Kardinal Rainer Woelki verlängert die Amtszeit. Im Erzbistum wird Kleine von manchen als Gegengewicht zum Erzbischof betrachtet.
Angriffe aus konservativem LagerRobert Kleine bleibt Kölner Stadtdechant – trotz Kritik an Woelki
Robert Kleine strahlt mit der Augustsonne um die Wette, als er per Video die frohe Botschaft verkündet – in diesem Fall sogar in eigener Sache: „Ich freue mich sehr, dass ich weitere sechs Jahre als Stadtdechant in unserer Stadt wirken darf, links und rechts des Rheins.“ Der 57-Jährige, der 2012 noch vom damaligen Kardinal Joachim Meisner in sein Amt berufen und im gleichen Jahr zum Domkapitular ernannt wurde, dankt dem amtierenden Erzbischof, Kardinal Rainer Woelki, dass dieser nach der ersten Amtszeitverlängerung 2018 erneut „das Vertrauen in mich setzt, diese Aufgabe in einer dritten Amtszeit umzusetzen“, sagt Kleine.
Als Stadtdechant vertritt er die katholischen Gemeinden in Köln gegenüber der Stadtspitze, der Politik, Verwaltung und der Gesellschaft. Mit seiner aufgeschlossenen, zugewandten und verbindlichen Art ist Kleine das sympathische Gesicht und die gern vernommene Stimme der katholischen Kirche in Köln.
Stadtdechant Kleine als Gegengewicht zu Kardinal Woelki
Und spätestens seit der von Woelki zu verantwortenden Führungs- und Vertrauenskrise im Erzbistum Köln sehen nicht wenige Kleine auch als ein Gegengewicht oder einen Hoffnungsanker. Wiederholt hatte sich Kleine in den vergangenen Jahren kritisch zu Woelkis Agieren im Missbrauchsskandal geäußert. Als der Papst den Erzbischof auf dem Höhepunkt des Konflikts 2021 für mehrere Monate aus dem Verkehr zog, wandte Kleine sich gegen Woelkis Lesart einer „Auszeit für alle“.
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Wann immer die verheerenden Kirchenaustrittszahlen zum Thema wurden, beklagte Kleine den darin zum Ausdruck kommenden Vertrauensschwund. Und er positionierte sich in streitigen Fragen wie dem Umgang mit queeren Menschen in der Kirche wiederholt dezidiert und symbolträchtig gegen Woelkis Auffassungen. So ließ er sich einmal in seinem Büro gegenüber dem Dom mit Regenbogen-Flagge fotografieren und nahm zum CSD vor einigen Wochen – trotz übler Attacken aus dem rechtskatholischen Lager – an einer Diskussionsrunde unter dem Titel „God meets Gays“ teil.
Robert Kleine: In Ton und Tun um Ausgleich bemüht
Vor dem Hintergrund all dessen hielten sich seit geraumer Zeit hartnäckig Gerüchte, dass Woelki darauf sinne, Kleine als Stadtdechant abzulösen. Ein gemeinsamer Rückblick auf die vergangenen sechs Jahre soll atmosphärisch und inhaltlich nicht eben harmonisch verlaufen sein, war zu hören. Kleine lehnte es ab, sich dazu zu äußern.
Im Hintergrund aber arbeiteten namhafte Vertreter des Kölner Klerus bereits an Widerstandsszenarien für den Fall, dass Woelki Ernst machen würde. Möglicherweise wirkte das große Maß an Rückhalt und Wohlwollen, die Kleine innerkirchlich wie auch über den kirchlichen Dunstkreis hinaus zuteilwerden, jetzt wie ein Schutzgürtel. Wo ein solcher fehlte oder aus Woelkis Sicht nicht hinreichend stark war, hat er wenig Federlesens gemacht. Zuletzt servierte er so die 2016 mit großem Tamtam als Visionärin für Gemeindereform und Pastoral der Zukunft nach Köln geholte Theologin Vera Krause ab. Die frühere Chefin einer eigenen Stabsstelle, der zeitweilig enormer Einfluss auf Woelki nachgesagt wurde, ist neuerdings auf einem nachgeordneten Posten im Generalvikariat tätig.
Dabei hat Kleine, der seinem Wesen nach alles andere als streitlustig oder gar auf Krawall gebürstet ist, stets alles getan, um weder in die Rolle des Antipoden, des Oppositionsführers oder gar des Palastrevolutionärs zu geraten. Er trägt seine Kritik nie forciert vor, ist in Ton und Tun um Ausgleich bemüht und käme selbst im Traum nicht auf den Gedanken, sich an die Spitze eines Aufstands gegen Woelki zu stellen.
Aufruf zur Verteidigung der Demokratie
In Statements zu seiner erneuten Ernennung hebt Kleine auf die katholisch-evangelische Ökumene, den interreligiösen Dialog insbesondere mit der jüdischen Gemeinschaft sowie den zivilgesellschaftlichen Einsatz für ein „soziales und lebenswertes“ Köln ab. Er sei „dankbar für das, was wir gemeinsam geschafft haben“, so Kleine. „Wir stehen gegen Rassismus, Antisemitismus, Hass und Hetzparolen Gemeinsam werden wir uns auch weiterhin für die Menschen in dieser Stadt einsetzen und das Leben in unserer Domstadt mitgestalten.
Den vielen Herausforderungen, die sich uns in Kirche und Gesellschaft aktuell stellen, werden wir auch künftig engagiert und tatkräftig begegnen.“ Ausdrücklich warnt Kleine vor einer Krise der Demokratie und ruft zu deren Verteidigung auf.
Innerkirchlich sei es ihm am wichtigsten, „das Wesentliche des Glaubens zu erkennen: die frohe Botschaft, dass Gott die Menschen liebt“. Für die Aufgabe der Katholikinnen und Katholiken Kölns bemüht Kleine biblische Bilder. Sie sollten versuchen, „Licht für die Welt, Salz für die Erde, Sauerteig in unserer Stadt“ zu sein. Der Glaube werde vor allem geweckt „durch positive Erfahrungen, durch die Begegnung mit Menschen, die etwas ausstrahlen, und durch Institutionen, die aus dem Geist Jesu leben“. Ohne es zu sagen, beschreibt der alte und neue Kölner Stadtdechant zweifellos auch den Anspruch an sich selbst und die katholische Kirche in Köln.