Köln – Maurizio Pollini hat in den 70er Jahren eine bestechende Aufnahme von Beethovens Hammerklaviersonate vorgelegt. Damals war er Mitte 30, spielte mit siegessicherem Brio, federnd, elastisch, durchsichtig. Ganz so leicht wie damals nimmt der mittlerweile 80-jährige Pianist die Hürden der monumentalen Sonate heute nicht mehr.
In der Schlussfuge segelte Pollini oftmals deutlich am Ziel vorbei
Beim Klavierabend in der Kölner Philharmonie segelten manche Sprünge deutlich am Ziel vorbei; die große, windungsreiche Schlussfuge klang über weite Strecken ziemlich unstet und uneben. Man kann, wie es das begeisterte Publikum offenbar tat, über solche Limitationen großzügig hinweghören, aber natürlich beeinflussen sie auch die Schlüssigkeit der Darstellung: Besagte Fuge büßte doch ganz erheblich an innerer Logik und Zielstrebigkeit ein.
Pollini selbst schien das alles nicht anzufechten. Jener skrupulöse Perfektionismus, der ihn früher so oft Abende absagen ließ, ist längst einem freimütigen Mitteilungsbedürfnis gewichen, dass sich darauf verlässt, die Botschaft werde schon ankommen, auch wenn sie nicht mehr so ungehindert vom Geist in die Finger fließt wie ehedem. Noch immer spielt er den Kopfsatz sehr schnell – vielleicht nicht so schnell, wie es Beethovens entmutigende Metronom-Vorschrift fordert, aber doch mit jenem galoppierenden Eifer, den der Komponist offenbar im Sinn hatte.
Fröhlich unwirsch nahm Pollini die Punktierungen im Scherzo, das wie eine Serie freundlicher Nasenstüber klang. Das Kernstück der Sonate, das riesenhafte Adagio sostenuto, war unter Pollinis Händen paradoxerweise da am spannendsten, wo strukturell am wenigsten geschah, wo die Zeit still zu stehen schien, die Musik zum schwingend-schwebenden Hologramm wurde.
Das könnte Sie auch interessieren:
Pollini hatte seinen Beethoven-Abend mit der A-Dur-Sonate op. 101 eröffnet, die gemeinhin als die kleine sanfte Schwester der Hammerklaviersonate gilt. So klang sie hier aber keineswegs: Schon den ersten tiefen Basston zog Pollini merklich vor; überhaupt verankerte er das – laut Komponist „mit der innigsten Empfindung“ zu spielende – Eingangs-Allegretto auffällig stark im tiefen Register, führte die rhythmischen Schwerpunkt-Verlagerungen als Ausdruck eines unbeirrbaren Widerspruchsgeistes vor.
Vielleicht war das die stärkste, nachhaltigste Botschaft, die Pollinis später Beethoven aussendete: Dass hier, an ihrem historischen Ende, die Klassik sich nicht zurückschauend selbst verklärte, nicht in Klassizismus umschlug. Diesem Anspruch wird der große Pianist noch immer beeindruckend gerecht: als Redner, manchmal auch als Agitator, nie als Priester.