Ralph Morgenstern kritisiert im Interview die Stadt Köln und spricht über die Rollen, die ihm als schwuler Schauspieler verwehrt bleiben.
InterviewRalph Morgenstern blickt auf Kulturgeschichte Kölns und Anfänge des CSD zurück
Schauspieler Ralph Morgenstern (67) wirkte Jahrzehnte lang in und außerhalb von Kölns kulturellen Institutionen. Und prägte die queere Szene der Stadt und deutschlandweit als schwule Ikone. Morgenstern war Sänger der Elektro-Pop-Band Gina X Performance, begann seine TV-Karriere bei RTL in der Moderation der „Filmdosenshow“ zusammen mit Hella von Sinnen und Dada Stievermann. Vor elf Jahren zog er nach Berlin. Jetzt ist Morgenstern wieder in der Stadt, für die Operette „Die lustige Witwe“. Wir haben ihn im Café Fromme in der Breite Straße auf ein Stück Eierlikörtorte getroffen.
Herr Morgenstern, Sie haben fast 40 Jahre in Köln gelebt und die Kulturszene stark geprägt. Wie hat sie sich über die Zeit verändert?
Ralph Morgenstern: Weil Köln im Zweiten Weltkrieg komplett ausgebombt wurde, hat man in den 50er und 60er Jahren viel neuen Wohnraum hochgezogen. Dadurch sind in den 60er und 70er Jahren so viele junge Leute hier kleben geblieben. Auch ich bin früh hierhin, weil in Köln einfach der Bär steppte. Köln war eine total preiswerte Stadt zum Leben! Hier konnte man kreativ arbeiten und die Stadt lag für die Bundesrepublik sehr zentral, Berlin war im Osten ganz weit weg. In den 80ern war Köln wirklich eine Weltstadt. Das hat sie leider nicht halten können.
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Sie haben Köln vor elf Jahren für Berlin verlassen. Was hat sich geändert?
Köln ist so teuer. Und ich frage mich immer, wieso? Es ist wesentlich preiswerter, in Charlottenburg zu wohnen, als in Köln. In Berlin sind die Gehälter auch niedrig, ich habe aber in Berlin trotzdem wesentlich mehr Möglichkeiten.
Sie meinen, weil Mieten teuer sind, schwindet die kreative Szene?
Ja natürlich! Die Ehrenstraße hatte die ganzen Kostümdesigner der Oper und in der Gertrudenstraße gab es Boutiquen mit selbstgenähten Sachen. Das würde heute viel zu viel kosten. Die jungen Leute wohnen nicht mehr in der Innenstadt. Aber es waren immer die Kölner, die Köln so lebenswert gemacht haben.
Nach 22 Jahren haben Sie wieder ein Engagement an der Kölner Oper. Heißt das, Sie kommen zurück?
Für drei Monate, ja. Ich bin gar nicht in der Oper, sondern im Staatenhaus. Das ist für mich keine Oper, das ist eine Messehalle. Köln hat versäumt, die Infrastruktur zu modernisieren. Die rechte Rheinseite ist mittlerweile auch verkehrstechnisch viel interessanter. Die Linke ist einfach sehr eng, aber Städte wie Berlin zum Beispiel kriegen das doch auch hin. Da fährt die Straßenbahn alle drei Minuten. Berlin ist größer, aber viel besser erschlossen. Diese Teilung in die Schäl Sick und die „richtige“ Seite, die sich Köln so patriotisch und ideell leistet, ist ein Luxus, der nicht mehr geht. Köln muss richtig zusammen wachsen.
Sie haben in Köln auch die LGBTQI-Bewegung geprägt. Wie haben Sie die Entwicklung dieser Szene erlebt?
In Köln hat die Homosexuellen-Szene an sich, sei es die weibliche oder männliche, immer gut zusammengearbeitet, gerade weil Köln so klein ist. Stonewall Riot in New York war 1969, danach haben sich Selbsthilfegruppen in Deutschland als Erstes in Köln gegründet. Und es gab nicht so viele Splittergruppen wie in Berlin. Hier musste man zusammenhalten, um Sachen durchzudrücken und das war ein sehr guter Ausgangspunkt, weshalb die Gay Liberation Front in Köln so erfolgreich war. Dann habe ich angefangen zusammen mit Andreas Geier das Straßenfest zu moderieren – von einer Demo mit 300 Leuten haben wir es zu einer Million innerhalb von zehn Jahren geschafft.
Aus ebendiesem Gay Freedom Day wurde in Köln der Christopher Street Day. In welcher Stadt verbringen Sie den CSD heute lieber?
Das kann ich gar nicht sagen. Der CSD in Berlin ist einfach politischer, weil die einzelnen Vereine sehr politisch ausgerichtet sind. In Köln ist uns ja vorgeworfen worden – teilweise mit Recht –, dass wir nicht genug über den Hintergrund unterrichtet haben. Viele homosexuelle Frauen und Männer verkleiden sich im Zuge der Geschlechterfindung, aber es ist nicht immer möglich so herumzulaufen, wie man sich eigentlich fühlt. Außer beim CSD. Doch dann sprach man vom zweiten Rosenmontagszug. Das ist die falsche Botschaft. Wir mussten das reparieren und klar sagen: Das hier ist eine Demo und dessen müsst ihr euch bewusst sein, wenn ihr mitlauft.
Wie wirkt sich die nach unserem Erleben wachsende queere Gemeinschaft auf die Institutionen der Kultur aus?
LGBT war ja im Geheimen immer sehr vertreten in kulturellen Berufen. Die Schwulen galten als dankbare Angestellte, die Arbeitgeber als relativ tolerant. Aber ich weiß, dass heute mehr Leute als in den 70er Jahren Angst haben, sich zu outen. Deutschland ist weniger tolerant geworden. Ich spüre viel mehr Ablehnung.
Das spielt sich alles hinter den Kulissen ab. Wie steht es um die Repräsentation in Film-, Fernsehen- und Theaterrollen?
Das ist genau wie mit der Frauenquote. Sobald die Quote da ist, funktioniert’s, wenn sie nicht da ist, funktioniert es nicht. Ich fände eine Quote gut. Mit schwulen Hauptrollen ist das immer so eine Sache, die werden gerade in Hollywood den Heterosexuellen gegeben, die dafür einen Oscar kriegen. Das ist auch in Ordnung, wenn es glaubwürdig ist – ich spiele ja auch Frauen. Als schwuler Mann wird mir aber nur der schwule Friseur oder ähnliche Rollen als Nebenfigur angeboten. Darauf habe ich keine Lust. Es liegt am Regisseur oder Produzenten, klassische Rollen aufzubrechen.