Elf kölsche Persönlichkeiten haben in Interviews ihre Gedanken zu den elf Artikeln des Kölschen Grundgesetzes geäußert und spannende Details verraten.
Neues MagazinWelche Artikel sich Lukas Podolski und Konrad Beikircher im Kölschen Grundgesetz wünschen
In diesem Jahr feierte die Bundesrepublik 75 Jahre Grundgesetz. Einschließlich aller Unterartikel umfasst die Verfassung 202 Artikel – Köln kommt mit elf Lebensweisheiten aus, die den Alltag prägen und praktisch immer passen. Schon 1533 soll der Gelehrte Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim in einem Brief an den Bürgermeister und den Rat der Stadt Cöln ein „Kölnisch Gebot“ erwähnt haben. Von wem, wo und wann letztlich das Kölsche Grundgesetz in der jetzigen Form formuliert wurde, ist nicht genau bekannt.
Optimismus, Lebensfreude, kölsches Urvertrauen
Als geistiger Vater der elf Paragrafen gilt jedoch Kabarettist Konrad Beikircher (78), der sein Buch „Et kütt wie‘t kütt“ 2001 veröffentlicht hat. Passend zum Jubiläumsjahr des „großen“ Grundgesetzes wird nun auch die Kölner Version gewürdigt: Das 120-Seiten-Magazin „Et hätt noch immer jot jejange“ (10 Euro, im Handel und an allen Büdchen erhältlich) bietet elf intensive Gespräche mit elf kölschen Persönlichkeiten über je einen Artikel des Kölschen Grundgesetzes.
„Das Magazin steckt randvoll mit Optimismus, Lebensfreude und diesem besonderen kölschen Ur-Vertrauen, dass ich mich für Artikel 3 als Signal auf dem Cover entschieden habe“, sagt Herausgeber und Chefredakteur Oliver Wurm (54). „Aber nur zu sagen, dass ‚et kütt, wie et kütt‘, reicht heute nicht mehr. Auch das ist ein Kerngedanke, der sich durch alle Gespräche zieht.“
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BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken (73) spricht beispielsweise über Artikel 1: „Et es, wie et es“. Im Gespräch schafft er es, den Bogen zur aktuell laufenden „Zeitreise“-Tour seiner Band und zu den Umständen seines Schlaganfalls zu spannen. „Diese tröstenden Lebensweisheiten verhelfen einem zu einer Lockerheit. Dass man auch in der Lage ist, nicht alles so schwer zu nehmen. Ich bin zu Hause offen gestanden bei Weitem nicht immer der, der ich auf der Bühne bin“, sagt er.
BAP-Sänger Niedecken schreibt über Gelassenheit
Die Gelassenheit, Dinge, die man sowieso nicht ändern kann, auch mal hinzunehmen und zu ertragen, sei typisch Kölsch. Auf dem BAP-Album „Radio Pandora“ gibt es sogar einen Song mit diesem Titel: „Et ess, wie’t ess, do kammer nix maache, mer sinn uns einfach passiert.“ Bei diesem Titel höre er die Stimme seiner Mutter, sagt Niedecken. „Bei ihr wimmelten diese Lebensweisheiten nur so umher. Die hatte für jede Lebenssituation einen Spruch, der irgendwie tröstend war.“
Kasalla-Frontmann Basti Campmann (47) spricht anlässlich Artikel 3, „Et hätt noch immer jot jejange“, mit dem langjährigen KStA-Redakteur Stephan Klemm über das Konzert seiner Band 2022 im Rhein-Energie-Stadion. Um mit Spannungen innerhalb der Gruppe besser umzugehen, treffen sich die Musiker regelmäßig mit einer Mediatorin.
Kasalla-Mitglieder sprechen regelmäßig mit Mediatorin
„Im Karneval sind wir zwölf Stunden am Tag gemeinsam unterwegs, sitzen oft zusammen im VW-Bus. Natürlich knallt das da auch mal. Völlig normal. Mit der Mediatorin setzen wir uns in Abständen zusammen. Dabei kommt dann alles auf den Tisch. Auch, um mögliche Probleme früh zu bearbeiten und daraus zu lernen. Wir wollen ja noch ein paar Jährchen gemeinsam Musik machen“, sagt er.
