Die SPD-Ratsfraktion hat Beratungsbedarf angemeldet, so dass der Stadtrat nicht wie geplant am 27. Juni eine Entscheidung treffen kann.
Entscheidung vertagtTauziehen um neuen U-Bahn-Tunnel auf der Ost-West-Achse dauert bis zum Herbst
Was sich bereits Anfang Juni abzeichnete, ist nun Gewissheit geworden: Die SPD-Ratsfraktion hat im Stadtentwicklungsausschuss Beratungsbedarf zum Ausbau der Ost-West-Achse angemeldet, weil nicht alle notwendigen Unterlagen vorliegen würden. Damit ist klar, dass der Stadtrat in seiner Sitzung am Donnerstag kommender Woche nicht wie von der Stadtverwaltung geplant darüber entscheiden wird, ob zwischen Heumarkt und Aachener Weiher ein neuer U-Bahn-Tunnel entsteht oder nicht.
Fronten im Kölner Stadtrat sind verhärtet
Zu einem Beschluss wird es nun frühestens in der ersten Sitzung nach der Sommerpause kommen, am 1. Oktober. So bleiben jetzt mehr als drei Monate zusätzliche Zeit, um eine Mehrheit im Stadtrat zustande zu bekommen. Die Fronten sind verhärtet, CDU und FDP wollen den Tunnel, Grüne und Linke wollen ihn nicht. Die SPD hält sich alle Optionen offen, Volt ist unentschlossen.
Das Bündnis Verkehrswende Köln, das sich seit 2018 gegen den Bau eines Tunnels in der Innenstadt engagiert, will die Gelegenheit nutzen, um mehr Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Fußgängerlobbyverein Fuss, dem Verkehrsclub Deutschland (VCD), dem Arbeitskreis (AK) Barrierefreies Köln, den Grannies for Future, Fridays for Future und Parents vor Future haben die Tunnelgegner am Freitag die Beschlussvorlage der Stadtverwaltung attackiert.
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Angela Bankert vom Bündnis Verkehrswende Köln verwies darauf, dass der in der Beschlussvorlage aufgeführte Kriterienkatalog so gestaltet worden sei, dass nur der Nutzen und nicht der Aufwand bewertet worden sei. Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte betont, dass der Tunnel am Ende bei 20 von 33 Kriterien als die bessere Lösung überzeugt habe. Nur bei zehn Kriterien lag ein oberirdischer Ausbau vorne, in drei Fällen gab es einen Gleichstand.
Bankert, ehemalige Geschäftsführerin der Lehrerinteressenvertretung GEW-Stadtverband Köln und engagiert bei der Partei Die Linke, entgegnete, dass die Stadt 14 weitere Kriterien wie die Bauzeit, die Archäologie, die Baulogisitik, den Baulärm sowie die Investitions- und Betriebskosten nicht berücksichtigt habe. „Diese 14 Kriterien würden alle dafür sprechen, nur oberirdisch zu bauen“, sagte Bankert. Die KVB rede von einer drei bis vier Minuten kürzeren Fahrzeit in einem Tunnel. „Und dafür will man die Innenstadt für mindestens zwei Jahrzehnte aufreißen“, sagte Bankert.
VCD sieht größeren Personalaufwand bei der Stadt Köln
Horst Samsel vom VCD, der sich für eine umweltfreundliche Mobilität einsetzt, kritisierte, dass ein Tunnelbau einen deutlich größeren Personalaufwand innerhalb der Stadtverwaltung bedeuten würde. „Andere Projekte im Schienennetz müssten dann zurückgestellt werden, und wir würden uns viele Chancen auf einen Ausbau an anderer Stelle verbauen“, sagte er. Das sei für eine erfolgreiche Verkehrswende schädlich.
Paul Intveen vom AK Barrierefreies Köln bemängelte, dass ein U-Bahn-Tunnel schwieriger zu erreichen sei. Menschen mit Einschränkungen und Familien mit Kinderwagen seien dann auf Aufzüge und Rolltreppen angewiesen. Sollten diese defekt sein – und das sei in Köln bereits jetzt oft der Fall – wäre die Barrierefreiheit nicht mehr gegeben.
„Ein Tunnel geht komplett an den Bedürfnissen der zu Fußgehenden vorbei“, sagte Lucas Rosenthal vom Fuss e.V., der sich für die Belange der Fußgängerinnen und Fußgänger einsetzt. „Wir hätten lange Wege und insgesamt längere Reisezeiten, weil mehrere Ebenen überwunden werden müssten“, so Rosenthal. Außerdem würde neue Angsträume entstehen, so seine Befürchtung.
Dieter Gehringer von den Grannies for Future wies darauf hin, dass der Tunnelbau laut der Stadtverwaltung 283.000 Tonen Kohlenstoffdioxid produzieren würde. „Wie will Köln denn dann bis zum Jahr 2035 klimaneutral sein?“
Tunnel schneidet bei Kosten-Nutzen-Rechnung besser ab
Die Gegner des Ost-West-Achsen-Tunnels betonten am Freitag, dass sie U-Bahn-Tunnel nicht grundsätzlich ablehnen würden. VCD-Vertreter Horst Samsel sagte, dass er sich an anderen Stellen in der Stadt durchaus neue Tunnel „gut vorstellen“ könne – wie etwa am Barbarossaplatz. Barbara Kleine vom Bündnis Verkehrswende ergänzte, dass sie in Paris durchaus auch gerne mit der Metro im Tunnel unterwegs sei.
Auf der Ost-West-Achse würde aus ihrer Sicht aber alles gegen einen Tunnel sprechen. Kleine kritisierte, dass sich die Oberbürgermeisterin bereits mehrmals öffentlich für einen Tunnel ausgesprochen hat. Sie würde sich von Seiten der Stadtverwaltung eine neutrale Haltung wünschen, wie sie Verkehrsdezernent Ascan Egerer einnehme.
Was den Kosten-Nutzen-Faktor angeht, aus dem sich ergibt, ob ein Verkehrsprojekt Fördergeld von Bund und Land erhält, hatte der Tunnel mit einem Wert von 1,4 besser abgeschnitten als die oberirdische lösung mit 1,3. „Es ist die Entscheidung, wer und was wir sein wollen – europäische Metropole oder deutsche Provinz“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Sie verwies auf die aus ihrer Sicht enormen Gestaltungsmöglichkeiten an der Oberfläche, die ein 2,7 Kilometer langer Tunnel in der Innenstadt bieten würde.