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Missbrauch nicht gemeldetDie Hintergründe zu den Vorwürfen gegen Kardinal Woelki

Lesezeit 11 Minuten
Kardinal_Woelki

Der Kölner Kardinal Rainer Woelki

  1. Kirchenrechtler üben scharfe Kritik am Umgang des Kölner Erzbischofs mit einem Missbrauchsfall. Der Kölner Erzbischof soll den sexuellen Missbrauch nicht dem Vatikan gemeldet haben.
  2. Woelki verweist auf eine damalige schwere Erkrankung des mittlerweile gestorbenen Täters Johannes O.
  3. Der Kardinal hatte in der Vergangenheit betont, er werde als Erzbischof zurücktreten, sollte man ihm eine Beteiligung an der Vertuschung von Missbrauch nachweisen.
  4. Lesen Sie hier alle Hintergründe zu den schweren Vorwürfen.

Köln – Rainer Woelki ist ein „Müllemer Jung“. Der Erzbischof von Köln kam 1956 im Stadtteil Mülheim zur Welt und wurde hier groß. Doch spätestens seit seinem Aufstieg zum Kardinal der katholischen Kirche im Jahr 2012 glaubt man in Düsseldorf zu wissen, dass dort Woelkis eigentliche Wurzeln lägen. Tatsächlich absolvierte Woelki auf seinem Weg zum Priestertum etliche Etappen in der Landeshauptstadt. Bereits 1983 kam er als Praktikant für mehrere Monate in die Gemeinde St. Katharina in Düsseldorf-Gerresheim. Hier war Woelki dann auch nach seiner Diakonenweihe 1984 eingesetzt. Pfarrer war zu dieser Zeit der 1929 geborene Johannes O.

Ihm blieb Woelki auch nach seiner Priesterweihe 1985 über Jahrzehnte hinweg eng verbunden. 1998 hielt er in der Jubiläumsmesse zu O.s 40. Weihetag die Festpredigt. Um das Jahr 2009, inzwischen war Woelki Weihbischof und für den Pastoralbezirk Nord mit den Großstädten Düsseldorf und Wuppertal zuständig, half er O. bei der Suche nach einem Platz in einem Altenheim. Im Februar 2012 war O. unter den Gästen, die Woelki zur Kardinalserhebung nach Rom begleiteten. Ein Foto von diesem bedeutenden Tag in Woelkis Leben zeigt O. auf einem Empfang in der deutschen Vatikanbotschaft direkt neben dem frisch kreierten Kardinal.Gern berichtet Woelki von seiner Zeit als angehender Priester in Sankt Katharina.

Von O. habe er die notwendige pastorale Gelassenheit gelernt. Mit einem Fingerzeig gen Himmel und dem rheinischen Spruch „Dat es jo och däm sing Kirch’“ habe O. ihn dann und wann an die Grenzen menschlichen Vermögens erinnert. Als Urtyp eines „rheinischen Pastors“ habe O. sein eigenes Priesterbild mitgeformt und geprägt – an diese Erzählungen erinnert man sich in der Umgebung des Kardinals.

Schweres Verbrechen

Pfarrer O. verbarg jedoch bis zu seinem Tod im Jahr 2017 ein schweres Verbrechen. Nur einem kleinen Kreis von Kirchenoffiziellen in Köln wurde es 2010 bekannt: Als in diesem Jahr der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hohe Wellen schlug, meldete sich ein Mann in den Dreißigern bei der damaligen Ansprechpartnerin des Erzbistums Köln für Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester. Zunächst anonym zeigte der Mann einen Geistlichen an, dessen Opfer er Ende der 1970er Jahre geworden war. Später fasste der Mann Vertrauen und offenbarte sowohl die Identität des Täters als auch Einzelheiten zum Tathergang: Pfarrer O. hatte dem Kindergartenkind sexuelle Gewalt zugefügt. Im staatlichen Strafrecht fällt die Tat, um die es geht, unter „schweren sexuellen Missbrauch von Kindern“, der laut Paragraf 176a des Strafgesetzbuchs mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren und einer Höchststrafe von zehn Jahren geahndet wird.

