Der Kölner Ordnungsamtschef will ein Casting für Straßenmusiker. In München gibt es das, die verantwortliche Mitarbeiterin erklärt das Prozedere.
„Von organisierter Bettelmusik vertrieben“Kommt das Casting für Kölner Straßenmusiker?
Barbara Breinl, 44, ist die Frau, die entscheidet, wer in Münchens Fußgängerzone Musik machen darf und wer nicht – und erst vergangene Woche fiel ihr diese Entscheidung ziemlich leicht. Zwei italienische Tenöre hatten laut Breinl eine Genehmigung beantragt, sie sangen ihr vor dem Rathaus Lieder vor.
Laut Breinl war es eine der besten Darbietungen, die sie bislang gehört hat. Das bemerkten auch Passanten, sie blieben stehen, hörten zu. Das Ergebnis: Breinl genehmigte den Antrag, das Duo durfte in Münchens Straßen singen.
Schon mehr als 20 Jahre lässt die Stadt München laut Breinl Straßenmusiker vorspielen und prüft sie auf diese Art, seit 2016 ist Breinl als Teil der Stadtinformation dabei. Sie sagt: „Das kurze Vorspielen ist ausreichend, um zu sehen, ob die Musiker ihr Instrument beherrschen und ein Mindestrepertoire beherrschen. Fußgänger gehen manchmal nur kurz an den Straßenmusikanten vorbei, doch wenn Anwohner und Geschäftsleute eine Stunde dasselbe hören, geht denen das furchtbar auf die Nerven. Das Vorspielen soll für ein gutes Miteinander sorgen und vieles schon im Vorfeld zu regeln. Wir sind zufrieden.“
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Auch in London, New York, Paris, Madrid oder Brüssel müssen die Musiker vorspielen – in Köln dagegen nicht. Das will Ralf Mayer, neuer Leiter des Kölner Ordnungsamtes, ändern.
Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte Mayer gesagt: „In München zum Beispiel gibt es richtige Castings für Straßenkünstler.“ Er sei auch dafür, irgendjemand sollte entscheiden, „ob das handwerklich okay ist, was da gespielt wird“. Mayer sprach sogar von einer Jury.
Laut Breinl braucht in ihrem Team keiner eine besondere musikalische Ausbildung, auch wenn sie selbst Querflöte und Klavier gespielt hat. Sie sagt: „Ein einigermaßen musikalisches Gehör reicht.“ Breinl mag den Begriff Casting nicht, sie spricht von Vorspielen, um in der Fußgängerzone spielen zu dürfen. Pro Tag stellt die Stadt München zehn Genehmigungen aus, jeweils fünf für die Zeit von 10 bis 14 Uhr und fünf für die Zeit von 15 bis 22 Uhr.
Jeder Musiker erhält bis zu zwei Genehmigungen pro Woche, dazu kommen Sonn- und Feiertage. Laut Breinl reichen die zehn Genehmigungen täglich, „außer im Sommer manchmal, sonst geht es sich gut aus“.
Hupke befürwortet Idee
Nach einer Stunde müssen die Musiker in München den Standort wechseln. In München kostet die Genehmigung zum Spielen zehn Euro täglich, das lehnt Mayer für Köln ab: „Straßenkunst ist schließlich eine Bereicherung für uns alle.“
Innenstadt-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) unterstützt Mayers Vorschlag, er hatte sich schon in der Vergangenheit dafür eingesetzt. Hupke sagt: „Ralf Mayer spricht mir aus dem Herzen. Da müssen wir hin.“ Er schlägt unter anderem Klaus den Geiger als Mitglied des Gremiums vor. „So eine Variante ermöglicht es wieder den Musikerinnen und Musikern aus aller Welt, unbeschwert im öffentlichen Raum auftreten zu können, die von der organisierten Bettelmusik völlig vertrieben worden sind.“
Die Regeln für Straßenmusiker sind in der Kölner Stadtordnung festgelegt, die wiederum der Stadtrat verändern kann. Eine Obergrenze für Genehmigungen gibt es anders als in München nicht. Doch dürfen die Musiker nur die ersten 30 Minuten einer Stunde spielen, und zwar in einer Lautstärke, „dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden“.
