Ein Kontrollsystem soll ausgezahlte Überstunden in der Kölner Verwaltung verhindern. Doch die Zahl steigt deutlich.
Mehrere hunderttausend StundenZahl der ausgezahlten Überstunden bei der Stadt Köln steigt deutlich
Die Zahl der ausgezahlten Überstunden in der Kölner Stadtverwaltung ist deutlich angestiegen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sind im vergangenen Jahr insgesamt 345.138 Überstunden bezahlt worden. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von rund zwölf Prozent, 2021 waren es noch 308.722 Überstunden. Mit 148.924 Überstunden fällt ein großer Teil auf die Feuerwehr zurück. Hier werden Überstunden besonders häufig ausgezahlt, weil bei einem Freizeitausgleich unbesetzte Dienste drohen würden.
Bemerkenswert ist der Anstieg vor allem, weil Stadt und Politik infolge einer Affäre um mutmaßlich illegal ausgezahlte Überstunden schärfere Regelungen für die Auszahlung festgelegt und umgesetzt haben. Grundsätzlich sind Beamte verpflichtet, bis zu fünf Überstunden pro Monat ohne Entschädigung zu leisten. Alles darüber hinaus muss vom Vorgesetzten schriftlich angeordnet werden.
Eine weitere Voraussetzung: Die Mehrarbeit muss „vorübergehender Natur“ sein und darf nicht mehr als 480 Stunden pro Jahr betragen. Grundsätzlich soll es dann einen Freizeitausgleich geben, keine Auszahlung. Bei der Umsetzung dieser Regeln stellte das Rechnungsprüfungsamt „erhebliche Mängel“ fest. Die Auszahlung von Überstunden hatte offenbar rechtswidrige Ausmaße angenommen.
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Stadt Köln: „Überstunden vorrangig durch Freizeit auszugleichen“
Es folgte eine Neufassung der Richtlinie zur Anordnung von Über- und Mehrarbeitsstunden. „Das neue Regelwerk verdeutlicht die dezentrale Verantwortung der Dienststellen bei der Anordnung und Genehmigung von Über- und Mehrarbeitsstunden. Zudem schafft die Richtlinie Klarheit, dass Über- und Mehrarbeitsstunden vorrangig durch Freizeit auszugleichen sind und nur unter den in der Richtlinie beschriebenen Bedingungen ausbezahlt werden dürfen“, heißt es in einem aktuellen Schreiben aus dem Dezernat von Stadtdirektorin Andrea Blome.
Weiter heißt es, das zentrale Kontrollsystem, das die Stadt zur Einhaltung der Richtlinie eingeführt hat, habe sich als sehr wirksam erwiesen. Seit Inkrafttreten der neuen Richtlinie im Mai 2021 sei das Personalmanagement vor der Anordnung von mehr als 80 Über- und Mehrarbeitsstunden pro Monat und Dienststelle zwingend einzubinden. Bei fast der Hälfte dieser Fälle habe man eine Auszahlung der Überstunden vermeiden können. Eine Entwicklung, die auch im Sinne der Gewerkschaften ist, die den Freizeitausgleich einer Auszahlung vorziehen.
Viele ausgezahlte Überstunden konnte die Stadt mithilfe des neuen Kontrollsystems also vermeiden. „Das zentrale Kontrollsystem und das Beratungs- und Schulungsangebotes sollen daher langfristig fortgesetzt werden“, heißt es in dem Schreiben. Vor diesem Hintergrund ist der Anstieg selbiger umso erstaunlicher. Die Zahl der insgesamt geleisteten Überstunden ist demnach massiv angestiegen. Zu den mit Freizeit ausgeglichenen Überstunden liegen bislang keine Zahlen vor.
Köln: Deutlich mehr Überstunden in Ordnungsamt und Gesundheitsamt
Am höchsten fällt der Anstieg beim Ordnungsamt aus. Mit rund 17.150 mehr ausgezahlten Überstunden als im Vorjahr stieg die Zahl für das Jahr 2022 auf 43.502. Ein Plus von 65 Prozent, im Durchschnitt haben die Angestellten dort 48 Überstunden absolviert. Ein Phänomen, das maßgeblich mit dem Auslaufen der Corona-Pandemie zu erklären ist. „Die Steigerung basiert maßgeblich auf der Tatsache, dass aufgrund der auslaufenden Pandemielage in ganz verstärktem Maß wieder Veranstaltungen, Fußballspiele und auch Evakuierungen stattfanden. Im Vergleich zum Vorjahr waren wieder zahlreiche Sondereinsätze notwendig“, heißt es in dem Schreiben.
Auch im Gesundheitsamt ist ein deutlicher Anstieg um 31 Prozent erkennbar – trotz einer niedrigeren Corona-Belastung. Als Gründe werden unter anderem die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine und die zwischenzeitliche Ausbreitung der Affenpocken genannt. Einen Anstieg verzeichnet die Stadt auch in allen neun Bürgerämtern, teils erheblich. Im Bürgeramt Nippes haben Mitarbeiter im Durchschnitt 125 Überstunden ausgezahlt bekommen. Rückläufig sind die Trends in den Ämtern für Verkehrsmanagement und für Grünflächen.
Kölner Stadtverwaltung: Insgesamt 2500 unbesetzte Stellen
Sie sind ein Indiz dafür, dass sich der Personalmangel in der Verwaltung deutlich auf den laufenden Betrieb auswirkt – und dass sich das Problem verschärft. Laut Personalbericht aus dem Jahr 2021 scheidet rund ein Viertel der 22.000 Beschäftigten in den nächsten zehn Jahren aus Altersgründen aus. Vor allem Ingenieure, Techniker, Erzieher, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Fachärzte, Handwerker und IT-Fachleute fehlen, 2500 Stellen sind vakant.
Ob die neuen Zahlen mit Blick auf das Ziel, möglichst wenige Überstunden auszuzahlen, ein Rückschlag sind? Ob sich die Personalkrise an ihnen ablesen lässt? Auf Anfrage äußerte sich Blome mit der Begründung, die Zahlen seien bislang nicht öffentlich, nicht zu diesen Fragen.
Im Stadtrat zeigt sich manch einer verwundert über die neuen Zahlen. „Die Verwaltung rühmt sich mit ihrem Kontrollsystem, die Überstunden werden trotzdem mehr. Das passt nicht zusammen“, sagt ein Mitglied des Gremiums. Beides passe nicht zusammen. Ein anderes merkt an, dass die Verwaltung durch die Vermeidung ausgezahlter Überstunden weniger flexibel werde.