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Kölner SPDIntrigen, Skandale, Selbstzerfleischung – Gekämpft wird mit allen Mitteln

Lesezeit 5 Minuten

SPD-Fraktionschef Christian Joisten.

  1. In der Diskussion um den Kölner Haushalt war die SPD merklich ruhig.
  2. Die Sozialdemokraten halten sich stattdessen mit Personalfragen auf.
  3. Andere nutzten das zur eigenen Profilierung.

Köln – Wenn Parlamente Finanzpläne beraten, ist das in der Regel die große Zeit der Opposition. Nun sind kommunale Räte keine Parlamente im eigentlichen Sinne, und Regierungen gibt es auch keine. Und doch hat man erwartet, dass sich die größte Partei im Kölner Stadtrat in den vergangenen Tagen lauter zu Wort gemeldet hätte. Doch es herrschte weitgehend Funkstille. Die SPD überließ die Oppositionsrolle der Linken im Stadtrat.Statt SPD-Fraktionschef Christian Joisten nutzte Linken-Fraktionschef Jörg Detjen die Traumvorlage der Stadtspitze mit ihren Pannen und Kommunikationsprobleme zur eigenen Profilierung. Joisten meldete sich erst am Freitag im Finanzausschuss zu Wort.

Parteiinterne Kritiker sagen, er sei schwer angeschlagen und offensichtlich überfordert. Seine Vertrauten sehen die Sache freilich anders: Alles, was die Gegner finden können, werde dem Fraktionschef um die Ohren geschlagen, um ihn zu beschädigen. Das kostet Zeit und Kraft. Joisten selbst sagt: „Was zur Zeit in der SPD passiert, ist nicht vergnügungssteuerpflichtig.“ Er sei in die Politik gegangen, um Dinge zu verändern. „Ich möchte meine Kraft auf Sachthemen und nicht auf Personalfragen und interne Vorgänge konzentrieren.“

Börschels Wünsche gehen nicht durch

Es tobt ein Machtkampf in der Partei, bei dem es nicht um Inhalte, sondern um Posten, Pöstchen und Einfluss geht. Seit das lange Zeit so mächtige Gespann von Martin Börschel an der Fraktions- und Jochen Ott an der Parteispitze seine Posten geräumt hat, findet die SPD nicht mehr zur Geschlossenheit. Daran sind Börschel und Ott nicht ganz unbeteiligt. „Beide sind in ihren Netzwerken auf unterschiedliche Weise aktiv“, sagt ein führendes Parteimitglied.

Alles zum Thema Jochen Ott

Die beiden Landtagsabgeordneten hatten sich ein Personalpaket für die Zeit nach ihrem Abgang ausgedacht. Sowohl an der Partei- wie an der Fraktionsspitze lief es aber nicht so, wie von ihnen gewünscht. Ott setzte zwar seine Wunschkandidatin Christiane Jäger als Nachfolgerin durch, musste aber die Landtagsabgeordnete Susanna Dos Santos in einflussreicher Position akzeptieren. Dos Santos gehörte zu den schärfsten parteiinternen Kritikern von Börschel aber auch Ott nach der Stadtwerke-Affäre.

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Konnte Ott noch den Großteil seines Personalpakets durchsetzen, blieb von Börschels Wunschvorstellungen in der Fraktion ziemlich wenig übrig. Dort wurde Christian Joisten der Chef. Die unterlegene Gruppe scheint bis heute nicht bereit, die Niederlage zu akzeptieren. Gekämpft wird mit allen Mitteln. Für Kölner Medien war es noch nie so einfach, einen Einblick in die Führung einer Partei zu bekommen wie zur Zeit. Komplette interne Mailverkehre werden öffentlich. In einigen spiegelt sich tiefe Verachtung.