Lautsprecher oder Verstärker sind ebenso verboten wie zwischen 22 und 10 Uhr zu spielen. Nach der halben Stunde müssen die Musiker mindestens 300 Meter weiterziehen, sie dürfen jeden Standort nur einmal täglich nutzen. Besondere Regeln gelten rund um den Dom, dort sind vier feste Standorte festgelegt (siehe Infokasten am Ende des Textes).
Auch andere Städte prüfen Straßenmusiker
Doch nicht nur München lässt die Musiker vorspielen, beispielsweise casten die Verkehrsbetriebe in London die Straßenmusiker für die U-Bahn-Tunnel schon seit Jahren – dieses Jahr zum ersten Mal wieder seit der Corona-Pandemie.
Ungefähr 450 Bewerbungen sind eingegangen, die Hälfte lud das Unternehmen Transport for London kürzlich zum Vorspielen an. Wer vor der Jury besteht, muss anschließend in einer U-Bahn-Station vor tausenden Passanten spielen oder singen. Wenn auch das gut ankommt, gibt es die begehrte Lizenz.
Auch in Madrid müssen sich Musiker erst bei einem Probekonzert vor der Stadtverwaltung bewähren, bevor sie in den Fußgängerzonen auftreten, ebenso in Paris und Brüssel.
In New York bewerben sich jährlich hunderte Musiker und Bands um eine der wenigen Auftrittsgenehmigungen für die U-Bahn. Ein paar Dutzend dürfen nach einer Vorauswahl in Manhattan vor einer Jury und Publikum spielen. Die Jury bewertet die Kandidatinnen und Kandidaten im Hinblick auf ihr musikalisches Talent, aber auch in Hinsicht darauf, ob sie sich für einen Auftritt an einer der etwa 30 speziell für das „Music Under New York“-Programm ausgesuchten Orten in Bahnstationen eignen.
Breinl erzählt von schlimmstem Auftritt
Das Programm umfasst insgesamt rund 350 Band und Musiker. Pro Jahr absolvieren diese Auserwählten rund 7500 Auftritte in der New Yorker U-Bahn. Unter freiem Himmel dagegen ist das Musizieren in New York auch ohne Vorspiel und Genehmigung möglich.
Barbara Breinl aus München erinnert sich noch gut an ihr schlimmstes Vorspielen. Es war eine junge Frau mit Gitarre, „die sie erst einen Tag hatte. Sie konnte nur einen Akkord spielen.“ Breinl riet ihr, weiter zu üben, danach nochmal wiederzukommen. „Aber sie kam nie wieder.“
Lärmmessung am Dom:
Rund um den Kölner Dom dürfen Straßenmusiker an vier Standorten stehen und spielen. Zukünftig will die Stadt Köln deren Lautstärke aber messen. Das hat der Stadtrat im Juni nach dem Ende des Pilotprojektes im Vorjahr beschlossen. Das Prinzip dahinter: Misst das Mikrofon beispielsweise am Roncalliplatz mehr als 83 Dezibel, bekommt eine ständig besetzte Zentrale eine Nachricht und informiert die Außendienstmitarbeiter vor Ort. Sie schreiten dann ein.
Nun soll die Verwaltung den „Echtbetrieb“ umsetzen. Die Verwaltung berechnet, was das dauerhafte Aufstellen der Mikrofone, Dezibel-Messgeräte und der möglicherweise notwendigen Solaranlage kostet, dazu kommen die Betriebskosten. Der Rat wird also nochmal entscheiden, ob er diese Kosten genehmigt. Wann das sein wird, steht noch nicht fest. (mhe)