- Mona Neubaur fordert mehr finanzielle Hilfen des Bundes beim Entlastungspaket und sichert zu, dass Stadtwerke nicht zahlungsunfähig werden.
- Aber sie fordert auch von den Bürgerinnen und Bürgern einschneidende Maßnahmen.
- Und sie erklärt im ausführlichen Interview, warum sie sich die WM in Katar anschauen wird.
Köln – Frau Neubaur, die hohen Energiepreise belasten die Bürger – sollte NRW selbst Geld in die Hand nehmen, um eigene Schutzschirme für bestimmte Branchen zu spannen?Mona Neubaur: Natürlich sind wir den Bürgern gegenüber verpflichtet, die die Luft anhalten, wenn sie die Energierechnung aufmachen. Und wir müssen den Unternehmen helfen, damit die ihre notwendigen Investitionen weiter tätigen und Arbeitsplätze erhalten können. Am Mittwoch beraten die Ministerpräsidenten, wie die finanziellen Lasten des dritten Entlastungspakets zwischen Bund und Ländern verteilt werden sollen. Danach wird klar sein, welche Spielräume wir noch haben.
Was erwarten Sie von dem Treffen?
Im Moment steht eine hälftige Verteilung zwischen Bund und Ländern im Raum. Das würde uns in NRW wenig handlungsfähig und auch die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Projekte unmöglich machen. Ich erwarte, dass der Bund einen deutlich höheren Anteil übernimmt. Dann haben wir die Chance, bei der Ausgestaltung der Hilfen an den richtigen Stellschrauben zu drehen und eigene Akzente zu setzen, die für NRW bedeutsam sind.
Das ebenfalls schwarz-grün regierte Schleswig-Holstein will Landesmittel zur Unterstützung der Stadtwerke bereit stellen.Funktionierende Stadtwerke sind für die Daseinsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen von zentraler Bedeutung. Sie liefern Energie und Wasser, organisieren den Nahverkehr, organisieren die Müllversorgung. Würden Stadtwerke zahlungsunfähig, würden grundlegende Dienstleistungen ausfallen. Die Folgen wären katastrophal für uns alle. Deswegen bin ich dafür, dass Bund und Länder den Bestand der Stadtwerke bei drohenden Zahlungsausfällen durch Liquiditätshilfen sichern. Die Stadtwerke geraten übrigens nicht nur wegen der explodierenden Energiepreise finanziell unter Druck. Zum Teil geht jetzt die Auslastung der Müllverbrennungsanlagen bereits zurück, weil die Menschen weniger konsumieren und dadurch weniger Abfall entsteht.
Volle Gasspeicher noch kein Grund zur Entwarnung
Die Gasspeicher sind schon zu 90 Prozent gefüllt – droht trotzdem im Winter eine Versorgungskrise beim Gas?
Volle Gasspeicher sind kein Grund zur Entwarnung. Es geht ja nicht nur darum, diesen Winter zu überbrücken, wir müssen auch noch für das nächste Jahr Reserven vorhalten. Auch wenn Robert Habeck bei der Diversifizierung der Gasversorgung auf einem sehr guten Weg ist: Es wird noch eine gewisse Zeit dauern, bis wir die bisherigen Lieferungen aus Russland vollständig ersetzen können. Der beste Weg, schnell unabhängig zu werden, sind Energieeinsparungen.
Das heißt, die Bürger sollen sich lieber zu Hause wärmer anziehen, anstatt die Heizung anzudrehen?
Das muss jeder selbst entscheiden. Ich werde niemandem ein schlechtes Gewissen einreden, der die Heizung anmacht, wenn es kalt wird. Ich sage aber auch: Es ist eine staatsbürgerliche Pflicht, dass alle ihren Beitrag leisten. Wenn es jeder Haushalt schaffen würde, 20 Prozent weniger Energie zu verbrauchen, wären wir schon einen großen Schritt weiter.
