Köln – „Es muss jetzt endlich was passieren, es wurde schon viel zu viel Zeit verschwendet“, sagt Guido Köhler von der Bürgerinitiative „Zukunft Neumarkt“. Es sei doch längst klar, dass „die Innenstadt sonst kippt“, dass die Verwahrlosung etwa durch die Trinker- und Drogenszene immer mehr zunehme, ohne dass die Stadtverwaltung entsprechend gegensteuere. „Wie kann es denn beispielsweise sein, dass vor fünf Jahren beschlossen wurde, einen Drogenkonsumraum am Neumarkt einzurichten, und bis heute wurde noch nicht einmal mit den Bauarbeiten begonnen?“, sagt Köhler und schüttelt den Kopf.
Und dafür, dass auch die Interessen der Anwohner und Geschäftsleute gehört werden, soll zukünftig ein Zusammenschluss von Bürgerinitiativen und Interessensgemeinschaften aus der Innenstadt sorgen. Waren es im September noch elf, haben sich mittlerweile schon 14 Initiativen verbündet.
Situation an der Zülpicher Straße beschäftigt das Bündnis
Von Deutz über die Südstadt, den Neumarkt oder den Alter Markt sowie das Mauritiusviertel und das „Kwartier Latäng“ sind nahezu alle Bereiche der City vertreten. Mit Menschen, die teilweise seit Jahrzehnten dort leben oder arbeiten. Die sich auskennen mit den Schwierigkeiten vor Ort. „Vernünftige Leute, weit entfernt von Wutbürgern“, wie Innenstadtbürgermeister Andreas Hupke (Grüne) es sagt.
Auf der Agenda des Bündnisses stehen zahlreiche Themen wie die Kölner Stadtplanung oder die so genannten „Partypeople“, etwa auf der Zülpicher Straße. Obdachlose und Drogenabhängige sind nur ein erster Punkt, bei dem das Bündnis sich einbringen will. Beim dritten Treffen in der vergangenen Woche wurden deshalb noch neun Kölner Sozialverbände wie die Drogenhilfe, die Diakonie Michaelshoven oder das „Kölner Arbeitslosen Zentrum“ (Kalz) eingeladen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
„Einzeln haben wir bisher meist die Erfahrung gemacht, bei Politik und Stadtverwaltung nicht ausreichend Gehör zu finden“, sagt Köhler, einer der Sprecher des Zusammenschlusses. „Gemeinsam aber sind wird nicht mehr zu überhören“, hofft Burkhard Wennemar, Vorsitzender des „Bürgervereins Kölner Eigelstein“, ein zweiter Sprecher.
Stadtdirektorin kam zum Treffen
Und die Botschaft scheint in der Stadtverwaltung angekommen zu sein. Nachdem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ im September über die konstituierende Sitzung des neuen Bündnisses berichtet hat, habe sich Stadtdirektorin Andrea Blome gemeldet, erzählt Wennemar. Gerne würde sie sich den Initiativen einmal vorstellen, über eine gemeinsame Vorgehensweise nachdenken, habe Blome gesagt. „Deshalb haben wir sie beim letzten Treffen noch zusätzlich zu den Sozialverbänden an den Tisch geholt“, so der Bündnissprecher.
Der Termin sei ein Erfolg gewesen. Die Dezernentin habe angeboten, unter ihrer Federführung ein Projekt einzurichten, in dem dann dezernatsübergreifend beispielsweise an dem Thema Verwahrlosung gearbeitet werde. Könnte das nicht ein Versuch sein, das Bündnis zu vereinnahmen? „Nein“, sagt Wennemar: „Wir brauchen Ansprechpartner in der Stadt, damit wir uns nicht im Gewirr der Zuständigkeiten und Behörden verzetteln und aufreiben.“
Als Ehrenamtler hätten die meisten Beteiligten zudem noch einen Vollzeitjob. „Letztendlich dann die Konzepte zu schreiben und deren Umsetzung zu planen, das müssen dann schon die städtischen Mitarbeitenden machen, das ist deren Job.“ Das Bündnis wolle dafür dann die nötigen Impulse und Vorschläge erarbeiten, ergänzt Guido Köhler vom Neumarkt.
Mehr Hinsehen vom Sozialdezernat gefordert
Der vertiefte Kontakt zur Stadtdirektorin soll also dabei helfen, die Stadtverwaltung mit Nachdruck „zum Jagen zu tragen“? So könne man das nicht sagen, sagt Köhler und lacht. „Aus meiner Sicht aber fehlt es, etwa im Sozialdezernat, oft am Willen und der Energie, die Dinge voranzubringen.“ Man müsse Ideen halt auch mal ausprobieren. „Mir stellt sich beispielsweise die Frage, warum ein Obdachloser nicht in einer städtischen Einrichtung übernachten darf, wenn er Alkohol getrunken hat.“
Das sei „doch vollkommen lebensfremd“, so der Bündnissprecher: „Oder warum dürfen Suchtkranke in einem medizinischen überwachten Bereich der Schlafheime keine Drogen konsumieren?“ Und wenn es einiger Änderungen bedürfe, um die Vorschläge auszuprobieren, etwa räumlicher oder personeller Art: „Dann müssen die Dinge zügig angeschaut und entschieden werden – anstatt ständig zu sagen, was alles nicht geht.“
Stadtdirektorin lädt zum Workshop ein
Denn natürlich werden es beispielsweise immer Obdachlose in der Innenstadt geben, ergänzt Burkhard Wennemar. „Die Menschen sollen doch nicht vertrieben werden.“ Die Auswüchse seien es, die es zu verhindern gelte. „Dass keiner mehr seine Notdurft in unseren Hauseingängen verrichtet, dass niemand mehr vollkommen betrunken auf dem Gehweg liegt oder Anwohner angepöbelt werden.“
Und was sagt die Stadtdirektorin zu alledem? Sie freue sich über das bürgerschaftliche Engagement. „Ich habe daher im Namen der Verwaltung alle Akteurinnen und Akteure zu einem moderierten Workshop Anfang 2022 eingeladen, der den Auftakt für eine noch bessere Zusammenarbeit legen wird“, so Blome.