Köln hat sich selbst lahm gelegt. Zwei Jahre vor der nächsten OB-Wahl braucht die Stadt dringend eine gemeinsame Anstrengung für mehr Exzellenz.
Kommentar zum Zustand der StadtKöln braucht jetzt einen Zukunftspakt
Um Köln lahmzulegen, braucht es keine „Klimakleber“. Die Stadtspitze schafft das ganz allein – wortwörtlich wie beim neuen Tempolimit auf der Zoobrücke, aber auch im übertragenen Sinn. Aktuelle Beispiele sind das unwürdige Gezerre um den Chefposten des Stadtmuseums, das Stocken wichtiger Bauprojekte oder das Zerwürfnis zwischen CDU und Grünen beim Thema Mobilitätswende samt miserabel vorbereiteter und kommunizierter Verkehrsversuche.
Das Parteienbündnis im Stadtrat driftet auseinander und setzt nicht um, wofür es gewählt wurde: erfolgreiche Politik für ein modernes, prosperierendes Köln. Dafür fehlt es den Partnern an einer gemeinsamen Vorstellung. Aus dem vorgeblichen schwarz-grünen Projekt, das OB Henriette Reker in eine zweite Amtszeit getragen hat, ist ein brüchiges Gebilde geworden, in dem die Partei Volt lediglich ein Anhängsel ist.
Die Reformbereitschaft der Kölner wurde durch unausgegorene Vorstöße überstrapaziert
Ähnlich wie die Ampel in Berlin haben das Kölner Ratsbündnis und die Stadtspitze es nicht geschafft, die Bürgerinnen und Bürger in eine Reform- und Aufbruchstimmung zu versetzen und mitzunehmen. Im Gegenteil: Große Erwartungen endeten in kleinlichen Selbstblockaden. Die Reformbereitschaft der Bevölkerung wurde durch unausgegorene Vorstöße wie die Verkehrsversuche am Dom, auf der Deutzer Freiheit und auf der Venloer Straße überstrapaziert.
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Im gegenwärtigen politischen Kölner Machtgefüge setzt sich fort, woran Führung in Köln seit langem krankt: Der Rat spielt Verwaltung, die Verwaltung spielt Politik. Das wird vollends verheerend, wenn Ideologie regiert statt Pragmatismus. Die autofreie Innenstadt etwa ist ein richtiges und hehres Ziel. Aber auf dem Weg dahin braucht es sinnvolle gemeinsame Schritte. Die Zufahrt zu Parkhäusern deutlich zu erschweren, ist absurd.
Die Kölner OB kontert Kritik an ihrer Führung gern mit ihren Erfolgen
Die Oberbürgermeisterin kontert Kritik an ihrer Führung gern mit ihren Erfolgen: eine im Vergleich breit aufgestellte Wirtschaft, Investitionen von 2,5 Milliarden Euro in den Schulbau, so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wie noch nie. Beim Dauerbrenner Verwaltungsreform verweist Reker darauf, dass die Veränderungen von innen nach außen wirken. Auf dem Weg zur Klimaneutralität Kölns bis 2035 seien wichtige Maßnahmen ergriffen worden.
Doch für die „Champions League“ unter den Städten, in die Reker Köln führen wollte, langt das längst nicht. Die Oberbürgermeisterin klagt über Einengungen durch die NRW-Gemeindeordnung. Aber: Wo ist die Initiative, daran etwas zu ändern? Dazu gehörte zum Beispiel ein ernstzunehmender Vorstoß, die Strukturen im Rat ab einer bestimmten Größe der Kommunen zu professionalisieren – eine bessere Bezahlung der Ratsmitglieder eingeschlossen.
Das Modell eines Stadtrats mit „Feierabend-Mandaten“ stößt an seine Grenzen
Eine Stadt wie Köln braucht angesichts der großen Herausforderungen bei Klima- und Mobilitätswende, aber auch der dringend notwendigen Stärkung der lokalen Wirtschaft mehr Expertise und Exzellenz. Das Modell eines Stadtrats mit „Feierabend-Mandaten“ stößt angesichts der Vielfalt und Komplexität politischer Entscheidungen in einer Millionenstadt immer wieder an seine Grenzen. Als Fehler erwiesen hat sich zudem die Abschaffung der kommunalen Doppelspitze mit Oberbürgermeister und Oberstadtdirektor, in deren Folge es zu einer strukturellen Überlastung des OB-Jobs gekommen ist. Die Arbeit im Verwaltungsvorstand muss daher kollegialer, sachorientierter und dezentraler ausgerichtet werden.
Schon gerät die nächste OB- und Kommunalwahl 2025 in den Blick. Höchstwahrscheinlich tritt Reker nicht noch einmal an. Was muss die Person mitbringen, die ihr nachfolgt? Vision und Rückgrat, strategisches Gespür und Handlungsstärke, Managementqualitäten und Sinn fürs Repräsentieren, wozu ganz gewiss mehr gehört als eine zündende Rede zur Prinzenproklamation. Dazu kommen Überzeugungskraft und die Fähigkeit, politische Prozesse zu moderieren und erfolgreich zum Ziel zu führen. Bei allen Leistungen und Potenzialen der Amtsinhaberin und ihrer Vorgänger lässt diese Stellenbeschreibung durchaus Luft nach oben.
Überzeugende Namen für Rekers Nachfolge sind noch nicht in Sicht
Zur politischen Arithmetik gehört, dass eine Bewerbung für den Oberbürgermeister-Posten nur mit Rückendeckung von mindestens zwei Parteien aussichtsreich ist. Wollen CDU und SPD eine oder einen OB der Grünen verhindern, müssen ihre eigenen Kandidaten oder Kandidatinnen wechselweise akzeptabel sein. Vielleicht braucht die Auswahl auch deshalb so lange. Überzeugende Namen mit belastbaren Aussichten sind jedenfalls noch nicht im Gespräch.
Bis zur Wahl wäre den Menschen am besten gedient mit einem Köln-Pakt, der die drängendsten Probleme der Stadt jenseits parteipolitischen Hickhacks angeht und die Expertise aus Wirtschaft und Gesellschaft aufnimmt. Bei den großen Themen – Klimaneutralität bis 2035, Mobilitätswende, Erneuerung des Gebäudebestands und Kampf gegen den Wohnungsmangel – wird Köln nur mit einem übergreifenden Ansatz vorankommen. Dafür braucht es klare Priorisierungen, realistische Konzepte und den Blick auf die Machbarkeit, ohne das Lebensgefühl der Stadt zu zerstören.
In einem gut gemachten Zukunftspakt für Köln läge eine große Chance. Nach all den Krisenjahren, in denen Politikerinnen und Politiker vor allem Katastrophenjongleure sein mussten, könnten sie sich zusammen mit der Stadtgesellschaft endlich wieder am Gestalten der Zukunft versuchen. Damit ließen sich ökonomisch und sozial Kräfte freisetzen. Vertrauen auf die politische Arbeit in der Stadt könnte zurückgewonnen werden. Frust und Spaltung ließen sich zumindest verringern.
Ein solcher Köln-Pakt muss sorgfältig vorbereitet, überzeugend kommuniziert und moderiert werden. Eine Aufgabe, die der Stadtspitze zufällt. Zu ersten Erfolgen und Misserfolgen könnten dann die Bürgerinnen und Bürger 2025 ihr Votum abgeben.