Joisten ist seit etwas über einem Jahr im Amt, die Fußstapfen seines Vorgängers sind riesig. Er ist kein Berufspolitiker. Seinen Job mit den Anforderungen als Fraktionschef in einer Millionenstadt zeitlich unter einen Hut zu bringen, breitet ihm Schwierigkeiten. Jeder Fehler – auch die, die man vielleicht mit diesen Umstände erklären könnte – werden von seinen Kritikern gnadenlos ausgenutzt. Joisten streitet mit der Stadt über den Verdienstausfall, der seinem Arbeitgeber zu zahlen ist. Für ihn ist das eine „Privatsache“ und ein „Verwaltungsakt“. Den politischen Sprengstoff hat er im Gegensatz zu seinen Gegnern nicht gesehen. Die sorgten dafür, dass der Streit bekannt wurde. Beinschüsse gegen den Chef werden mittlerweile öffentlich gefeiert.

Christiane Jäger.

Auch in der Frage, wie man mit dem Vergewaltigungsvorwurf gegen einen Kollegen umgehen sollte, ist Joisten in der Defensive. Sollte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellen, wird man ihm eine Vorverurteilung vorwerfen.

Abstimmungen in Wahlkreisen über Nominierungen von Kommunalwahlkandidaten werden zu Machtkämpfen auf höchster Ebene erklärt. Drei erfahrene Ratsmitglieder haben bereits Niederlagen einstecken müssen, zwei weitere müssen zittern. Mancher in der Partei sagt, dass Joisten und Susanna Dos Santos die Fraktion nach ihren Wünschen umpflügen wollen. Joisten sagt, das sei „ausgemachter Unsinn“. Trotzdem haben ihm alle drei Stellvertreter in der Fraktion vorläufig die Solidarität aufgekündigt. Er hätte sich mehr für die Kollegen in den Wahlkreisen einsetzen müssen, meinen sie.

Joistens Gegner vereinnahmen Jäger

Der Streit hat auch die neue Parteichefin Christiane Jäger in eine schwierige Lage gebracht. Joistens Gegner vereinnahmen sie als Verbündete. Das Misstrauen auf beiden Seiten ist groß. Jäger hat vor allem Joistens Entscheidung geärgert, den Streit um den Verdienstausfall nicht transparent zu kommunizieren. Sie sagt, dass er sie informieren und einbeziehen musste. Es sei „nachhaltig Vertrauen in die Zusammenarbeit zerstört worden“, heißt es in einer der durchgestochenen internen Mails.

Joisten musste sich mittlerweile in einer großen Runde mit dem Führungspersonal der Partei erklären. Jäger hatte ein Vier-Augengespräch abgelehnt. „Die Dimensionen dieses Themas“ seien so „nicht mehr zu klären“. Es wurde eine zweite Gesprächsrunde verabredet. „Ich nehme die Kritik ernst“, sagt Joisten. Er wolle jetzt aber gemeinsam mit Jäger an dem Ziel arbeiten, dass die Kölner SPD auch 2020 wieder stärkste Kraft in der Stadt wird.

An die Fraktionsmitglieder hat er einen „Offenen Brief“ geschrieben, in dem er alle auffordert „an einem Strang zu ziehen“ und sich „ausschließlich auf das zu konzentrieren, wofür wir gewählt wurden. Lasst uns die internen Grabenkämpfe beenden.“ Vor dem versöhnlichen Appell findet er deutliche Worte der Kritik an seinen Gegnern. Er spricht von „Intrigen“, einer unverhältnismäßigen Skandalisierungen und von „Selbstzerfleischung“ mit „enormen Kollateralschäden“. Jede Intrige sei Schützenhilfe für den politischen Gegner. So befördere man auch „das Erstarken rechter undemokratischer Kräfte“.

„Menschen wählen sozialdemokratisch, weil ihnen das Miteinander in der Gesellschaft wichtig ist.“ Das müsse man vorleben. Wie das aussehen kann, wollten Joisten und Jäger beim Start einer SPD-Kampagne für gutes und bezahlbares Wohnen auf dem Heumarkt deutlich machen. Gemeinsam warben sie für eine andere Wohnungspolitik und ein 500-Millionen-Euro-Förderprogramm. Gemeinsam beteuern sie, dass es ihnen um die Sache gehe. Joisten will weitermachen. Seinen Kritikern, die hoffen, dass er aufgeben könnte, erteilt er eine Absage.