Bomsori Kim sprang beim WDR-Abokonzert ein und beeindruckte das Publikum. Jeder Ton der Violinistin war beredt und belebt.
WDR-Konzert in KölnDiese Perfektion ist schon wieder beängstigend
Fünf Orchesterstücke an einem Abend – das klingt nach Gala, nach leichter Muse, nach beschwingtem Abschied. Ein bisschen war das auch der Fall beim jüngsten WDR-Abokonzert, dem vorletzten der Saison (mit anschließendem Bierausschank im Philharmonie-Foyer). Sicher sind Strauss´ Tondichtungen „Don Juan“ und „Tod und Verklärung“ keineswegs „leichte Muse“, aber es sind bekannte und beliebte Schlachtrösser der deutschen Romantik, und nämliches gilt für Max Bruchs g-Moll-Violinkonzert.
Und die „Tannhäuser“-Ouvertüre (Dresdner Fassung), die das Publikum am Schluss in eine schöne Frühsommernacht entließ. Von Cristian Măcelaru souverän dirigiert, konnten die WDR-Sinfoniker hier noch einmal ihre ganze ungebremste Klangpracht ausstellen, von den Hörnern über die Klarinette zum Blech und den Streichern. Vielleicht hilft Sehen manchmal auch beim Hören – wenn das Orchester eben nicht im Graben, sondern auf der Bühne sitzt. Den Wechsel von den Hörnern (Pilgerchoral) zur Klarinette (Venusberg) nimmt man halt auch optisch wahr. Die Übernahme der Chromatik des Mittelteils und dessen 4/4- statt des früheren ¾-Taktes in die Reprise freilich kann man nur hören. Der Venusberg als Kehrseite der Wartburg-Frömmigkeit – es machte Spaß, diesen Aspekt wieder einmal klangdramaturgisch präzise vorgeführt zu bekommen.
Bomsori Kim war ein mit allen Wassern eines inspirierten Virtuosentums gewaschener Ersatz
Nicht lange bitten ließen sich Măcelaru und die Seinen auch bei Strauss. Der „Don Juan“ kam schlank, hochenergetisch, mit markant platzierten Formzäsuren und plastischer „Erzählung“ der Zentralmotive, zugleich aber auch mit jener leicht lasziven Sinnenpracht und der süffigen Melodik (Sextaufschwünge!), für die der frühe Strauss immer gut ist. Und wie sich in „Tod und Verklärung“ aus dem stockenden Herzschlag des Beginns in drängender Ekstase das Verklärungsthema herausarbeitete, das hatte Kraft, Folgerichtigkeit und dramatischen Zug, wie man es besser kaum haben kann. Zum Opernkomponisten Strauss hinüber grüßte Mel Bonis' kurze Tanzkomposition „Salomé“, die freilich mit dem Einakter des Kollegen wenig zu tun hat. Das war französischer Impressionismus pur – mit deutlichen Anklängen an Debussy und sein legendäres „Prélude à l’après-midi d’un faune“.
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Renaud Capuçon als Solist im Bruch-Konzert hatte krankheitshalber absagen müssen. Das Bedauern darüber konnte sich in Grenzen halten, weil mit der Südkoreanerin Bomsori Kim ein mit allen Wassern eines inspirierten Virtuosentums gewaschener Ersatz zur Verfügung stand. Sie hatte schon einmal in Köln und auch damals mit dem Bruch-Stück auftreten sollen – im März 2021 beim Kölner Kammerorchester. Indes fiel das Konzert pandemiebedingt aus, sodass die international agierende und vielfach ausgezeichnete Geigerin erst jetzt in der Philharmonie ihr Debüt abliefern konnte.
Gleich die ersten Takte zeigten die Könnerin und Meisterin: Mit feinem, aber dichtem, die Saiten leicht andrückenden und allemal große Klangfülle erzeugenden Strich tauchte ihr Solo aus der Tiefe auf: Da war jeder Ton beredt und belebt, da atmete die Phrase, da kam glasklar das Passagenwerk, da wurde das (bereits zu Lebzeiten und zum Missbehagen des Kölner Komponisten schier abgedroschene) Stück noch einmal „schön“ und romantisch wie am ersten Tag. Ein wenig beängstigend ist diese Perfektion, die keine Widerstände zu kennen scheint, freilich schon. Ein kleiner Schuss musikantischer Spontaneität – er scheint zu fehlen. Das aber ist Gemecker auf höchstem Niveau – weshalb es auch nur ganz leise intoniert sei. Für den Publikumsjubel bedankte sich „Bomsori“ (wie sie inzwischen durchweg genannt wird) mit einem „Polish Capriccio“ von Grazyna Bacewicz.