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Seniorin vergiftetPflegerin gesteht Tötungsversuch an dementer Mutter – „In ihrem Sinne gehandelt“

Lesezeit 4 Minuten
Die beschuldigte Krankenpflegerin und Schöffin mit ihrem Verteidiger Christoph Grabitz im Landgericht Köln

Die beschuldigte Krankenpflegerin und Schöffin mit ihrem Verteidiger Christoph Grabitz im Landgericht Köln

Die Angeklagte ist zudem frühere Schöffin und kennt den Richter daher gut.

In einer umfangreichen Einlassung hat eine Krankenpflegerin und frühere Schöffin vorm Landgericht am Montag einen Tötungsversuch an ihrer Mutter gestanden. Den Vorwurf des versuchten Mordes räumte die Angeklagte beim Prozessauftakt jedoch ausdrücklich nicht ein. Sie habe im Sinne und an jenem Tag im vergangenen Januar auch mit der Zustimmung der schwer demenzkranken Mutter gehandelt, die völlig menschenunwürdig in einem Pflegeheim im Stadtteil Ehrenfeld gelebt habe.

Mutter habe „Vorstellung eines würdigen Endes“ gehabt

„Meine Mutter wollte keine Körperhülle sein, die von anderen versorgt wird“, erklärte die Krankenpflegerin über ihren Verteidiger Christoph Grabitz. Alzheimer sei ein großes Thema in der Familie gewesen, nahe Angehörige seien „dahingesiecht“ und das habe die Seniorin unbedingt vermeiden wollen, sagte die Tochter. „Ich wusste von ihrer Vorstellung eines würdigen Endes“, doch dann hätte die Mutter den Zeitpunkt verpasst, ihr Zustand sei immer schlechter geworden.

Ein solcher Insulin-Pen gilt als Tatwaffe im Fall um versuchten Mord.

Ein solcher Insulin-Pen gilt als Tatwaffe im Fall um versuchten Mord.

„Sie kleidete sich immer so, dass es nach Coco Chanel aussah und am Ende ist sie zum Schlunz geworden“, erklärte die Tochter. Bei klarem Verstand hätte ihre Mutter sich ob dieses Zustands in Grund und Boden geschämt. „Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“, habe Karl Lagerfeld einmal gesagt und das habe ihre Mutter genauso gesehen. Zuletzt habe die einst so stolze Frau Windeln getragen und sei völlig hilflos gewesen, so beschrieb es die Tochter.

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Kölner Staatsanwalt spricht von zwei Mordversuchen

Zwei Mordversuche legt die Kölner Staatsanwaltsschaft der 62-jährigen Beschuldigten zur Last. Zunächst soll sie ihrer 88-jährigen Mutter im September vergangenen Jahres eine hohe Dosis an Insulin verabreicht haben, was zu einer lebensgefährlichen Unterzuckerung geführt hatte. Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus St. Franziskus erholte sich die Frau wieder. Mitte Januar soll die Tochter der Seniorin abermals Insulin verabreicht haben, mit einem „Pen“, der eine Spritze beinhaltet.

Diesmal kam die Geschädigte in die Kölner Uniklinik. Hier schlugen die Ärzte schnell Alarm. Womöglich, da ihnen der spektakuläre Insulin-Mordversuch an einem Arzt aus dem Kölner Westen durch die eigene Schwiegertochter noch allzu präsent gewesen sein dürfte. Auch hier wurde das Opfer in der Uniklinik behandelt. Im aktuellen Fall um die Seniorin führte das zur Verhaftung der Tochter, die nun seit fast zehn Monaten in Untersuchungshaft in der JVA Ossendorf sitzt.

Kölner Angeklagte: „Hätte an ihrem Bett wachen sollen“

Den ersten Tötungsversuch habe sie nicht aktiv begangen, erklärte die beschuldigte Krankenpflegerin über ihren Verteidiger Christoph Grabitz. Vielmehr habe sie ihrer Mutter eine Packung Medikamente dagelassen. Nachdem die Mutter überlebt habe, habe sie sich im Internet über eine Insulin-Injektion informiert. Der Vorsitzende Richter Peter Koerfers merkte an, dass der Suchverlauf allerdings gerade nicht in Richtung Sterbehilfe gehe, sondern wohl vom „perfekten Mord“ die Rede gewesen sei.

Tatsächlich räumte die Angeklagte auch ein, dass sie Angst vor dem Gefängnis gehabt habe. Sie gab zu, ihrer Mutter im Januar das Insulin in den Oberarm gespritzt zu haben. Spontan, nachdem sie deren Zustand als unerträglich angesehen habe. Und sie bereue es, nach dem Tötungsversuch das Pflegeheim verlassen zu haben. „Ich hätte an ihrem Bett wachen sollen und wenn es kritisch geworden wäre, dann hätte ich auf ihre Patientenverfügung hinweisen müssen“, erklärte die Beschuldigte. So hätte sie womöglich den Tod ihrer Mutter sicherstellen können.

Kölner Richter reicht Geständnis nicht: „Da muss mehr kommen“

Den Vorwurf der Heimtücke wies die Angeklagte weit von sich. An jenem Tag sei ihre Mutter verhältnismäßig klar gewesen und habe der Insulin-Verabreichung zugestimmt. Die Mutter konnte abermals gerettet werden, erholte sich laut Anklage von der Unterzuckerung und den erlittenen Krampfanfällen. Nach ihrer Festnahme stritt die Tochter zunächst alles ab. Auch soll sie erklärt haben, dass ihre Mutter gar nicht sterben wollte, wie Richter Koerfers äußerst kritisch anmerkte.

Der Kölner Richter Peter Koerfers leitet die Hauptverhandlung gegen seine frühere Schöffin.

Der Kölner Richter Peter Koerfers leitet die Hauptverhandlung gegen seine frühere Schöffin.

Für eine mögliche Strafmilderung reichte dem Richter das Geständnis nicht. „Da muss mehr kommen“, sagte Koerfers, der etwa nach der Art des eingesetzten Insulins fragte. Worauf es bei einem Schwurgerichtsprozess ankommt, sollte die Angeklagte auch genau wissen. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ exklusiv berichtete, war sie zuletzt Schöffin und das ausgerechnet in der Kammer von Koerfers. Einen Interessenkonflikt sieht das Gericht hier aber nicht. Der Prozess wird fortgesetzt.