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Bachs WeihnachtsoratoriumEine Kölner Friedensbotschaft für die nicht ganz Versteinerten

Lesezeit 3 Minuten
Masaaki Suzuki steht am Pult und dirigiert in der Frauenkirche Dresden.

Masaaki Suzuki bei der Arbeit. In der Kölner Philharmonie dirigierte er Bachs Weihnachtsoratorium.

Dem japanischen Bach-Meister Masaaki Suzuki gelang in der Philharmonie die Verschmelzung von Glanz und Innigkeit.

Eine – jahreszeitlich angezeigte – Aufführung des Weihnachtsoratoriums in einer aktuell mal wieder extrem friedlosen Welt. Hat Bach seinerzeit gewusst, dass es mit dem von den Engeln angesichts der Geburt Christi verkündeten Frieden auf Erden tatsächlich nicht weit her ist? Bemerkenswert ist allemal, dass er die einschlägige Textstelle in dem herrlichen Chor gegen Ende der zweiten Kantate in ein Geflecht scharfer Dissonanzen bettet, die sich allerdings auch irgendwie wieder mit Richtung auf eine visionäre Trance wechselseitig aufheben. Jedenfalls scheint es kaum möglich, diese Musik in diesen Tagen gleichmütig lediglich als Kunstereignis hinzunehmen. Wer innerlich nicht völlig versteinert ist, bei dem muss sie eigentlich unabwendbar etwas in Gang setzen.

Solche Gedanken mögen sich auch bei einer Interpretation des Werkes aufdrängen, die – wie jetzt diejenige in der Kölner Philharmonie durch Choir und Orchestra of the Age of Enlightenment unter dem illustren japanischen Bach-Meister Masaaki Suzuki – auf eine plakative Vermittlung von „Botschaften“ und erst recht auf sentimentalisierende Effekte durchaus verzichtete. Die Aussage stellte sich allerdings auch so mit zwingender Intensität her – dank der Vitalität, Präsenz und Präzision in der Darstellung des Textes und der ihr zugeordneten musikalischen Figuren.

Unter den Vokalsolisten überzeugte vor allem der Tenor Guy Cutting

Suzuki pflegt mit seinen makellos agierenden Ensembles einen gut belüfteten Bach-Stil, seine Dreiermetren haben nichts Stampfendes an sich, sondern tendieren immer wieder zum Tanz, genauer: zum Menuett. Weil die Stimmgruppen des Profi-Kammerchores gleichmäßig besetzt sind (jeweils vier Sängerinnen oder Sänger), kommen auch die Unterstimmen gebührend heraus, stellt sich nicht jenes Sopran-Übergewicht von Traditionsaufführungen ein, das das Wunderwerk der Bach‘schen Polyphonie zu ersticken droht.

Suzukis Tempi sind zügig, aber nicht unangemessen sportiv – abgesehen vielleicht von der Arie „Frohe Hirten, eilt, ach eilet“, deren Koloraturen der Tenor Guy Cutting allerdings mit bemerkenswerter Bravour und ohne Anzeichen von Stress absolvierte. Er überzeugte auch als Evangelist durch seine so klangschön wie lapidar-ungekünstelte Mitteilung der Bibelworte. Die Vokalsolisten – außer dem Genannten die Sopranistin Jessica Cale, der Altus Hugh Cutting und der Bariton Florian Störtz – rekrutierten sich allesamt aus dem Chor. Ihre stimmliche Durchsetzungsmacht kam im weiten Rund der Philharmonie zuweilen an ihre Grenzen, aber Stilsicherheit und Gestaltungsintensität vermochten dafür jederzeit zu entschädigen.

Masaakis Bach-Interpretation setzt auch sehr eigene Akzente: Die Pauke im Eingangschor etwa – sie musste sich erst „warmschlagen“, explodierte so richtig erst beim zweiten „Jauchzet“. Solches und andere Einzelaspekte mag man je nach dem als willkürlich oder manieristisch empfinden. Kaum zu bestreiten aber ist, dass die Aufführung auch technisch hohem Niveau und emotional bewegende Weise die Verschmelzung des vorderhand Unvereinbaren hinbekam: die von Glanz und Innigkeit.