Dirigentin Joana Mallwitz überzeugt mit dem Konzerthausorchester Berlin und Violinist Augustin Hadelich
Joana Mallwitz begeistert in der PhilharmonieDas Gleichgewicht der Musik
Als Joana Mallwitz 2014 ans Theater Erfurt ging, war sie mit 27 Jahren die jüngste Generalmusikdirektorin Europas. Vier Jahre später wechselte sie in gleicher Position nach Nürnberg, dessen Staatsphilharmonie sie kürzlich zur Ehrendirigentin ernannte. Nun kam auch ein Film in die Kinos („Joana Mallwitz — Momentum“) der die erfolgreiche Musikerin zwischen Proben, Konzerten und Familienalltag portraitiert.
Fast scheint es, als wolle die Musikwelt an Joana Mallwitz beweisen, dass es für hochbegabte Dirigentinnen mittlerweile die gleichen Aufstiegschancen gibt wie für ihre männlichen Kollegen, dass die Klassikszene den Gender Gap abgeschafft habe — aber natürlich weiß jeder, dass das nicht stimmt, auch Joana Mallwitz, der das Thema mittlerweile (begreiflicherweise) auf die Nerven geht.
Seit dem vergangenen Herbst leitet die gebürtige Hildesheimerin das Konzerthausorchester Berlin, mit dem sie nun auch auf Einladung der Kontrapunkt-Konzerte ihr Debüt in der Kölner Philharmonie gab. Im Violinkonzert D-Dur von Johannes Brahms stand der Fokus aber zunächst weniger auf der Dirigentin als auf dem Solisten Augustin Hadelich, der das machtvolle Stück mit bezwingender Natürlichkeit und fern jeder auftrumpfenden Virtuosengeste gestaltete.
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Differenziert gesteuerter Energiefluss
Es war, wie immer, der unverwechselbare Ton, mit dem der Deutsch-Amerikaner sofort für sich einnahm — ein eher schlanker, aber sehr intensiver Ton, der den Saal ohne jeden Druck füllt. Hadelich ging an den Kulminationspunkten durchaus zur Sache, aber weder bei den kraftvollen Abstrich-Folgen im Kopfsatz noch bei den Doppelgriffen im Finale büßte sein Spiel auch nur im geringsten an Freiheit oder Farbe ein. Dass das lyrische Thema im Mittelsatz eigentlich der Oboe gehört, von der Geige nur ausgeliehen wird und mit entsprechender Vorsicht anzufassen ist, muss man Augustin Hadelich natürlich auch nicht erklären. Sogar die Zugabe, eine mitreißende Eigenkomposition über den Fiddle-Klassiker „Orange Blossom Special“ war mit vollendeter Noblesse angelegt.
Ähnlich wie für den Solisten lag auch für die Dirigentin die Essenz des Brahms-Konzerts nicht in pastosem Klang und Dauer-Legato, sondern in einem differenziert gesteuerten Energiefluss, einem geradezu klassisch empfundenen Widerspiel von Spannung und Lösung. Damit baute sie zugleich eine Brücke zum großen Schlussstück, Beethovens dritter Sinfonie („Eroica“).
Mehr als für die klangliche Erdung interessierte sich Joana Mallwitz hier für die Kräfte, die das Gleichgewicht der Musik bedrohten, für rhythmische Schwerpunktverlagerungen und Störakzente der Mittelstimmen. Die aufwendige und weit ausgreifende Gestik der Dirigentin gab dem Orchester dabei weniger den Ausdruck der Musik vor als die körperlich-geistige Spannkraft, mit der sie zu realisieren ist.
Das wurde von ihren Musikern auf der großen Linie offenbar besser verstanden als im Detail — gerade bei den Bläsern klapperte es an diesem Abend auffällig oft, und auch die Zugabe, Johann Strauß' „Pizzicato-Polka“, war in den gestauten Auftakten alles andere als „zusammen“. Das schadete aber weder der Musizierlaune noch der Begeisterung des Publikums im restlos ausverkauften Saal.