Chronik eines Skandals

25. September 2018

Die Deutsche Bischofskonferenz stellt eine bundesweite Studie zu Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Geistliche vor. In den untersuchten Kirchenakten von 1946 bis ins Jahr 2014 fanden die Autoren der Studie Hinweise auf bundesweit 3677 Betroffene sexueller Übergriffe und 1670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute. Im Erzbistum Köln verzeichnen sie mindestens 135 Betroffene und 87 beschuldigte Priester.

13. Dezember 2018

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki beauftragt die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) mit einem Gutachten, das klären soll, ob die Diözesanverantwortlichen in Köln bei Missbrauchsfällen im Einklang mit kirchlichem und staatlichem Recht handelten und ob deren Vorgehensweise dem kirchlichen Selbstverständnis entsprach. Rechtsverstöße und hierfür Verantwortliche seien möglichst konkret zu benennen, so der Auftrag.

10. März 2020

Das Erzbistum sagt die für den 12. März 2020 geplante Vorstellung des Gutachtens überraschend ab. Begründung: Die vorgesehene Nennung von Verantwortlichen müsse noch „äußerungsrechtlich“ abgesichert werden. Befürchtet werden Rechtsstreitigkeiten mit ehemaligen oder aktiven Entscheidungsträgern.

23. September 2020

Vorwürfe gegen den heutigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße werden bekannt, nach denen er in seiner Zeit als Personalchef im Erzbistum Köln Fälle von sexuellem Missbrauch vertuscht haben soll. Die „Zeit“-Beilage „Christ&Welt“ veröffentlicht Teile des WSW-Gutachtens, in denen Stefan Heße eine „indifferente“ und „von fehlendem Problembewusstsein“ geprägte Haltung gegenüber dem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker vorgeworfen wird. Heße weist die Anschuldigungen zurück.

30. Oktober 2020

Das Erzbistum Köln teilt mit, dass das WSW-Gutachten nicht veröffentlicht werden soll. Dabei beruft es sich auf andere Gutachter wie den Kölner Strafrechtler Björn Gercke, wonach die Untersuchung „methodische Mängel“ enthalte. Gercke habe den Auftrag für ein neues Gutachten bekommen, das spätestens am 18. März 2021 veröffentlicht werden soll.

18. November 2020

Die inzwischen zurückgetretenen Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum Köln, Patrick Bauer und Karl Haucke, werfen Woelki in einem Zeitungsbeitrag „erneuten Missbrauch von Missbrauchsopfern“ vor. Die Zustimmung des Gremiums zur abgesagten Veröffentlichung des WSW-Gutachtens sei unter Druck gefallen und der Rat damit „völlig überrannt“ worden. (kna)

Die Ansprechpartnerin leitete ihre Aufzeichnungen zu dem Fall an den zuständigen Personalchef Stefan Heße (seit 2015 Erzbischof von Hamburg) weiter. Nach Prüfung des Falls sprach das Erzbistum dem Betroffenen auf dessen Antrag vom 26. März 2011 eine finanzielle Leistung „in Anerkennung des Leids“ von 15.000 Euro zu. Die Summe lag damit dreimal so hoch wie der damals übliche Betrag von 5000 Euro. Das spricht dafür, dass sich die Verantwortlichen des Erzbistums der besonderen Schwere des Falles bewusst waren. Das Erzbistum teilte auf Anfrage mit, der materiellen Leistung sei „ohne weitere Prüfung des Sachverhalts stattgegeben“ worden. Die Zahlung sei vor dem 1. Juni 2011 erfolgt.

