In der Kölner Philharmonie spielte die Pianistin Khatia Buniatishvili das Klavierkonzert Tschaikowskys wie im Zeitraffer und begeisterte das Publikum.
Kölner PhilharmonieStar-Pianistin spielt in Köln das Publikum schwindelig
Peter Tschaikowskys b-Moll-Klavierkonzert hat seit rund 150 Jahren einen festen Ankerplatz im Hafen des romantischen Virtuosen-Repertoires; das Image des berühmten Werkes pendelt dabei zwischen Drama und Bravourstück mit operettenhaften Zügen.
Eine ganz andere Sichtweise ließ Khatia Buniatishvili im philharmonischen Meisterkonzert vernehmen. Die georgisch-französische Starpianistin hört hier offenkundig Vorboten der spätbürgerlichen Dekadenzepoche; sie ließ das Stück in teils manisch überdrehte, teils müde zerfließende Miniaturen zerfallen, die mehr nach Skrjabin als nach Tschaikowsky klangen.
Star-Pianistin spielt in der Kölner Philharmonie im Schnelldurchlauf
Ein stabiles Tempo war kaum auszumachen und offenkundig auch nicht Teil des interpretatorischen Plans. Die Scherzo-Passagen im Mittelsatz klangen wie im Zeitraffer abgespielt; vom synkopierten Final-Thema blieb kaum mehr übrig als der widerborstige Rhythmus. Die gefürchteten Doppeloktaven der Rahmensätze segelten mit entfesseltem Furor über die Tastatur - mag sein, dass die Pianistin dabei alle Töne traf; hörend nachvollziehen konnte man das kaum noch.
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Das Publikum war von dieser halb zirzensisch, halb neurotisch wirkenden Darbietung hellauf begeistert. Und in der Tat war es schwer, sich der Faszination dieses pianistischen Totaleinsatzes zu entziehen - sofern man es schaffte, alle konventionellen Vorstellungen fahren zu lassen. Das Orchestre de la Suisse Romande und sein Chefdirigent Jonathan Nott jedenfalls nahmen die Herausforderung mit hohem Sportsgeist an; sie federten alle Extravanganzen ab und waren in begründeter Erwartung weiterer pianistischer Hakenschläge ständig auf dem Quivive. Khatia Buniatishvili blieb ihrer Lust am Extrem auch bei den Zugaben treu: Auf eine hauchzart romantisierte Händel-Bearbeitung folgte eine absurd zugespitzte Version der Friska aus Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 2.
Khatia Buniatishvili schafft in Köln die richtige Atmosphäre für Strawinskys „Petruschka“
Die solchermaßen etablierte Jahrmarktsatmosphäre bildete den idealen Boden für Strawinskys „Petruschka“, der nach der Pause seine bizarren Sprünge vollführte. Die Ballettpantomime über eine zum Leben erwachte hölzerne Gliederpuppe lebt ganz von der Übertragung körperlicher Bewegung in musikalische - und nicht nur in dieser Hinsicht war die Darstellung durch das Orchestre de la Suisse Romande und seinen britischen Chef schlicht meisterhaft.
Die dem metrischen Raster weitgehend entzogenen Parallelfiguren der Bläser und des Schlagzeugs waren mit ebenso viel Präzision wie gestischer Freiheit koordiniert; die Collage aus widerstreitenden Charakteren und Melodien fächerte sich hell und leuchtend auf. Unter Jonathan Notts Händen erstand so eine altrussische Kirmeswelt der puren poetischen Verzauberung. Die französisch geprägte Klanglegierung des Schweizer Eliteorchesters kam aber vielleicht noch besser in der Zugabe zur Geltung, Maurice Ravels „Barke auf dem Ozean“ mit ihren sanft spielenden Wellen und schimmernden Lichtreflexen.