Benjamin Katz ist der große Chronist der rheinischen Kunstszene. Jetzt sucht der Kölner Fotograf einen Abnehmer für sein riesiges Archiv.
Kölner Chronist der Kunstszene150.000 Bilder von Benjamin Katz suchen ein Zuhause
Am liebsten fotografiert Benjamin Katz Künstler bei der Arbeit. Weniger gern bei Festen oder feierlichen Eröffnungen, obwohl es auch bei diesen Gelegenheiten immer etwas zu sehen gibt. Etwa die beiden Bauchtänzerinnen, von denen sich der als Kalif verkleidete Markus Lüpertz während einer als „Herrenabend“ deklarierten Geburtstagssause umgarnen lässt. Vermutlich war Katz ganz froh, sich während der Feierlichkeiten hinter seiner Leica verstecken zu können. Auf den Auslöser hat er natürlich trotzdem gedrückt.
Es ist unwahrscheinlich, dass diese Bilder einmal in einem Katalog oder Bildband auftauchen werden. Aber Zeitdokumente sind sie doch und sagen genauso viel über die bundesdeutsche Kunstszene aus, wie die schönen Aufnahmen, die Katz vom frisch aus der DDR in den Westen übergesiedelten A.R. Penck gemacht hatte. Man sieht auf ihnen, wie Penck, der damals auf dem Hof eines Gönners lebte, auf einem Fahrrad fährt, einen Holzstamm bearbeitet - und ein Bild davon malt, wie ihn Katz beim Malen fotografiert.
Im Lauf seines Fotografenlebens hat Benjamin Katz unzählige Momente aus der Kunstszene gesammelt
Im Lauf seines Fotografenlebens hat Benjamin Katz unzählige solcher Momentaufnahmen gesammelt. Viele davon sind in Büchern greifbar, etwa die Atelierbesuche bei Gerhard Richter und Georg Baselitz, aber die Mehrzahl schlummert unentdeckt in seiner Kölner Wohnung und warten darauf, erforscht und öffentlich zugänglich gemacht zu werden. Die Vorarbeiten dazu hat Regina Katz, die Ehefrau des Fotografen, in jahrelanger Heimarbeit geleistet. Sie hat die digitalisierten Negative gesichtet und nach Schlagworten sortiert. Eine kurze Eingabe und schon läuft ein neuer Fotoroman über den Bildschirm, mit Hauptdarstellern von Josef Beuys bis Andy Warhol.
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Seit 1972 lebt Katz in Köln, dessen Kunstszene man ohne seine Fotografien anders sehen würde. Er hat Porträts gemacht, die, wie Gerhard Richters schelmischer Blick aus den Augenwinkeln, zu immer wieder gedruckten Ikonen wurden; er begleitete die legendäre „Westkunst“-Ausstellung mit der Kamera und brachte davon Bilder mit, auf denen Künstler in selten gelöster Stimmung zu sehen sind. Wie jeder großer Dokumentarist hat Katz die Gabe, nicht zu stören. Er ist überall dabei und hält sich doch raus. Auf seinen Festplatten berichten rund 150.000 Bilder davon; so viele von einer halben Million haben den Sichtungs- und Auswahlprozess überstanden.
Viele mögliche Abnehmer bekommen angesichts der Datenfülle kalte Füße
Diesen Schatz wüsste Katz gerne in guten Händen, doch viele mögliche Abnehmer bekommen angesichts der Datenfülle kalte Füße. Schließlich wollen die Aufnahmen erst einmal wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Allein das ist eine Aufgabe, für die man große Summen auf- und fachkundiges Personal mitbringen muss. Archive und Universitäten wären die natürlichen Kandidaten, doch die möchten das Katz-Archiv geschenkt. Die großen rheinischen Museen wiederum sind, wenn überhaupt, vor allem an den Glanzlichtern interessiert. Dabei sind die scheinbar nebensächlichen Aufnahmen nicht selten die besseren. Und überhaupt droht der Geist des Katz’schen Werks verloren zu gehen, wenn man aus dem Fluss der Bilder einzelne herausgreift.
„Ich wollte die Welt der befreundeten Künstler dokumentieren“, sagte Katz einmal. „Ich wollte festhalten, was ich erlebte, und dachte, vielleicht etwas naiv, auch schon an die Zukunft, an zukünftige Archive.“ Also belichtete er Film auf Film, immer in der Hoffnung, dass sich in dieser Zukunft noch jemand für Isa Genzken, Walter Dahn oder James Lee Byars interessieren würde. Seine Bilder sind nun Begleiter der künstlerischen Werke, eine schöne Wendung, nachdem er in Berlin als Galerist, wie er selbst sagte, in zehn Jahren 1000 Pleiten erlebte.
Am Anfang seiner Kunstkarriere stand ohnehin die Malerei, Katz studierte bei Hann Trier, einem Pionier der abstrakten Nachkriegskunst in Deutschland. Vielleicht ließ ihn Gerhard Richter deswegen eines seiner Gemälde übermalen. Es gibt Fotografien, die es beweisen, Richter hat sie mit Katz‘ Kamera gemacht. „Das ist jetzt Millionen wert“, sagt Benjamin Katz im Scherz, als hätte er dem Gemälde den letzten Schliff gegeben. Andererseits hat er, bedenkt man die Richter-Preise am Kunstmarkt, mit seiner Schätzung vermutlich recht.