Als um 18 Uhr die erste Prognose über den Bildschirm flimmert, bebt das Altstadtlokal „Ex-Vertretung“. Ein paar der vielen historischen Fotos an den Wänden könnten runterfallen: Hier hängen die Bilder der Bundeskanzler von CDU und SPD, man sieht den ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher von der FDP in einem Schützengraben.
Grüne Politiker sind nicht abgebildet – außer Joschka Fischer, von dem hier keiner mehr was wissen will. Die Kölner Grünen feiern „ein historisches Ergebnis“, wie Parteichef Frank Jablonski sagt. Dass er das an einem durchaus historischen Ort sagt, weiß er nicht. Die Kneipenwahl sei Zufall. Hier trafen sich einst die Spitzen der Kölner Sozialdemokraten in der „Roten Kapelle“, als diese fast alleine die Stadt regierten. Das ist lange her.
Grünen erstmals in der Geschichte Kölns stärkste Partei
Die Zukunft – so scheint es zumindest an diesem Abend – gehört anderen. Die bejubelten Prognosen für das Bundesergebnis sagen ein Plus von rund elf Prozent für die Grünen voraus.
Zunächst dämmert nur wenigen, was das für das Kölner Ergebnis bedeutet, das erst später veröffentlicht werden wird: Die Kölner Grünen werden erstmals in der Geschichte der Stadt die stärkste Partei in Köln. Die Zunahme wird noch deutlicher sein als auf Bundesebene. Am Ende landen sie deutlich über 30 Prozent – weit vor CDU und SPD, die beide unter 20 Prozent bleiben.
Kölner Skandale spielen keine Rolle
„Es ging um das bessere Europa, um Klimaschutz, die Rechte von Minderheiten, eine gesunde Landwirtschaft und um eine klare Absage an Nationalismus und Rechtspopulismus“, sagte die Parteichefin der Grünen, Katja Trompeter, in ihrer Ansprache an die Wahlkämpfer. Auch die Statistiker sagen, dass es bei dieser Wahl vor allem um europa- und bundespolitische Themen ging.
Die Kölner Skandale um Posten bei den Stadtwerken oder um die Metropolregion Rheinland haben keine Rolle gespielt. Und trotzdem stellt sich die Frage, welche Folgen dieses Ergebnis für die Kommunalpolitik haben wird. Nach den Änderungen der Wahlgesetze auf Landesebene wird es so einfach wie nie zuvor sein, eine Oberbürgermeister-Wahl zu gewinnen.
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Gehen die Grünen nun mit einem eigenen OB-Kandidaten in die kommende Kommunalwahl? War das der Anfang vom Ende des sogenannten Reker-Bündnisses? Die Parteivorsitzenden wollten sich offiziell nicht äußern. Die vielen jungen Wahlhelfer in der Altstadtkneipe indes dürften sich ein deutlicheres Profil auch auf kommunaler Ebene wünschen.
Die Kölner Kandidatin fürs Europaparlament, Nadine Milde, erst vor kurzem in die Partei eingetreten, sagt vor dem Hintergrund der herausragenden Zahlen bei jungen Wählern: „Wir werden langsam wieder zur frischen jungen Bewegungspartei.“ Milde wird trotz des guten Ergebnis nicht im Parlament sitzen.
Die Grünen sind die einzigen echten Gewinner an diesem Abend. „Dass sie stark werden, war zu erwarten. Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass sie so gewinnen“, sagt die neue Vorsitzende der Kölner SPD, Christiane Jäger. Das Ergebnis ihrer Partei sei „frustrierend“. Die SPD habe ihre Themen nicht vermitteln können, das Thema „Klimaschutz“ habe vieles überlagert.
Aufstieg der AfD scheint vorerst gestoppt
CDU-Chef Bernd Petelkau tröstet die Anwesenden in der Parteizentrale in der Altstadt damit, dass die Union bundesweit stärkste Partei geblieben ist. „Die Verluste sind nicht schön, aber das trifft die andere Volkspartei ja noch stärker als uns“, sagt er. Der lange Wahlzettel mit 41 Parteien mache deutlich, „dass eine gewisse Tendenz zu Weimarer Verhältnissen besteht“. Positiv sei zu bewerten, „dass die extremen Parteien durch die hohe Wahlbeteiligung nicht so stark gewachsen sind“.
Der Aufstieg der AfD scheint auch in Köln vorerst gestoppt. Mit einem Ergebnis von 6,2 Prozent bleibt die Partei weit unter ihren Erwartungen. Der Kölner Parteichef war am Wahlabend für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Die Linken-Vorsitzende Angelika Link-Wilden sagte, das Kölner Ergebnis entspreche dem von 2014. „Insofern haben wir uns gehalten.“ Das gute Ergebnis in Bremen, wo soziale Themen eine wichtige Rolle spielen, „macht uns Mut“. Kölns FDP-Chef Lorenz Deutsch findet das Ergebnis seiner Partei „eher enttäuschend“. Seine Erklärung: „Die dominanten Themen Umwelt und Klimaschutz lagen auf einem Spielfeld, auf dem wir nicht wahrgenommen worden sind.“