den Bands.
Sie haben Ihr Jahresabschlusskonzert in der Kulturkirche gespielt. Wie war das?
Pihl: Wunderschön. Unser Publikum kommt ja auch wegen unserer Haltung. Wir haben da so viel Unterstützung bekommen.
Rother: Die haben richtig mitgelitten, das war sehr berührend zu sehen. Es war ein friedliches Beenden des Jahres.