Köln – Wie aus tiefster Nacht schält sich der fahle Leib des Gekreuzigten. Sein Kopf ist auf die Brust gesunken, sein Gesicht im Schatten verborgen, das Blut seiner Wunden längst getrocknet.
Dieser „Christus des Barmherzigkeit“ – Francisco de Zurbarán hat ihn in den späten 30er Jahren des 17. Jahrhunderts gemalt – lädt nicht zum Mitleiden ein. Er ist ein Objekt mystischer Versenkung. Ein Schemen, das dem Betrachter in 3D entgegen schwebt, als Avatar der Gegenreformation. Jedenfalls, wenn es nicht im zweiten Stockwerk des Wallraf hinge, sondern im Dunkel am Ende eines Klostergangs.
Im damals erbittert geführten Wettstreit zwischen Bildhauerei und Malerei ein klarer Punkt für letztere. Die Kuratorin Anja K. Sevcik hat Zubaráns Gemälde mit zwei Heiligenporträts seines Zeit- und Landesgenossen Jusepe de Riberas flankiert. „Unter die Haut“, die Jahrespräsentation des Kölner Museums, zeigt in wenigen, doch gewichtigen Arbeiten den Naturalismus der spanischen Malerei des Goldenen Zeitalters.
Die Zeit selbst führt den Pinsel
Beseelten Auges schauen nun also Riberas „Hl. Hieronymus“ (1636) und „Hl. Paulus, der Eremit“ (1647) nun zum Heiland hinauf. Auch ihre verbrauchten Körper sind vor dunklem Hintergrund skulptural geformt, als hätte die Zeit selbst den Pinsel geführt. Wie man aus Farbe scheinbar lebendiges Fleisch gewinnt, das hat Ribera vom römischen Barock-Wüterich Caravaggio gelernt, von dem kolportiert wurde, er habe seinen Pigmenten zerriebenes Menschenfleisch beigefügt. Bald galt Jusepe de Ribera, schreibt Sevcik im Katalog zur Ausstellung, als der „Haut-Maler par excellence“.
Zubaráns Jesus mag schon nicht mehr von dieser Welt sein, Riberas Hieronymus dagegen vibriert vor erlittenem Leben, das Porträt soll in nur zwei Tagen entstanden sein. Nicht weniger ausdrucksstark ist sein gut zehn Jahre später entstandener „Hl. Paulus“, doch diesmal ist die Palette des Malers kühler, als wollte er weniger die Inbrunst als die Dauer der selbstauferlegten Askese des ersten christlichen Einsiedlers betonen. Mehr als 60 Jahre soll Paulus von Theben allein in der Wüste verbracht haben.
Aufwendige Restaurierung
Das Gemälde aus der eigenen Sammlung ist der eigentliche Grund für diese Schau, beziehungsweise seine mehrmonatige, aufwendige Restaurierung. Nicht nur der vergilbte Firnis verdarb die Wirkung des Bildes, auch zahlreiche Übermalungen, etwa der blutigen Kratzer und Vernarbungen, die das um den Bauch geschnürte Rutengewand ins Büßerfleisch geritzt hat. Man wollte die Drastik der Darstellung abmildern.
Die Malerei des Siglo de Oro, der künstlerischen Blütezeit Spaniens, war Käufern aus dem Ausland zu düster, zu asketisch, sagt WRM-Direktor Marcus Dekiert. Weshalb kaum ein Museum außerhalb Spaniens eine gute spanische Sammlung besitzt.
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Genau andersherum verhält es sich bei den Genrebildern Bartolomé Estaban Murrillos, eine Generation nach Ribera und Zurbarán geboren. Sie waren schon bei zeitgenössischen Sammlern heiß begehrt, so dass der Prado heute zwar eine stattliche Anzahl Murillos mit religiösen Motiven besitzt, aber kein so entzückendes Genrestück wie „Alte Frau und Junge“ (1650-55).
Im Jahr 1649 hatte die Pest in Sevilla gewütet, die Hälfte der Bevölkerung war tot, die Not groß. Just zu dieser Zeit, heißt es im Katalog, begann Murillo „ärmliche, aber unbekümmerte Kinder mit ansteckendem Lachen auf die Leinwand zu bannen“. Mit spöttelnden Finger zeigt der lachende Bettlerknabe auf dem Kölner Bild auf eine ängstliche Alte, die um ihren Teller Brei fürchtet.
Eine Aufforderung zu postpandemischer Großzügigkeit.
„Unter die Haut. Der ergreifende Naturalismus des spanischen Barock“, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Obenmarspforten, Köln, bis 24. April 2022, Katalog 14 Euro