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Kölner PhilharmonieSo sehr kann man Schumann lieben

Lesezeit 3 Minuten
Peter Rundel hat den rechten Ärmel seines braunen Pullis hochgekrämpelt, er lächelt und hat die Hände zum Dirigat vor sich erhoben.

Der Dirigent Peter Rundel

In der Kölner Philharmonie spielte das Ensemble Casa da Música unter Peter Rundel und mit Bariton Matthias Goerne Werke, die Schumann ihren Respekt zollten.

„Musik über Musik“ hat gemeinhin einen schlechten Ruf – ihr Schöpfer zehre, so der Vorbehalt, parasitär von (großer) Tradition, ohne selbst zur Originalität fähig zu sein. Das muss sich indes nicht so verhalten, es gibt eine Produktivität des Rezeptiven, die aus der Befassung mit Vorhandenem kräftige Funken schlägt. Dann entsteht nicht „Musik über Musik“ in schlechtem Sinne, sondern tatsächlich etwas Neues, das seinerseits das Ursprüngliche in ein reizvoll ungewohntes Licht stellt. Es scheint immer durch und ist doch faszinierend verändert.

Ein Beispiel dafür ist Jörg Widmanns „Schumannliebe“, die jetzt in der Kölner Philharmonie mit dem Bariton Matthias Goerne und dem im portugiesischen Porto stationierten Remix Ensemble Casa da Música für Neue Musik unter Peter Rundel in Anwesenheit des Komponisten ihre deutsche Erstaufführung erlebte. Der Titel ist so vielsagend wie vieldeutig: Er kündet von Widmanns tatsächlich beharrlich bekundeten Verehrung für seinen romantischen Kollegen, und er spielt auf dessen opus 48 an, den illustren Liedzyklus „Dichterliebe“ auf Heine-Gedichte.

„Schumannliebe“ in der Kölner Philharmonie

Tatsächlich erklingen, nach einer Einleitung Marke Eigenbau, sämtliche 16 Stücke des Zyklus in der bekannten Reihenfolge, und der Vokalpart ist jeweils kaum verändert. Aber auch er gewinnt eine neue, gleichsam instrumentale Qualität angesichts seiner Einbettung in ein 20-köpfiges Kammermusikensemble, auf das Widmann den Klavierpart verteilt. Wobei der Begriff „verteilt“ der Sache nicht einmal gerecht wird: Widmann verfremdet die Harmonik, schärft sie dissonant an. Es gibt rhythmische Verschleifungen, man hört neue, früher „verborgene“ Stimmen. Und spektakulär, in ihrer Erfindungskraft wahrhaft fantastisch ist die radikal moderne Klanglichkeit mit der Emanzipation des Schlagapparats und überhaupt des Geräuschhaften.

Auf dem Weg von Schu- zu Widmann – und damit zu einer verblüffenden Zeitgenossenschaft des Romantikers – gibt es übrigens auch ein paar musikgeschichtliche Haltepunkte: Der traurige Walzer der Nummer 9 („Das ist ein Flöten und Geigen“) klingt verdächtig nach Mahler, anderwärts scheint Schönbergs Expressionismus nicht mehr weit. Zuweilen spielt die ausgezeichnete Formation gewollt grob, rauh, verleugnet die eigene Professionalität, klingt nach Jahrmarkt – da greift dann, in Korrespondenz zu den meist trostlosen Liedinhalten, eine Schumann so noch nicht zu Gebote stehende Ästhetik des Hässlichen Platz.

Bariton Goerne untersingt die ironische Schwärze

Goernes Liedstilistik mag generell Kritik provozieren, er „untersingt“ im Vortrag auch ein wenig die ironische Schwärze dieser Lieder. Andererseits zeigt sein Bariton eine klangvolle und gut fokussierende Höhenbeweglichkeit, die den „Kellerregistern“ sogar überlegen ist.

Widmann war und ist nicht der einzige bearbeitende Schumann-Fan. Ein anderer ist der Franzose Brice Pauset, der 2003 eine „eingreifende“ Ensemblefassung der „Kinderszenen“ erstellte. Sie erklang jetzt zu Beginn des Konzerts. Pauset toppt – zum Beispiel mit klackernden Bällchen – womöglich noch Widmanns Klanginventionen. Die „Träumerei“ lässt das Klavier zum atonalen Bühnenensemble wörtlich aus dem Off erklingen, wodurch ein echt romantischer „Aus der Ferne“-Effekt entsteht. Damit freilich wendet sich die Romantik sozusagen gegen sich selbst: Sie „ist“ nicht mehr, sondern verschwunden im Imaginären.