Köln – Nach Vertuschungsvorwürfen hat sich Kardinal Rainer Woelki am Donnerstag an den Papst gewandt. Er habe Franziskus gebeten, „zu prüfen, ob ich eine Pflichtverletzung nach kanonischem Recht begangen habe“, sagte Woelki laut Teilnehmern an einer Videokonferenz für Pfarrgemeinde- und Dekanatsräte des Erzbistums. Anlass ist ein vom Erzbistum bestätigter Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass Woelki im Jahr 2015 einen Fall schweren sexuellen Missbrauchs durch einen 2017 verstorbenen Düsseldorfer Priester nicht nach Rom gemeldet hatte.
Wegen dieser Unterlassung droht dem Kardinal ein kirchliches Verfahren. Der zuständige Bischof von Münster, Felix Genn, lässt prüfen, ob er kirchenrechtliche Untersuchungen gegen Woelki aufnehmen lassen wird. Dies sagte Genns Sprecher auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Genn werde „alle Schritte unternehmen, die kirchenrechtlich geboten sind“, betonte der Sprecher.
Das Erzbistum erklärte Woelkis Verzicht auf eine kanonische Voruntersuchung des Missbrauchsvorwurfs mit dem schlechten Gesundheitszustand des Geistlichen und der Weigerung des Opfers, an der Aufklärung mitzuwirken. Dies habe eine „Konfrontation zur Aufklärung des Falls unmöglich gemacht“. Kirchenrechtler halten diese Begründung nicht für stichhaltig. Eine Untersuchung und die Weitergabe des Ergebnisses – und sei dieses auch noch so fragmentarisch – seien in einem solchen Fall zwingend.
Woelki: „Moralische Verantwortung übernehmen“
In einer schriftlichen Erklärung betonte Woelki, er werde „als Erzbischof auch für entstandenes Leid durch Verantwortungsträger im Erzbistum moralische Verantwortung übernehmen“. Dies jedoch „auf unvollständiger Grundlage zu tun, würde der Sache nicht gerecht“, so der Kardinal. Rücktrittsforderungen zum jetzigen Zeitpunkt wies er damit zurück. Grundlage für die straf- und kirchenrechtliche Bewertung seines Handelns sei das für März 2021 angekündigte Gutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke. Dessen Untersuchung „lässt niemanden aus, auch mich nicht“, so Woelki. Es werde ohne Ansehen von Person und Amt aufgeklärt. „Sollte ich im konkreten Fall Fehler gemacht haben, werden diese benannt, und ich werde danach handeln.
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Als erste Organisation forderte die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) am Donnerstag Woelkis Rücktritt. Der Erzbischof habe betont, er werde diesen Schritt tun, falls die von ihm in Auftrag gegebene Studie eine Beteiligung an Vertuschung nachweisen werde. „Worten müssen im gegebenen Fall auch Taten folgen“, sagte die Bundesvorsitzende des mitgliederstärksten katholischen Verbands in Deutschland, Mechthild Heil. „Wer vertuscht, macht sich mitschuldig.“
Der Münsteraner Kirchenrechtsprofessor Thomas Schüller sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, es nütze Woelki nichts, unter Verweis auf das Gutachten „auf Zeit zu spielen“. Die Befragung durch Genn sei kirchenrechtlich zwingend erforderlich, ein Rücktritt „nach Aktenlage unausweichlich“. Damit „würde Kardinal Woelki sich und dem Erzbistum Köln in einer schwerwiegenden Krise einen großen Gefallen tun und sich selbst sehr peinliche Befragungen ersparen“.
Genn ist als dienstältester Bischof der Kirchenprovinz Köln verpflichtet, eine Untersuchung einzuleiten, wenn dem Metropoliten (Vorsteher der Kirchenprovinz) – im konkreten Fall also Woelki – die Vertuschung von Missbrauchsfällen vorgeworfen wird. In Kirchenkreisen wird erwartet, dass Genns Vorprüfung in den nächsten Tagen abgeschlossen sein wird.