Das Alinde Quartett widmet sich gemeinsam mit Pianist Dmitry Ablogin den Quintetten von Schumann und Schnittke.
Alinde Quartett und Dmitry Ablogin in der PhilharmonieSchubert mit all seinen Aufbrüchen und Abstürzen

Das Alinde-Quartett: Eugenia Ottaviano, Guglielmo Dandolo Marchesi, Gregor Hrabar, Bartolomeo Dandolo Marchesi
Copyright: Davide Cerati
Klar, Schubert muss sein bei dieser Formation. Das Alinde Quartett, in dieser Saison „KölnMusik-Porträtkünstler“, hat sich nicht nur nach dem Titel eines Schubert-Liedes benannt (was für sich genommen Programm sein dürfte), sondern erarbeitet auch bis zum Schubert-Jahr 2028 eine hochambitionierte, weil stets die Fäden zum Gegenwartskomponieren hin spinnende, Gesamtaufnahme der Streichquartette des Wieners. Diesmal ging es beim Kammermusikabend in der Philharmonie los mit dem c-Moll-Quartettsatz von 1820, dem einzig vollendeten Stück aus einem Fragment gebliebenen Werk. Sicher, die Romantik war die Epoche des Fragments als Kunstform, trotzdem wirkt die Musik in hohem Maße vollendet. Und der ganze spätere Schubert ist hier schon „da“, mit seinen Aufbrüchen und Abstürzen, mit den gefährdeten Idyllen, der suggestiven Kantabilität am Rand der Verzweiflung.
Alinde-Quartett betonte Schuberts gefährdete Idyllen
Ein tiefes Wissen um diese Dramaturgie scheint die Musiker zu beseelen und anzutreiben. Ziemlich schnell nach dem düsteren Beginn erklingt das sonore Seitenthema, das die Primaria Eugenia Ottaviano allerdings so spielte, als traute sie dem plötzlichen Frieden nicht: Man könnte die schwärmerische Melodie ganz anders „auffahren“, bei ihr indes kam sie zögernd und verhalten, mit dynamischer Abbremsung ausgerechnet auf den emphatischen Schwerpunkttönen der Phrase. So richtig auf irdisch-himmlischen Frieden schien dann tatsächlich erst die ausschwingende Schlussgruppe einzuschwenken.
Sicher kann man diesen Schubert härter, unerbittlicher spielen, als es hier geschah. Das ist keine Kritik, sondern die Beschreibung eines individuellen Stils. Die Formation pflegt ein eher rundes, dem instrumentalen Singen verpflichtetes Klangbild, ohne zu harsche Akzente. Der Ensemblesound ist gut integriert und homogenisiert, da knallt niemand heraus – und die Primaria schon gar nicht. Gerade deren Selbstzurücknahme ermöglicht dann doch die angemessene Präsenz ihrer Partner. Und allesamt verfügen sie (gerade auch Bratsche und Cello) über eine großartige, immer wieder einen betörenden Wohlklang verbreitende Spielkultur. Schönheit ist heutzutage meistens eine Utopie – hier wird sie Ereignis.
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Schnittke-Quintett als zerklüftete Landschaft
Zeitlich den Löwenanteil des pausenfreien Programms füllten dann zwei Klavierquintette, zu denen die Alindes den Kölner Klavierprofessor Dmitry Ablogin hinzugebeten hatten. Nein, Schuberts Forellenquintett kam nicht dran, wohl aber zwei Werke im Schatten Schuberts auf dem Weg zur Moderne: Alfred Schnittkes Quintett (1972-76) und dasjenige von Schumann aus dem Jahr 1842. Nur mit Schönheit ist bei dem Schnittke-Stück nichts zu erreichen – was die Künstler selbstredend wissen. Da gibt es fahl-gespenstische Felder einer dissonanten Auflösung, Walzer-Zitate, denen man – auch hier – nicht trauen kann, und hartnäckige Einton-Repetitionen im Klavier, die nach versagendem Herzschlag klingen. Eine zerklüftete Landschaft, die Alinde suggestiv-nachdrücklich erstehen ließ.
Das fabelhafte, auch durch die Rückwärtspositionierung des Flügels nicht beeinträchtigte Zusammenspiel zwischen Ablogin und dem Quartett bewährte sich dann vor allem bei Schumann, dessen frischer, konzertanter Geist in synkopischem Wechselspiel kongenial zur Geltung kam. Allerdings hat auch dieses „positive“ Stück düstere Ecken, etwa den zweiten Satz, einen Trauermarsch, in dem die Musik immer wieder in Pausenlöchern zu verschwinden droht. Diese „Stockungsprinzip“ in seiner störenden Gewalt wurde hier beklemmend realisiert.
Als Zugabe erklang der Mittelsatz aus Mozart schönem Klavierkonzert KV 449. Hier wartete Ablogin freilich – im Solo – in einer Weise mit romantisierend-rhapsodischen Irritationen auf, dass die Orientierung im Metrum fast unmöglich wurde. Dagegen hatte der Schumann schon nahezu „klassisch“ gewirkt.