Wäre es nicht viel effektiver, die energieintensive Industrie in die Pflicht zu nehmen?Tatsächlich liefert die Wirtschaft ihren Beitrag. In den Betrieben ist eine Reduktion des Energieverbrauchs aber oft an eine Rückgang bei der Produktion gebunden. Das dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren.
Zuversicht beim Kohleausstieg
Zur Versorgungsicherheit trägt auch die Kohle bei. Ist ein Kohleausstieg 2030 überhaupt noch realistisch? Da bin ich zuversichtlich. Natürlich stellt uns die Energiekrise vor enorme Herausforderungen, weil wir jetzt mehr fossile Energie benötigen als wir vor dem Krieg in der Ukraine angenommen haben. Deswegen werden wir jetzt alle Kraft in den Ausbau der erneuerbaren Energien setzen. Hier bringt die erleichterte Flächensicherung für die Windenergie hohes Tempo in die Planung, die bislang viel zu lange dauert.
Bislang war der Vogelschutz vielerorts ein Hemmschuh für den Ausbau der Windkraft. Jetzt nehmen die Grünen für die Planungsbeschleunigung auch Abstriche beim Artenschutz in Kauf.Die Auswirkungen des Klimawandels sind dramatisch. Das müssen wir mitbedenken, wenn wir die politischen Ziele gegeneinander abwägen. Der Rotmilan, der vereinzelt durch Windräder gefährdet werden kann, ist zum Beispiel keine bedrohte Art.
Klimaaktivisten verlangen, dass die Ortschaft Lützerath im Abbaugebiet Garzweiler erhalten bleibt. Sie verhandeln darüber mit RWE. Wie ist der Stand?Unser Ziel ist klar: Die schwarz-grüne Landesregierung hat sich politisch darauf verständigt, das Kapitel Braunkohle für Nordrhein-Westfalen noch dieses Jahrzehnt endgültig zu beenden. Mit dem Kohleausstieg bis 2030 können wir so alle Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts erhalten. Zudem wollen wir den Verlust an wertvollen landwirtschaftlichen Flächen durch die Tagebauführung so gering wie möglich halten. Die Böden im Rheinischen Revier gehören zu den wertvollsten in Europa. In den Gesprächen der Landesregierung mit RWE, die in diesem Herbst stattfinden, ist die Nutzung der aktuellen Tagebauflächen und sind die damit verbundenen Eingriffe selbstverständlich Thema. Finale Entscheidungen über die künftige Tagebauführung im Rheinischen Revier gibt es aber bisher nicht.
Das hört sich nicht nach einer Bestandsgarantie an. Wäre der Flächenverbrauch größer, wenn Lützerath erhalten bliebe?Das wird derzeit geprüft. Der Weg zum Kohleausstieg 2030 ist kein „Wünsch Dir was“. Durch den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine sind wir derzeit auch auf fossile Energien angewiesen. Sie können mir glauben, dass es einer grünen Wirtschaftsministerin keinen Spaß macht, bereits abgeschaltete Kohlekraftwerke wieder ans Netz zu nehmen.
Klimaaktivisten haben die Parteizentralen der Grünen in Düsseldorf und Köln besetzt, um gegen die Energiepolitik von Schwarz-Grün zu protestieren. Entfremden sich die Grünen als Regierungspartei von ihrer Basis?Moment. Die grüne Basis, das sind unsere Parteimitglieder. Die Besetzer waren aber ja ganz offensichtlich nicht Mitglieder der Grünen. Die Klimaschutzbewegung ist vielfältig und sie schafft mit ihren Protesten eine große Aufmerksamkeit für unsere gemeinsamen Ziele. Das finde ich gut, solange die Aktionen friedlich bleiben. Klar ist, dass unsere Rollen unterschiedlich sind. Als Regierungspartei müssen die Grünen den Interessenausgleich moderieren und am Ende Entscheidungen treffen.
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