Auch Fußball-Weltmeister Lukas Podolski (39) kommt zu Wort. Im Gespräch über „Wat fott es, es fott“ (Artikel 4) sieht er viel Wahres in den elf Weisheiten. „Diese elf Artikel sind Köln pur. Der Kölner nimmt die Dinge nicht ganz so ernst, und noch viel entscheidender: sich selbst nicht zu wichtig. Was die elf Artikel zudem zeigen: Die Kölner haben ein großes Vertrauen in die Zukunft. Und viel Sinn für Humor.“
Podolski wünscht sich: „Deutscher Meister wird nur der FC“
Das Kölsche Grundgesetz sei wie ein Leitmotto. „Würde sich der ein oder andere ein wenig mehr mit dem Kölschen Grundgesetz beschäftigen, hätte er vielleicht auch in manchen Situationen weniger Angst, das Falsche zu tun. Eine Botschaft der ganzen elf Artikel ist für mich: Steh ein für das, woran du glaubst. Und sieh die Dinge locker. Dann wird es schon gutgehen.“ Und noch einen Wunsch äußert Podolski. Er hätte gerne noch einen zwölften Artikel: „Deutscher Meister wird nur der FC!“
Als Zeitzeuge eines ganzen Jahrhunderts hat auch Grandseigneur Ludwig Sebus (99) rund um Artikel 6, „Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet“, im Gespräch mit KStA-Redakteur Helmut Frangenberg seine Gedanken zu Brauchtum, Nazis und Demokratie-Feinden, den Herrgott und belebende Gespräche mit jungen Menschen beigesteuert. „Diejenigen, die heute rechtsextrem wählen, riskieren, dass der Mensch nicht mehr frei ist. Den Menschen die Freiheit zu nehmen, ist ein Verbrechen. Das führt ins Verderben“, lautet eine seiner beeindruckenden Botschaften.
Komikerin Gaby Köster (62) erlebte einen Schlaganfall, der ihr Leben drastisch veränderte. Trotzdem lebe sie nach dem Motto „Wat wellste maache?“ (Artikel 7). „Das Leben ist, wie es ist. Ich gucke lieber, was jetzt ist. Was kann ich daraus machen? Der Schlaganfall ist jetzt 16 Jahre her. Der linke Arm macht es immer noch nicht. Ich kann auch immer noch nicht alleine durch die Gegend laufen. Soll ich mich jetzt darüber aufregen oder überlegen, von welcher der kaputten Rheinbrücken ich jetzt springen soll? Nein, ich kann es nun mal nicht ändern. Ich denke lieber: ‚Was machen wir jetzt Schönes?‘“
„Kabarett sollte nur nach oben treten, nicht nach unten“
Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin Biggi Wanninger (69) verrät im Gespräch über „Wat soll dä Quatsch?“ (Artikel 9) Details zur Stunksitzung: „Wir haben aufgrund von Mails, die wir bekommen haben, erfahren, dass wohl auch AfD-Sympathisanten oder AfD-Wähler und -Wählerinnen in der Stunksitzung waren. Zu uns kommt eben ein Querschnitt der ganzen Gesellschaft, von links bis rechts, von wohlhabend bis weniger wohlhabend, alle Berufe sind da vorhanden.“
Eine Haltung sei dabei aber wichtig: „Über Opfer machen wir uns nicht lustig, das ist ein No-Go. Außerdem sollte Kabarett nach oben treten und nicht nach unten. Jeder und jede bekommt den Witz, den er oder sie verdient. Aber bei Opfern hört das Blödsinnmachen auf.“
Weitere Gesprächspartner im Kölschen Grundgesetz: Pfarrer Franz Meurer („Et kütt, wie et kütt“, Artikel 2), Ex-Moderator und Notfallsanitäter Tobias Schlegl („Nix bliev, wie et wor“, Artikel 5), Autorin und Podcasterin Yasmine M‘Barek („Macht et jot, ävver nit ze off“, Artikel 8), Gaffel-Chef Heinrich Becker sprach mit Express-Redakteur Marcel Schwamborn über „Drinkste ene met?“ (Artikel 10), Ex-Prinz Sven Oleff über „Do laachste dech kapott“, Artikel 11.
Auch Beikircher, der 1965 als „Imi“ aus Südtirol ins Rheinland kam, blickt noch einmal auf die elf Paragrafen. „Die Kölschen leben konsequent in der Gegenwart, sozusagen im zeitlosen Kontinuum. Die Vergangenheit ist den Kölschen egal, weil ‚das hatten wir ja schon‘. Zukunft? Da sagt sich der Kölsche: ‚Was weiß ich, was kommt?‘ Jetzt, hier und heute muss es schön sein.“
Der Kabarettist, Musiker und Autor würde auch gerne noch einen zwölften Artikel in den Kanon aufnehmen: „‚Jede Jeck es anders.‘ Das ist ein tolles Toleranzgebot. Es fordert mich auf, zu akzeptieren, dass jeder Mensch eine Macke hat und dass alle unterschiedliche Macken haben. Es ist niemand so, wie ich will, dass er sei.“