AboAbonnieren

„Mariana Pineda“ in der Kölner OperTanztheater um eine spanische Märtyrerin

Lesezeit 3 Minuten
Mariana Pineda, ein Tanztheaterstück von XXTanztheater nach Federico García Lorca

Mariana Pineda, ein Tanztheaterstück von XXTanztheater nach Federico García Lorca

Die Theatertruppe XXTanzTheater bringt in Kooperation mit der Oper Köln ein Stück nach Federico García Lorca auf die Bühne.

Sie stickt an einer Fahne, an der unbotmäßigen Aufschrift für den kommenden Aufstand gegen den König, „Gesetz – Freiheit – Gleichheit“. Am Ende wird sie dafür und weil sie den Anführer der Aufrührer liebt und nicht verraten will, getötet. Beziehungsweise: Weil sie dem Strafrichter, der nach den „Verschwörern“ sucht, auch nicht sexuell zu Willen ist.

Diesen Plot führt das frühe Drama von Federico García Lorca aus, das sich 1925 auf den legendenbildenden Fall der Mariana Pineda von 1831 bezieht und ihren Namen trägt. Das gleichbetitelte Tanztheaterstück der Choreographin Bibiana Jiménez, das sie mit dem Dramaturgen Christof Klimke erarbeitete, bezieht sich nur lose darauf, extrahiert die Tapferkeit drangsalierter Frauen daraus, wirkt etwas unausgegoren, aber mit wichtiger Botschaft.

Oper Köln in Kooperation mit XXTanzTheater

In Kooperation mit der Oper Köln konnte die kleine freie Truppe XXTanzTheater von Jiménez für die obere Bühne im Staatenhaus das Stück realisieren; eine Bewerbung war dem vorausgegangen. Das große Haus lässt die Freien aus der Nachbarschaft einmal pro Spielzeit mal was machen. Das erbrachte in der Vergangenheit mal mehr, mal weniger gelungene Tanzabende. Aber die Geste, in Form von Produktionsmöglichkeiten, auch mit Raum, Technik, Ausstattung, ist lobenswert. Könnten die Gruppen die Erfahrung erweitern, also mit dem Gelernten weitermachen, wäre noch mehr gewonnen.

Auch hier. Das nächste Stück wird sicher besser. Jiménez probierte einiges aus, bezog sich bewusst auch auf Johann Kresnik und sein häufig politisch deutliches choreographisches Theater, wo sie als Tänzerin früher engagiert war. Kresniks ruhm- und aufregungsreiche Karriere hatte ja in Köln begonnen. So werden aus Lorcas vielen Frauen hier drei bis vier Arbeiterinnen in grauen Kitteln an alten Pedalnähmaschinen.

Tanttheaterstück nach Federico García Lorca

Munter unterbrechen sie das Nähen, bauschen das große rote Tuch, kuschen dann vorm Chef. Pedrosa, César José Gutiérrez Salas, ist der Böse, der sich militärisch aufputzt, die Stiefelbeine hochwirft wie sowjetische Paraden und angeberische Sprünge in die Luft dreht. Die Fransen an den Epauletten wedeln beim Schulterwackeln. Eine lächerliche Figur, aber er grabscht und wird den Frauen gefährlich.

Sein Gegenspieler Pedro, Jacob Gómez Ruiz, trägt Lederjacke mit rotem Revoluzzerhalstuch, bandelt auch mit den Frauen an, bis die eine zustimmt, Mariana. Die Tänzerin Daniela Riebesam verkörpert deren Vorsicht, Verliebtheit, strahlende Freude, später die wütende Gegenwehr, Angst, das Fallen. Da kommt ihr der Geliebte nicht zur Hilfe, wie er es bei Lorca auch nicht tat.

Choreografin Bibiana Jimenéz bringt zwei Duette auf die Bühne

Zwei Duette spendiert Jiménez dem Paar: Erst klemmt ein Brief zwischen den Mündern, später ein Messer. Wange an Wange setzen sie kunstfertig verkrampfte Schritte. Mehrmals tanzen alle in Gruppe, unisono, kraftvoll, mit ausgreifenden Armen oder rollen. Oder führen eine Hand wiederholt von unten durch den bogenförmig gehaltenen anderen, als stickten sie groß. Fäuste ragen wie bei einer Demo.

Davide Degano als Geist, „Dämon/Lorca“ laut Programmheft, erdet das Geschehen in der Fantasie. Als Nackedei mit schwarzen Flügeln wirbelt er die Untergangswarnung in die Nähfabrik, „Straflager“. Mit blondem Hörnchen auf dem Kopf tritt er dem Frauenteam der Mariana-Ähnlichen bei, alle nun in roten oder violetten Kleidern. Die Texte, Rufe, meist aus den Lautsprechern und in mehreren Sprachen, sind Sätze vom Widerstand auf der Straße, das Kopftuch abzusetzen, „keine Angst“ zu haben: Zitate interviewter Frauen aus heutigen Zeitungsartikeln.

Die Musik von Valerij Lisac drängelt und paukt, zitiert mit Gitarre Spanisches, einen andalusischen Gesang und kölsche Dröhnmusik in der grässlichen Karnevalszene, deren derber Spaß ungut endet. „Romance popular“, Volksromanze, nannte der später selber von Faschisten ermordete, republikanisch gesinnte Lorca sein Stück. Die Frage nach dem Volk und dem Protest gegen oder für etwas ist heute wieder virulent. Größer als dieses Tanztheater. Aber das versucht es wenigstens.