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bei Kardinal Woelki teilte die Pressestelle des Erzbistums mit, Heße habe den damaligen Weihbischof Woelki am 1. Juni 2011 „allgemein mit dem Vorwurf konfrontiert“ und sich nach Pfarrer O.s Gesundheitszustand erkundigt. Woelki war in seiner Funktion für den Pastoralbezirk Nord zuständig, zu dem auch Düsseldorf gehört. Er habe Heße erwidert, dass O. in einer Senioreneinrichtung untergebracht gewesen sei und sich „in einem allgemein schlechten Gesundheitszustand“ befunden habe.

Nach den zwingend vorgeschriebenen kirchlichen Verfahrensregeln muss Heße den damaligen Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, und dessen Generalvikar Dominik Schwaderlapp (heute Weihbischof in Köln) über den Fall O. in Kenntnis gesetzt haben. Das soll sich nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ auch aus den Akten ergeben, die das Erzbistum der Rechtsanwaltskanzlei des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke zur Verfügung gestellt hat. Gercke hat den Auftrag, bis März 2021 Woelki ein Ersatzgutachten zum Umgang der Kölner Bistumsleitungen mit Fällen sexuellen Missbrauchs seit 1975 anzufertigen. Eine vorangegangene Ausarbeitung der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl ließ Kardinal Woelki im Oktober 2020 wegen angeblicher Qualitätsmängel und rechtlicher Risiken unter Verschluss nehmen.

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Im Fall O. hätte der 2017 verstorbene Kardinal Meisner 2011 eine kirchenrechtliche Voruntersuchung einleiten und deren Ergebnis nach Rom melden müssen. Ausweislich der Unterlagen scheint beides unterblieben zu sein, ebenso die Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden über den – nach weltlichem Recht freilich verjährten – Fall.

„Bruch gegen universalkirchliches Recht”

„Ein solches Unterlassen stellt generell einen schwer wiegenden Bruch universalkirchlichen Rechts dar“, sagt der Tübinger Kirchenrechtsprofessor Bernhard Anuth. „Schon 2001 hatte Papst Johannes Paul II. den Diözesanbischöfen die Entscheidungskompetenz bei sexuellem Missbrauch entzogen und gesetzlich verfügt, dass sie jeden Verdacht an die Glaubenskongregation melden müssen, die dann über das weitere Vorgehen entscheidet.“ Seit 2010 könnten auch bereits verjährte Taten strafrechtlich noch verfolgt werden, so Anuth weiter. „Darüber hinaus hätte ein solches Vorgehen gegen die erst wenige Monate zuvor revidierten Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz für den Umgang mit sexuellem Missbrauch verstoßen.“

Schwaderlapp ließ auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ durch die Pressestelle des Erzbistums mitteilen: „Der Weihbischof möchte der unabhängigen Untersuchung nicht vorgreifen und wird sich deshalb im Vorfeld zu den damit in Zusammenhang stehenden Sachverhalten nicht äußern.“ In gleichem Sinne reagierte auch Heße: Er beantworte derzeit keine Fragen zu weiteren Einzelfällen, „um die neu aufgelegte Untersuchung im Erzbistum Köln nicht zu belasten“, so der Sprecher des Erzbischofs.Heße hatte in einem Interview mit der „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“ im September dieses Jahres angegeben, alle Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester des Erzbistums seien in der sogenannten Personalkonferenz gemeinsam diskutiert worden.

Diesem Gremium gehören neben dem jeweiligen Erzbischof und seinem Generalvikar auch die Weihbischöfe und weitere Bistumsfunktionäre an. Woelki und andere Würdenträger bestreiten Heßes Darstellung: Derart heikle Angelegenheiten wie Missbrauchsvorwürfe habe Meisner stets nur im allerkleinsten Kreis besprochen. Hierzu zählt ganz gewiss der Generalvikar, der als „Alter Ego“ des Bischofs über alle relevanten Vorgänge im Bistum im Bilde sein muss.

