Rolly Brings hat als einer der ersten Kölner Musik die NS-Vergangenheit in Köln aufgearbeitet. Als Lehrer versuchte er, Schülern den Wert des Grundgesetzes nahezubringen. Ein Protokoll
Rolly Brings zu Rechtsextremismus„Damals war ich so blauäugig zu denken: Irgendwann wird das alles Geschichte sein“
Ich bin in einem Elternhaus groß geworden, in dem es selbstverständlich war, dass Menschen mit vielen verschiedenen Meinungen in Frieden miteinander lebten. Mit den Jahren wurde mir aber klar, dass nicht alle Menschen in dieser Stadt so dachten. Dass es durchaus Kräfte gab, die dem im Krieg, Schutt, Terror und Blut untergegangenen Dritten Reich nachtrauerten. Unter meinen Lehrern fand sich kaum jemand, der mir die Demokratie ans Herz gelegt hat. Im Gegenteil: Eher haben sie von der Kameradschaft der Wehrmacht in Russland geschwärmt.
Dann wurde ich selbst Lehrer und hatte eine große Verantwortung: Ich wollte den Jugendlichen in meinen Klassen und Kursen die Vorzüge unseres Grundgesetzes erklären. Dazu lud ich oft Menschen ein, die im Dritten Reich im Widerstand waren und das Glück hatten zu überleben: Menschen, die in KZs eingesperrt waren oder frühere Mitglieder der Edelweißpiraten, einer Widerstandsgruppe von Jugendlichen im Dritten Reich.
Brings: „Demokratie ist wunderbar und schwierig“
Warum? Die Demokratie schützt man am besten, indem man sie jungen Menschen vorlebt. Indem man sie merken lässt, dass Demokratie etwas Wunderbares ist, aber auch etwas Schwieriges. Etwas, das Tag für Tag neu gelebt und geschützt werden muss. Deshalb muss sie immer Gesprächsgegenstand sein – in der Familie, im Verein, auf dem Lehrplan, in der Klasse.
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Als ich vor 43 Jahren mit meinen öffentlichen Auftritten begann, sang ich gegen das Vergessen – und über den antifaschistischen Widerstand. Unsere schöne Stadt Köln wurde viel besungen, aber die dunkle NS-Vergangenheit wurde oft verschwiegen, unter den Teppich gekehrt. Durch meine Lieder erreichte ich eine eigenartige Nischenposition in der Kölner Musikszene. Rolly Brings war derjenige, der über die Verfolgung, Verschleppung und Ermordung der Juden, Kommunisten, Sozialisten, aufrechten Christen, Sinti und Roma, Zwangsarbeiter und queeren Menschen sang; über Soldaten, die aus Russland ins zerbombte Köln zurückkehrten und plötzlich merkten, dass sie den falschen Herren gedient hatten.
„Die Massendemonstrationen haben mich sehr ermutigt“
Damals war ich noch so blauäugig, zu denken: Irgendwann wird das alles Geschichte sein. Aber heute, 40 Jahre später, sind diese Themen leider so aktuell wie nie zuvor. Der braune Geist ist nie aus unserer Gesellschaft verschwunden, er hatte geschwiegen, er hatte sich an die Stammtische zurückgezogen. Aber seit zehn, 15 Jahren ist dieser uralte, hasserfüllte Naziton wieder öffentlich vernehmbar. Wir können ihn sogar in unseren Parlamenten hören.
Dieses verdammte Potsdamer Treffen, diese verbrecherische Naziversammlung, die wieder laut darüber nachdachte, wie man Menschen mit Migrationsgeschichte aus unserem Land vertreiben kann, weckt Erinnerungen. Die Fehler, die am Ende der Weimarer Republik gemacht wurden, dürfen nie wiederholt werden. Egal, welche Art von Demokratie man jetzt repräsentiert, ob man christlich-konservativ, sozialistisch, grün oder liberal ist: Wir müssen zusammenhalten und den Hauptfeind bekämpfen. Der heißt AfD. Eine Demokratie, die nichts gegen den offensichtlichen Feind unternimmt, gleicht für mich einer Selbstmörderin.
Die Massendemonstrationen haben mich sehr ermutigt. An dem Dienstagabend, an dem die Demonstrationen in Köln begannen, bin ich mit meinem Fahrrad auf den Heumarkt gefahren und war im Nu von 30.000 meist jungen Menschen umgeben, die alle friedlich demonstrierten. Studenten, Schüler – ich fand das herrlich. Es war einfach ein wunderbares Gefühl. Wir sind alle Bürger eines Landes, das eigentlich wunderbar wäre – wenn nur nicht wieder dieser Hass gesät und aufgehen würde.
Zur Person: Rolly Brings ist ein Kölner Musiker und Lehrer. Für sein zivilgesellschaftliches Engagement wurde er 2022 mit dem Karl-Küpper-Preis ausgezeichnet, 2023 durfte er sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen.