In der Oper Köln feierte das Stück „Der Liebestrank“ von Gaetano Donizetti seine Premiere. Die Sängerinnen und Sänger überzeugten durchweg.
Donizettis Oper „Der Liebestrank“Man kann diesen Gesang nicht genug loben
Wenn Korrepetitor Luca Marcossi am Hammerflügel an der einschlägigen Stelle – Adinas Erzählung von Tristan und Isolde – Wagners Tristan-Akkord platziert, dann stößt dies den Zuhörer auf die Tatsache, dass es zwischen Donizettis Belcanto-Oper „L‘elisir d’amore“ (Der Liebestrank) und dem Musikdrama des deutschen Mystagogen mehr als nur oberflächliche Parallelen gibt. Was die diametral unterschiedlichen Musiksprachen wiederum zu verdecken geeignet sind.
So feierte „Der Liebestrank“ seine Premiere an der Oper Köln
Es geht um die wirklichkeitserzeugende Macht der Illusion: Wagners Liebestrank entfaltet seine Wirkung ja nur, weil die Liebenden irrtümlich meinen, den Tod getrunken zu haben. Und Donizettis armer Teufel Nemorino (der kleine Niemand) gewinnt seine – ihn attraktiv machende – Selbstsicherheit gegenüber der spröden Adina allein deshalb, weil er an den Effekt des Wässerchens glaubt, das ihm der Quacksalber Dulcamara andreht.
Diese Dialektik von (Auto-) Suggestion und Realität könnte zum Angelpunkt eines ambitionierten Regietheaters werden, das Donizettis Werk aus der Buffa-Sphäre, der es prinzipiell noch zugehört, ins mehr oder weniger tragische Fach katapultiert. Damiano Michilietto freilich schlägt diese Möglichkeit aus in seiner Inszenierung, die nach erfolgreicher Vorstellung an den Häusern von Valencia, Madrid und Brüssel jetzt auch an der Kölner Oper zu sehen ist. Die Entscheidung hat man nicht zu tadeln, im Gegenteil: Wer diesen Donizetti – der Komponist schrieb bekanntlich zahlreiche tragische Opern – auf „Tristan und Isolde“ hin bügeln wollte, machte sich einer gewalttätigen Genreverfehlung schuldig. Ein Versuch in dieser Richtung würde nur zeigen: Es geht nicht.
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Donizettis Werk im Staatenhaus aufgeführt
So weiß der Zuschauer, wenn er im Saal 2 des Staatenhauses der offenen Bühne (Paolo Fantin) ansichtig wird, von Anfang an so ungefähr, was in den kommenden zweieinhalb Stunden auf ihn zukommt. Aus der toskanischen Bauernidylle ist die Opernhandlung an einen Mittelmeerstrand verpflanzt, auf dem die Urlaubsklischees in grell-poppigen Farben und mit nur noch ironisch zu verstehender Aufdringlichkeit zitiert werden: Liegen, Sonnenschirme, Palme, Dusche (mit echtem Wasser), ein Wachturm und ein Kiosk, dessen Name – „Bar Adina“ – die Protagonistin als seine Betreiberin ausweist. Nemorino amtiert als Strandwächter, und der Chor formiert sich aus den Badewilligen. Deren sparsame Bekleidung zeitigt immer wieder die absehbaren erotisierenden Effekte, etwa den tätschelnden Auftrag von Sonnencreme.
Tragischen Verschiebungen und Weiterungen versperrt sich dieses Ambiente vom Ansatz her. Immerhin fallen „auch so“ noch Schatten auf diese Welt der Placebos und trügerischen körperkulturellen Glücksversprechen: Dulcamara etwa figuriert diesmal als gar nicht so lustiger Vertreter einer schmierigen Kriminalität. Überhaupt gelingt die Adaption des Sujets an moderne Verhältnisse verblüffend widerstandslos.
Premiere leidet unter der Platzierung des Orchesters
Naheliegend schöpft Michieletto das Gag-Potenzial der Szenerie auf eine teils vorhersehbare Weise aus – etwa wenn man einander hingebungsvoll aus Wasserschläuchen und Softdrink-Flaschen bespritzt. Aber es gibt auch Unerwartetes, so einen Plüschteddy als Nemorinos ohnmächtige Offerte an Adina und eine riesige aufblasbare Hochzeitstorte für Belcore und Adina im zweiten Akt. Insgesamt ist die Dichte der Einfälle durchaus bemerkenswert, die Personenführung geschmeidig und genau auf die Musik abgestimmt, und in den szenischen Details geschieht viel Gutes. Auf die ranzige Komik des Bauerntheaters wird nicht durchweg, aber weitgehend verzichtet. Langweilen muss sich in dieser Produktion jedenfalls niemand.
In der Premiere litt die Musik, vor allem zu Beginn, unter der unzuträglichen Orchesteraufstellung links der Bühne. Da waren Reibungsverluste unvermeidlich. Das Gürzenich-Orchester unter Matteo Beltrami brauchte lange, um jenes Temperament, jene befreite Agilität, Präsenz und Leuchtkraft zu entwickeln, die hier eigentlich unabdingbar sind. So richtig stellten sie sich erst im zweiten Akt ein. Das Staatenhaus macht vieles möglich, was am Offenbachplatz nicht drin wäre. Aber man hat halt auch immer wieder Anlass, den Umzug ins sanierte Quartier herbeizusehnen.
Die Sängerinnen und Sänger können kaum genug gelobt werden
Kaum genug gelobt werden können die Sängerinnen und Sänger – da wurde eine auch darstellerisch ansprechende und geschlossene Ensembleleistung auf hohem Niveau präsentiert. Kathrin Zukowski als Adina agiert mit großer Anmut und Leichtigkeit, mit satt-leuchtender Höhe, dichter Linienführung und geschmeidigen Koloraturen, vor allem aber mit völlig unschematischer Ausdrucksbreite und -fülle. Durch den Panzer der spröden Kokotte bricht immer wieder das ganz Andere durch. Gleiches gilt für ihren Partner Dmitry Ivanchey als Nemorino, dessen lyrischer Tenor in seiner Beweglichkeit, Eleganz und Klangschönheit an die gefeierten lateinamerikanischen Kollegen gemahnt. Die legendäre Romanze „Una furtiva lacrima“ aus dem zweiten Akt – das Paradebeispiel eines so stilsicheren wie anrührenden Belcanto.
Mit imposanter, nie forcierter Durchsetzungskraft setzt Insik Choi Belcores selbstgefälliges Machotum in Szene, das völlig ohne schmierige Beimischungen auskommt, sondern durch die schiere virile Präsenz zu überzeugen vermag (jedenfalls diejenigen, die bereit sind, sich überzeugen zu lassen). Omar Montanari wiederum gibt nachdrücklich, mit teils beklemmender Intensität den Betrüger Dulcamara. Eingebettet sind die Sololeistungen in die Kulisse eines potenten, reaktionsstarken und zugleich homogenen Opernchores, der stets das Dekor der Italianitá wahrt. Der Mangel an Abstimmung mit dem Orchester? Nun ja, siehe oben…
Zur Veranstaltung
„Der Liebestrank“ an der Oper Köln. Musikalische Leitung: Matteo Beltrami. Inszenierung: Damiano Michilietto. Bühne: Paolo Fantin. Darsteller: Kathrin Zukowski, Dmitry Ivanchey, Insik Choi, Omar Montanari, Maya Gour. Dauer: gut zweieinhalb Stunden inklusive Pause
Nächste Aufführungen: 7., 12., 15., 17. 19., 22., 24. November