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Der 2017 gestorbene Kölner Kardinal Joachim Meisner

Zum Fall O. gab das Erzbistum an, Woelkis Erinnerung nach sei der Fall nicht Gegenstand der Beratungen in der Personalkonferenz gewesen.Über Meisners Umgang mit Fällen von Missbrauch im Klerus sagt ein Insider, der sehr nah an den Geschehnissen war: „Der Kardinal wollte das alles nur schwer wahrhaben. Er konnte es nicht ertragen, dass überhaupt Missbrauch in der Kirche stattfand. Dazu kam die Angst vor der Öffentlichkeit. Für einen Personalchef, der ihm die Fälle vortragen musste, war das nicht so leicht.“

2014 wurde Rainer Woelki Meisners Nachfolger als Erzbischof von Köln. Bald nach seinem Amtsantritt ordnete er die Verfahrenswege bei Missbrauchsfällen neu. Er ließ nach Bistumsangaben eine Übersicht über alle Kölner Priester erstellen, die unter Missbrauchsverdacht standen. Diese Liste, auf der Pfarrer O. verzeichnet war, sei dem Kardinal Anfang 2015 erstmals vorgelegt worden. Daraufhin habe dieser versucht, „den Tatvorwurf recherchieren zu lassen“. Dafür habe er sich die Personalakte vorlegen lassen. Auf Nachfrage, ob Woelki auch die Interventionsakte herangezogen habe, wollte sich das Erzbistum nicht äußern und verwies auf das Gutachten, das im März 2021 vorgelegt werden soll.

Eidesstattliche Versicherung

Die Aufbewahrung sämtlicher einschlägiger Unterlagen oblag der im Juli 2015 eingerichteten Interventionsstelle. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ liegt eine eidesstattliche Versicherung darüber vor, dass Woelki sich 2015 von dort O.s Personal- und Interventionsakte habe kommen lassen. Was in den Unterlagen zu lesen war, hätte nach den päpstlichen Normen und den 2013 nochmals verschärften Leitlinien der Bischofskonferenz wiederum zwingend zur Einleitung einer kirchenrechtlichen Voruntersuchung führen müssen. Deren Ergebnisse hätte Woelki dann nach Rom melden müssen.

„In solch schwer wiegenden Fällen von Missbrauch ist es seit 2010 durchaus üblich, dass die Glaubenskongregation von der Verjährung derogiert, diese also aufhebt, und einen kirchlichen Strafprozess in Gang setzt“, erklärt der Tübinger Kirchenrechtler Anuth. „Der zuständige Ortsbischof wäre aber auch befugt, von sich aus Sanktionen gegen den Täter zu verhängen.“

Wiederholt schlug Woelki genau diesen Weg ein, etwa im Fall des mehrfach einschlägig vorbestraften, heute pflegebedürftigen Kölner Priesters Nikolaus A. oder des Ruhestandsgeistlichen H.-J. F., über den in dieser Woche erstmals berichtet wurde. Beiden verbot der Kardinal die Ausübung des Priesteramts und leitete jeweils die vorgeschriebenen Ermittlungen mit Meldung der Ergebnisse nach Rom ein.

Ungesühntes Verbrechen

Im Fall O. hingegen geschah nichts dergleichen. Laut der Schilderung eines mit dem Vorgang Befassten verfügte Woelki 2015 knapp, dass mit Blick auf O.s vorgerücktes Alter und den Gesundheitszustand des damals Mitte 80-Jährigen auf eine Voruntersuchung verzichtet werde. Auch zu anderen Sanktionen kam es ganz offensichtlich nicht. Der Täter blieb somit bis zu seinem Tod im Oktober 2017 unbehelligt, sein Verbrechen ungesühnt.Das Erzbistum argumentiert mit Blick auf Meisners Amtszeit, in 2011 hätten O.s Gesundheitszustand und der Wunsch des Opfers dazu geführt, dass O. „mit dem Vorwurf nicht konfrontiert wurde“. In Woelkis Verantwortung vier Jahre später habe wiederum der „sehr verschlechterte Gesundheitszustand“ eine Konfrontation zur Aufklärung des Vorwurfs unmöglich gemacht und eine kanonische Voruntersuchung verhindert, „da der potenziell Betroffene ausdrücklich nicht an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken wollte, sich nicht einmal eine Konfrontation von Pfarrer O. wünschte und auch andere Möglichkeiten zur Aufklärung, beispielsweise Zeugen, nicht vorhanden“ gewesen seien.

