Das Budapest Festival Orchestra unter Iván Fischer trat mit András Schiff in der Kölner Philharmonie auf. Es war ein opulenter Abend.
Kölner MeisterkonzertMal wieder liefert András Schiff eine respektheischende Leistung ab
In der Zugabe tat das Budapest Festival Orchestra etwas, was Orchester sonst eher nicht tun: Es sang vereint Brahms' Chorsatz „Es geht ein Wehen durch den Wald“ (und blieb damit immerhin bei dem Komponisten, dem das komplette Programm dieses Philharmonischen Meisterkonzerts gewidmet war). Das war allerdings keine Spezialität des Kölner Auftritts, denn die Formation verfährt, wie zu lesen ist, in ihren Konzerten öfters so. Auf Anhieb ist das etwas schnurrig, aber es hat einen tieferen Sinn: Auch die instrumentale Performance des illustren Klangkörpers zeichnet – gleich ob bei den Streichern oder den Bläsern – eine ausgeprägte Neigung zum Kantablen aus (worin sie, naheliegend, noch weitaus besser sind, als wenn sie tatsächlich ihre Münder öffnen).
Was sonst gerne in Zugaben erscheint, war diesmal im Hauptprogramm platziert worden: zwei von Brahms' Ungarischen Tänzen, der zweite (Nr. 11) in einer in den Instrumentalkombinationen exquisit-ansprechenden Orchestrierung aus der Feder des (jetzt auch das Kölner Konzert leitenden) Orchestergründers Iván Fischer. Der zu Beginn gespielte erste Tanz fixierte gleich das Klangambiente des Abends: Der Grundsound des Orchesters ist dunkel und wuchtig, was selbstredend auch der schieren Masse des Aufgebots geschuldet ist – und der Tatsache, dass die Kontrabässe von der Rückwand des Podiums nach vorne massiv abstrahlten.
András Schiff rückte dem Flügel so offensiv zu Leibe, dass es mit der Opulenz der Begleiter keinerlei Balanceprobleme gab
So ging es dann auch im ersten Klavierkonzert weiter, bei – zumindest im ersten Satz – relativ behäbigem Tempo. Dass sich ein Pianist wie András Schiff, der in der jüngeren Vergangenheit immer stärker ein Faible für die historische Aufführungspraxis entwickelt hat, ausweislich dieses Abends in solch dezidiert symphonischem Umfeld offenkundig wohl fühlt, mag auf Anhieb erstaunen. Aber der Mann ist halt vielseitig. Tatsächlich ließ er sich, von Haus aus eine vornehm-zurückgenommene Natur, nicht lange bitten und rückte dem Flügel so offensiv zu Leibe, dass es mit der Opulenz der Begleiter keinerlei Balanceprobleme gab.
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Insgesamt lieferte Schiff, wieder einmal, eine respektheischende Leistung ab, die sich als Synthese von Gegensätzen empfahl: So ließ er es im choralhaften Seitenthema des ersten Satzes lyrisch-poetisch strömen, aber aufs Ganze gesehen ist er kein Freund des Gemüthaft-Stimmungsvollen, des dämmrigen Sfumato, sondern sieht den jungen Brahms eher aus der Perspektive klassischer Klarheit. Das gewählte Tempo schuf Raum für die genaue, sorgfältig phrasierende Detaildemonstration. Alles wurde da wichtig (etwa der jeweilige Taktschwerpunkt markant gesetzt), nichts im Ungefähren gelassen. Manchmal geriet das sogar ein bisschen ostentativ. Auch Schiff blieb mit seiner Zugabe, dem späten cis-Moll-Intermezzo, bei Brahms.
Die erste Sinfonie am Schluss erlebte das Orchester nicht gerade wie ausgewechselt, aber doch irgendwie leichtfüßiger als bei der Konzertbegleitung – bereits die langsame Einleitung kam nicht so pompös, wie man es oft erleben kann. Und wo der Klang zuvor noch ein wenig statisch gewesen war, da nahm der Tanker jetzt frische Fahrt auf, da kam alles in den energisch-druckvollen Sog einer von Fischer überzeugend durchgezogenen Steigerungsdramaturgie. Davon profitierte erwartungsgemäß das Finale am stärksten: der Alphorn-Ruf der Hörner – nahezu eine Epiphanie. Und die agile Brillanz der Streicher machte es möglich, dass man in den kontrapunktischen Strecken immer wieder an die Jupitersinfonie denken konnte. Das war völlig in Ordnung, sie gehört zum Erbteil dieser Brahms-Ersten genauso wie Beethovens Neunte.