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Christiane Karg in der Kölner PhilharmonieDiese Stimme verzaubert ihre Zuhörer

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Christiane Karg

Christiane Karg

Der Auftritt von Christiane Karg in der Kölner Philharmonie überzeugte vor allem wegen der Solistin.

Die Zugabe machte das Glück sozusagen vollkommen: Mahlers Rückert-Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, gespielt in der Bearbeitung des Instrumentalparts für Streichquartett von David Philip Hefti, wurde hier in eine Kultur des Verklingens, Verdämmerns, Verschwindens, des „Schon-nicht-mehr“ eingebettet, die den offensichtlichen Widerspruch – was verschwindet, kann nicht Gestalt werden – in eine vollendete Kunstleistung transformierte.

Das war betörend, berückend, verzaubernd. Klar, dass die Stimme von Christiane Karg dank ihrer Substanz und Ausstrahlung das Gelingen einer solchen extremen Zurücknahme wahrscheinlich macht. Die ätherische Schönheit und Reinheit, die absolute Kontrolle im sotto voce mit so leicht angesetzten Höhen, dass sie aus dem Nichts zu kommen scheinen – für all das steht sie die derzeit wie kaum eine andere ihrer Kolleginnen. Aber es überwältigt das Publikum stets – und so auch jetzt beim Liederabend in der Kölner Philharmonie – aufs Neue.

Christiane Karg trat in der Kölner Philharmonie auf

Zurücknahme und Verinnerlichung waren eh die Dominante des Konzerts. Zu hören waren Schumanns Lieder opus 107, Brahms‘ fünf „Ophelia-Lieder“ WoO 22 sowie acht Lieder und ein Fragment nach Heine-Texten von Mendelssohn, und zwar nicht in den üblichen Klavierfassungen, sondern mit jenen (hier vom Aris Quartett gespielten) Streichquartett-Begleitungen, die Aribert Reimann in produktiver Rezeption dieser romantischen Liedkunst erstellt hatte. Produktiv, weil Reimann es nicht bei genauen Transkriptionen beließ, sondern das Stimmengefüge wenngleich behutsam (das heißt: meist ohne die Harmonik zu ändern) erweiterte und im Fall der Mendelssohn-Lieder neukomponierte überleitende Intermezzi einschaltete – Zwischenspiele, die unter Ausreizung avancierter Möglichkeiten des Streicherklangs Metamorphosen des originalen Themen- und Motivangebots ins Werk setzen.

Sicher gibt es da auch beschwingte, diesseitig orientierte Gesänge – und dazu noch, wie im Fall von Mendelssohns „Auf den Flügeln des Gesangs“, bekannte und beliebte. Ab vorherrschend sind doch Stimmungen des Vergehens, des Schmerzes, der Todesnähe – nicht von ungefähr wird das Wasserleichenschicksal von Shakespeares Ophelia mehrfach beschworen. Die Mendelssohn-Sektion ist mit der Schlusszeile aus „In dem Mondenschein im Walde“ überschrieben: „… oder soll es Tod bedeuten?“. Wobei Karg – dies nur ein Beispiel für die intelligente Kraft ihrer Vokalisation – in verdunkelnder Mezzo-Lage das Wort „Tod“ leicht hervorhob.

Quartett hat mit Mendelssohn einen Auftritt ohne Gesang

Tatsächlich verhinderte die überlegene Kunstleistung allemal, dass sich beim Zuhören Depressionen einstellten. Das lag an allen Beteiligten, nicht nur an Karg. Deren Interpretationen, die die die im Einzelnen dann doch wechselnden Farben und Stimmungen einfühlsam nachvollzogen, waren vollendet eingebettet in den „mitgehenden“, quasi-szenisch artikulierenden Quartettsound. Ganz gelegentlich, in der ersten Hälfte des Abends, drohte – auch ob Kargs defensiver Artikulation ungeachtet der herausragenden Legato-Qualität und Phrasenspannung – ein leicht aseptischer Schönklang die Oberhand zu gewinnen.

Das hing zweifellos auch mit der Agenda zusammen. Und dass die Begleiter daran nicht „unschuldig“ waren, zeigte deren Soloauftritt mit Mendelssohns frühem Quartett opus 12. Das wurde, bei aller unbestreitbaren Souveränität der Performance, etwas „unterspielt“. Die Partitur ist mit Sforzati gespickt, die indes zu schwach kamen – wie die Dynamik überhaupt in den Grenzen eines kaum mal überschrittenen Mezzoforte gefangen blieb. Und während sich Bratsche und Cello prononciert zur Geltung brachten, war die Primaria hörbar unterrepräsentiert.