Einst als Signal des Aufbruchs versprochen, könnte es nun sein, dass am Ort des Archiveinsturz doch kein unterirdischer Kulturraum entsteht.
Einst von Reker versprochenDer unterirdische Kulturraum am Kölner Waidmarkt steht vor dem Aus
Ein unterirdischer Bau, in dem Theater, Tanz, Ausstellungen und Musik stattfinden kann. Am Ort der Katastrophe vom 3. März 2009. Als Signal des Aufbruchs, als Wiederbelebung des Georgsviertels, „es ist eine Vision, die machbar ist“, heißt es auf der Webseite der „Initiative Archiveinsturz“, die sich für ein würdiges Gedenken und einen kreativen Umgang mit der Einsturzstelle des Stadtarchivs am Waidmarkt einsetzt. Mit dem Bauprojekt „K3“, das auf der Ebene zwischen den geplanten Bahngleisen und dem Waidmarkt entstehen würde, konnte die Initiative Verwaltung und Politik überzeugen, in einer Resolution im Juni 2020 sprach sich der Stadtrat explizit für die Umsetzung aus.
Und auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker war überzeugt. „Es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Zukunft und das Hier und Jetzt so klar geworden sind, dass neben der Trauer und dem Gedenken nun auch die Vorfreude und die Spannung ihren Platz einnehmen“, sagte Reker im März 2021, genau zwölf Jahre nach dem Einsturz. Damit bezog sich die Oberbürgermeisterin einerseits auf den Weiterbau des U-Bahn-Tunnels der Nord-Süd-Stadtbahn, andererseits aber eben auch auf den geplanten Veranstaltungsraum „K3“, der auf einer Zwischenebene des Gleiswechselbauwerks entstehen soll. „Wir gedenken der Verstorbenen – wir werden nicht vergessen“, hieß es damals.
Kölner Stadtverwaltung: „Nehmen gegebenenfalls Neubewertung vor“
Inzwischen steht der Bau infrage. In einem Gespräch mit der „Initiative Archiveinsturz“ eröffnete die Stadtspitze nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Möglichkeit, auf den komplizierten Bau zu verzichten. Offenbar gibt es wegen der Nähe zu den Gleisen Zweifel an einer ernsthaften kulturellen Nutzung, ständige Erschütterungen und Lärm würden diese erschweren.
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Doch entschieden ist noch nichts. Stadtsprecher Alexander Vogel teilte auf Anfrage mit, das Ziel der kommenden Jahre sei „die Fertigstellung des Stadtbahnbaus, die Etablierung eines attraktiven und frequentierten Kulturraums/Gedenkortes sowie das Erschaffen eines lebenswerten Stadtraums mit hoher Aufenthaltsqualität.“ Dass die Stadt Kulturraum und Gedenkort zusammenfasst, ist ein brisantes Signal: Bislang war ein unterirdischer Kulturraum sowie eine oberirdische Gedenkstätte geplant, kein Ort mit Doppelfunktion. Doch die Stadt nehme aktuell „verschiedene Prüfungen und daraus resultierend gegebenenfalls Neubewertungen des Projektes vor“, so Vogel weiter. Die möglichen Neubewertungen, so das Versprechen, sollen in Abstimmungen mit Bürgerinitiativen, unter anderem der „Initiative Archiveinsturz“, erfolgen. Details werden in einer Planungswerkstatt erarbeitet, die in den kommenden Tagen startet.
Kölner Politik hält unterirdischen Bau inzwischen für verzichtbar
Auch im Rat hat man sich wohl mit dem Gedanken angefreundet, womöglich doch auf den aufwendigen unterirdischen Bau eines Kulturraums zu verzichten. „Auch wenn der Gedanke für einen unterirdischen Gedenkort naheliegt, sind auch andere Varianten an dieser Stelle vorstellbar“, sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Lino Hammer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Die Verwaltung sollte bald Klarheit schaffen und bei einer negativen Einschätzung zur unterirdischen Option würdige Alternativen prüfen“, so Hammer weiter.
Ähnlich bewertet CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz das Projekt. „Der Ort des Gedenkens an die Katastrophe vom 3. März 2009 steht im Vordergrund“, sagte Kienitz. „Daneben ist uns ein Ort, der darüber hinaus eine breite kulturelle Funktion im Quartier übernehmen kann, wichtig.“ Dieser könne sowohl ober- als auch unterirdisch entstehen.
Und auch in der Opposition des Rates ist man offenbar wenig schockiert von den neuen Entwicklungen. „Wir brauchen einen angemessenen Ort der Erinnerung, der idealerweise auch ein lebendiger Kulturraum ist“, sagte Lorenz Deutsch (FDP) und legt damit ebenso nahe, beide Funktionen zu verbinden. Maria Helmis (SPD) betonte, es brauche einen „geplanten, dauerhaften Kulturraum als Ort des Erinnerns.“
Noch haben sich Verwaltung und Politik nicht endgültig vom unterirdischen Kulturraum „K3“ verabschiedet. Doch die Chancen, dass die einstige Vision Wirklichkeit wird, stehen aller Versprechen entgegen schlechter denn je.