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Thomas Schüller

Wie Bernhard Anuth erläutert, ist der Ortsbischof aber prinzipiell nicht befugt, Milde walten zu lassen, um einem älteren, gebrechlichen Geistlichen – wie im Fall O. - ein kirchliches Verfahren zu ersparen. „Zur Durchführung einer kanonischen Voruntersuchung war Woelki kirchenrechtlich ebenso verpflichtet wie zur Weiterleitung des Ergebnisses nach Rom, und sei dieses auch ergebnislos oder die Faktenlage noch so fragmentarisch“, erklärt Anuth. Die Entscheidung, ob ein kirchliches Strafverfahren eingeleitet wird oder nicht, stehe allein der Glaubenskongregation in Rom zu. Das Kirchenrecht lege überdies nirgends fest, dass der Beschuldigte zwingend gehört werden müsse und eine Voruntersuchung ansonsten unmöglich sei. „Im konkreten Fall wäre der Meldung an die Glaubenskongregation durch Kardinal Woelki schlicht die Information beizufügen gewesen, dass man den Beschuldigten nicht mehr anhören konnte.“

Zumindest als Teil-Ersatz, so Anuth weiter, hätten Personen aus seinem damaligen Umfeld befragt werden können. „Die Unmöglichkeits-Behauptung trifft kirchenrechtlich jedenfalls nicht zu.“ Mit dem beschriebenen Verhalten habe Kardinal Woelki „offenbar dem Täterschutz den Vorrang gegeben und sich selbst als Erzbischof einen öffentlichen Skandal erspart. Demgegenüber waren die Gerechtigkeit für den Betroffenen wie auch die Einhaltung kirchlichen Rechts augenscheinlich nachrangig.“

Vertuschung von Missbrauch?

Anuths Münsteraner Kollege Thomas Schüller wird noch deutlicher. „Nach der Beauftragung eines Missbrauchsgutachtens im Jahr 2018 hat Kardinal Woelki gesagt: Sollte sich herausstellen, dass man ihm eine Beteiligung an der Vertuschung von Missbrauch nachweisen könne, dann werde das Kölner Domkapitel eben einen neuen Erzbischof wählen müssen. Der Kardinal muss sich fragen lassen, ob dieser Punkt nicht gekommen ist. So wie das Erzbistum selbst die Abläufe und Entscheidungen Woelkis darstellt, war das eine unentschuldbare Verfehlung im Amt“, so Schüller.

Von Rechts wegen liegt die Verantwortung für die nächsten Schritte nun beim Münsteraner Bischof Felix Genn. Ein Erlass von Papst Franziskus aus dem Jahr 2019 sieht vor, dass er als dienstältester Bischof der Kölner Kirchenprovinz gegen Woelki als Erzbischof und Metropolit (Vorsteher der Kirchenprovinz) ermitteln muss, wenn diesem Verhaltensweisen vorgeworfen werden, die – so der Erlass – „darauf gerichtet sind, die zivilen Untersuchungen oder kirchenrechtlichen Untersuchungen verwaltungsmäßiger oder strafrechtlicher Natur gegenüber einem Kleriker zu beeinflussen oder zu umgehen“, sprich: Missbrauch zu vertuschen. Bischöfen, die sich solch einer besonders schweren Verletzung ihrer Amtspflichten schuldig machen, droht seit 2016 die Absetzung durch den Papst.