Fast ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod eines Wirts in Köln-Weiden hat das Landgericht am Donnerstag das Urteil gegen den Angeklagten gesprochen.
46 MessersticheKölner Wirt vor Theke getötet – Gericht erklärt Täter für schuldunfähig
Am Ende sitzt er da in seinem schwarzen Trainingsanzug vor der Anklagebank, den Oberkörper nach vorn gekrümmt, eine Zigarette hinter dem linken Ohr, und kann nur noch weinen. Ob ihn sein Vater kurz in den Arm nehmen dürfe, fragt seine Anwältin die Vorsitzende Richterin. „Von mir aus ja“, antwortet sie. Eine kurze, zärtliche Umarmung, ein Kuss auf den Kopf, ein paar geflüsterte Worte, dann wird der Täter abgeführt aus Saal 23 des Kölner Landgerichts und zurückgebracht in die LVR-Psychiatrie in Essen, wo er bereits seit einigen Monaten untergebracht ist. 31 Jahre ist er erst alt und wird vermutlich nie wieder ein Leben in Freiheit führen können.
Vor knapp einem Jahr hat der damals 30-jährige Täter den bei vielen Gästen und Mitarbeitern beliebten Wird Manfred K. in dessen Kneipe „Zur alten Post“ in Köln-Weiden brutal getötet. Die Tat löste großes Entsetzen in dem Stadtteil aus. 46-mal stach er mit einem mitgebrachten Küchenmesser auf sein Opfer ein. Die Stiche treffen den ganzen Körper von der Stirn bis zum Oberschenkel. Bei einem Stich auf die Schädeldecke bricht die Messerspitze ab und bleibt im Kopf hängen, ein anderer Stich durch den Rücken in die Lunge war tödlich. Manfred K. verblutete noch am Tatort vor der Theke seiner Kneipe mit 73 Jahren.
Der Täter, ein Mitte der 1990er Jahre im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern aus dem Irak geflohener und seit 2009 in Köln wohnender Mann floh danach vom Tatort, wurde aber von einem Zeugen gesehen. Das Tatmesser wurde in einem Gebüsch unter seinem Balkon gefunden, seine DNA unter den Fingernägeln des Opfers gefunden. Gestanden hat er die Tat vor Gericht nicht. Zweifel an seiner Täterschaft gab es aber nicht, wohl aber an seiner Schuldfähigkeit.
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Eine psychiatrische Gutachterin attestierte dem Angeklagten am letzten Hauptverhandlungstag am Donnerstag schwere psychische Störungen. So leide er unter Wahnvorstellungen, Schizophrenie, Halluzinationen und stark verminderter Intelligenz. Seit frühester Kindheit sei er an Epilepsie erkrankt, habe teils tagelange Krampfanfälle, dazu komme eine beginnende, fortschreitende Demenz.
Der Angeklagte sei infolge seiner Krankheiten und psychischen Störungen immer wieder aggressiv gegenüber sich und anderen gewesen und mehrere Suizidversuche unternommen. Vor der Tat im März hatte er bereits mehr als ein Dutzend Vorstrafen und stand unter zweifachen Bewährungsauflagen. Sollte er nicht dauerhaft in psychiatrische Betreuung kommen, sei von weiteren Straftaten auszugehen. Während die Gutachterin diese klinischen Befunde vortrug, zitterte und weinte der Angeklagte.
Der Täter hatte gegenüber dem Gastwirt wohl über mehrere Jahre unregelmäßig sexuelle Dienstleistungen erbracht und dafür nur geringste Geldbeträge bekommen. Die Rede war im Laufe des Prozesses von 20 Euro pro Dienstleistung. Ähnliches soll K. auch mit anderen zumeist deutlich jüngeren, teils psychisch beeinträchtigten männlichen Prostituierten ausländischer Herkunft gemacht haben. Der Staatsanwalt sprach in seinem Plädoyer von einem sexuellen Verhältnis mit „größtmöglichen Anführungszeichen“. Die Vorsitzende Richterin Sibylle Grassmann betonte in ihrer Urteilsbegründung das „absolute Gefälle“ zwischen dem Täter und seinem Opfer – „intellektuell, finanziell, sozial und altersmäßig“.
Getöteter Wirt in Weiden: Sexuelle Dienste für wenig Geld
Manfred K. nutzte dieses Gefälle offenbar aus, um günstig an sexuelle Dienste zu kommen. Seine Blutspuren an den Genitalien des Täters kurz nach der Tat und Spermaspuren des Opfers am Leichnam sprechen dafür, dass die beiden auch an jenem Morgen Sex hatten. Als der Täter zustach, hatte das Opfer nur noch ein T-Shirt und Socken an. Hose und Unterhose hatte er vorher ausgezogen. In dem Schankraum fand die Spurensicherung ein unbenutztes Kondom. Warum genau der Prostituierte dann die Tat beging, blieb bis zuletzt unklar. Der Psychologin soll er gesagt haben, dass er sein Opfer nicht habe töten wollen. Er habe nur gewollt, „dass es endet“.
In ihrer Urteilsbegründung sprach die Vorsitzende Richterin von einem Mann, der „durch jedes Raster gefallen ist“. Keine Einrichtung sei mit ihm, seinen Krankheiten und seinen Anfällen zurechtgekommen. Zu sehr bringen solch schwere Fälle das Betreuungssystem an seine Grenzen. Für die Allgemeinheit sei der Täter weiterhin gefährlich. Strafrechtlich sei er für seine Tat mangels Schuldfähigkeit aber nicht verantwortlich zu machen. Er wurde daher vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen.