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Kölner OperSo ist die „Zauberflöte“ unter Corona-Bedingungen

Lesezeit 5 Minuten

Sarastro (Ante Jerkunica, M.) übergibt den Sonnenkreis an Tamino und Pamina.

  1. Michael Hampe hat an der Kölner Oper Mozarts Klassiker „Die Zauberflöte“ unter Coronabedingungen inszeniert.
  2. Das funktionierte erstaunlich gut, obwohl der Abend mitunter musikalisch und interpretatorisch zu wünschen übrig ließ.
  3. Trotzdem urteilt unser Musikkritiker: Endlich ist die Kölner Oper wieder richtig da.

Köln – Hier ist es Monostatos, der die Annäherung von Tamino und Pamina, dort ein Priester, der diejenige von Papageno und Papagena blockiert. In diesen Tagen kommt, auch an der Kölner Oper, noch ein dritter Distanzfaktor hinzu: Corona. Und angesichts der Zumutungen, die die Pandemie für einen Theaterbetrieb bereithält, ist die kooperative Leistung, die das Haus mit der neuen „Zauberflöte“ im Saal 1 des Staatenhauses liefert, preisenswert.

Die Inszenierung ist schon ziemlich klassisch

Wenig konnte so bleiben, wie es gedacht war, und die pragmatische Anpassung, die der frühere Kölner Opernintendant Michael Hampe, 85 Jahre alt, in seiner Inszenierung vornimmt, ist eindrucksvoll. Tatsächlich vergisst man als Zuschauer (der jetzt wegen steigender Infektionszahlen auch während der Aufführung eine Maske tragen muss) auf weite Strecken die corona-induzierten Ge- und Verbote. Hier findet, auch wenn der Chor vom Band kommt, eine beinahe normale „Zauberflöte“ statt, und es entsteht sogar dann Nähe zwischen den Akteuren, wenn sie drei Meter voneinander entfernt sind.

Zentrum der Bühne (von Darko Petrovic nach einem Konzept des im Sommer an Corona verstorbenen Germán Droghetti ausgeführt) ist ein großer Kreis auf dem Boden, der – integrierend wie disziplinierend – zum Anker der Personenführung wird. Um ihn herum begibt sich mit Ausblicken teils in eine heroische Gebirgslandschaft, teils in die Erhabenheit gestirnter kosmischer Weiten, eine Inszenierung, die das Werk „klassisch“ eins zu eins gibt, auf modernistische Zurichtung verzichtet, in Kostümen und Accessoires den Märchenaspekt bedient und immer „schön“ anzusehen ist. Ein wenig erinnert all das an Jean-Pierre Ponnelles legendäre Kölner „Zauberflöte“.

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Dem Vorwurf, er sei traditionell, konventionell, ja altbacken, setzt Hampe sich einigermaßen wehrlos aus. Angesichts des Regiekrampfes aber, der sich immer wieder gerade an dieser Oper ausgetobt hat, wird man zu schätzen haben, dass Hampe „auf dem Teppich“ bleibt – zumal die handwerkliche Ausführung exzellent ist. Was nicht bedeutet, dass auf Kritik zu verzichten wäre. Sie hätte zu beginnen bei der Einführung eines Erzählers, der als erster Priester zugleich Handlungsteilnehmer ist (Martin Koch). Vor allem aber ist er überflüssig, gibt kaum etwas zum Besten, was sich nicht aus dem Bühnengeschehen selbst erschlösse.

Was macht Hampe konzeptuell? Er schreibt seiner Inszenierung, die auf Ironie genauso verzichtet wie auf platte Komikeffekte in der Papageno-Sphäre, die historischen Bedingungen der Werkentstehung ein. Dazu verändert er auch die gesprochenen Texte mal leichter, mal stärker (was mal besser und mal schlechter gelingt). Die Konstellation: In einer Lage, da die Freimaurer im nachaufklärerischen Wien als vermeintliche Freunde der Französischen Revolution unter Druck geraten, zeigen die Logenbrüder Schikaneder und Mozart allegorisch verschlüsselt, worum es ihnen wirklich geht: nicht darum, Köpfe rollen zu lassen, sondern um die Utopie einer konstitutionell-humanen Herrschaft. Dass – hüben wie drüben – Macht ohne Gerechtigkeit nichts taugt, wird in Hampes Regie zum ideellen Leitmotiv.

Ein Hohelied der Aufklärung

Das kann sich hören und sehen lassen, und durch die Hintertür stellt sich sogar der – vorderhand ausgeschlagene – Aktualitätsbezug zwanglos wieder her: Am Ende übergibt Sarastro Tamino und Pamina den siebenfachen Sonnenkreis und tritt selbst ins Glied zurück. Eine friedliche Machtübergabe, von der wir wissen, dass sie auch in unseren Tagen alles andere als selbstverständlich ist.

„Die Zauberflöte“ also als das Hohelied der Aufklärung. Mit dieser Intention bügelt Hampe indes Ambivalenzen glatt, die tatsächlich ja vorhanden sind. Jener einzige Satz – „Ein Weib, das Nacht und Tod nicht scheut, ist würdig und wird eingeweiht“ – kann die massive Frauenfeindschaft des elitären Priesterclubs samt seines unmenschlichen Prüfungswahns nicht retten. Und Sarastros Bemerkung zu Monostatos (dieser Caliban-Version Schikaneders und Mozarts), seine Seele sei „ebenso schwarz als dein Gesicht“, ist Rassismus pur. Hampe verharmlost das, wenn er hier den Text hintersinnig ändert: Jetzt ist die Seele „schwärzer“ als das Gesicht – was schon anders klingt. Nein, tatsächlich gehen Aufklärung und Vorurteil in dieser Oper eine kaum aufzulösende Verbindung ein – ein Zwiespalt, dessen Ausführung durchaus noch mal eine Regieanstrengung wert wäre.

Eine überzeugende Ensembleleistung

Die zahlreichen Darsteller stellen eine insgesamt überzeugende Ensembleleistung hin (alle können hier nicht gewürdigt werden) – was wohl auch Debütantennervosität geschuldete Schwächen im einzelnen nicht ausschließt. Kathrin Zukowski ist eine von Timbre und Ausstrahlung gewinnende, gefühlsintensiv-warme Pamina, die leider ausgerechnet in ihrer großen g-Moll-Arie ein par Linien nicht richtig durchgestaltete. Dennoch: Als lyrischer Sopran dürfte sie eine gute Zukunft haben. Julien Behr als Tamino ist ein wohlklingender Tenor, dem es irgendwie an individueller Ausstrahlung gebricht. Antonina Vesenina als Königin der Nacht konzentriert sich denkmalhaft auf ihre schwere Partie, muss beim Spitzenton in der ersten Arie passen, legt die zweite aber mit einiger Bravour hin. Ante Jerkunica ist ein sonorer, auch die Kellertiefe gelassen ausfüllender Sarastro, Matthias Hoffmann ein Bilderbuch-Papageno, der sich aber auch erst freisingen und -spielen muss.

Stückbrief

Musikalische Leitung: Christoph Gedschold

Szenische Einrichtung: Michael Hampe

Bühne und Kostüme: Germán Droghetti/Darko Petrovic

Darsteller: Kathrin Zukowski, Julien Behr, Antonina Vesenina, Claudia Rohrbach, Regina Richter, Anja Schlosser, Matthias Hoffmann, Alina Wunderlin, Ante Jerkunica, Oliver Zwarg, Martin Koch, John Heuzenroeder

Dauer: knapp 3 1/2 Stunden, eine Pause

Nächste Aufführungen: 7., 8., 9., 11., 13., 14., 16. Oktober

Mehr als ordentlich agiert unter Christoph Gedschold das Gürzenich-Orchester, das ebenfalls mit widrigen Bedingungen zu kämpfen hat. Ein Teil der Bläser etwa sitzt sternenweit vom Dirigierpult weg. Ein Spaltklang entsteht, der Einzelleistungen über Gebühr heraushebt. Die Koordination klappt indes recht gut, in Kauf zu nehmen sind mäßige Grundtempi und eine gelegentliche Statik der Klangentwicklung.

Das Premierenpublikum (in ihm Oberbürgermeisterin Henriette Reker) dankte mit herzlichem Beifall. Der war hörbar gespeist aus der Erleichterung, dass die Oper Köln wieder „da“ ist. Und das ist sie unstrittig.