Der deutsch-amerikanische Violinist gastierte in der Kölner Philharmonie. Unsere Kritik.
Kölner PhilharmonieDas untrügliche Mozart-Gespür des Wundergeigers Augustin Hadelich
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Der Geigen-Virtuose Augustin Hadelich trat in der Kölner Philharmonie auf
Copyright: Suxiao Yang
Mozarts fünftes und letztes Violinkonzert – das A-Dur-Werk KV 219 – ist sehr bekannt, das im nämlichen Jahr, 1775, entstandene zweite (KV 211 in D-Dur) hingegen kaum. Jedenfalls wird es im Konzertsaal so gut wie nie gespielt. Der Grund liegt auf der Hand: Das spätere Stück ist ausladender, formal fortgeschrittener, anspruchsvoller, einfach reifer und „besser“ als der Vorgänger, dessen erster Satz (um nur das als Beispiel zu nennen) noch erkennbar der musikalischen Sprache des Spätbarock verhaftet bleibt.
Der deutsch-amerikanische Geiger Augustin Hadelich, der beide Werke jetzt mit dem Mozarteumorchester Salzburg unter Andrew Manze im Kölner philharmonischen Meisterkonzert spielte, macht freilich alles gleichermaßen zu Gold. Ein makellos reiner, aber nicht aseptischer, dabei auch im Leisen stets präsenter, vitaler und plastisch geformter Ton verbindet sich mit einem guten Mozart-Gefühl: mit starkem Sinn für instrumentales Singen, für die dramaturgische Funktion der abgestuften Phrase, für den Erinnerungscharakter von Wiederholungen. Hadelich fällt auch nicht ins Puppig-Gefällige, wahrt aber doch das Dekor einer Maß haltenden Stilnoblesse und Eleganz.
Hadelich fällt nie ins Puppig-Gefällige
Klar, das Alla Turca im Finale von KV 219 kann man fremder, wilder, schreckenserfüllter spielen – immerhin lag seinerzeit die Türken-Belagerung Wiens noch keine hundert Jahre zurück. Aber Mozarts Musik stilisiert und sublimiert diese historische Erfahrung eben auch ästhetisch, und dafür hat Hadelich ein untrügliches Gespür.
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Für sein Stilgefühl spricht zudem, dass er etwa im Fall des A-Dur-Konzerts auf die Mozart-fernen, aber immer noch viel verwendeten Kadenzen von Joseph Joachim verzichtet. Diejenigen, die er spielt (es sind ziemlich viele, weil er auch die Fermaten-Übergänge noch ausgestaltet) entstammen augenscheinlich der Marke Eigenbau, sind zwar virtuoser als Mozarts Part und wohl auch etwas zu lang, passen aber halt einfach viel besser. Wunderbar leicht, beschwingt und witzig geriet die Zugabe, „Fiddler's Rag“ von Howdy Forrester.
Das Dirigier-Metier des Alte-Musik-Experten Andrew Manze am Pult ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Indes ist er selbst von Haus aus Geiger – was man merkt, wenn er sich formend der Geigenfiguration im Orchester annimmt. Der Beginn des einleitenden Wagner'schen „Siegfried-Idylls“ gelang in diesem Sinne einerseits butterweich, andererseits mit großer expressiver Eindringlichkeit. Vor allem aber hat er ein großes Herz und ein großes Verständnis für die Wiener Klassik. Ihr gehören Mozarts Violinkonzerte im strengen Epochensinn ja noch nicht an, wohl aber tut es Beethovens achte Sinfonie, die am Schluss erklang.
Sie verströmt weithin sonnige Behaglichkeit, allerdings eine Behaglichkeit mit Zähnen. Die ließ Manze im Sinne eines grotesken Humors auch aufblitzen, wenn er etwa im dritten Satz die „falschen“, weil „zu frühen“ Auftakte gebührlich herausstellte. Das Orchester folgte (unerachtet einiger Detailungenauigkeiten) druckvoll und feurig, mit hochenergetischem Drive. Der beflügelte dann auch beifalltreibend das als Zugabe gespielte Finale von Mozarts Haffner-Sinfonie.