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Konzert in GelsenkirchenTaylor Swift beweist, warum sie der größte Popstar des Planeten ist

Lesezeit 6 Minuten
Taylor Swift steht auf der Bühne der Veltins-Arena in Gelsenkirchen

Taylor Swift in Gelsenkirchen.

Bei ihrem ersten Deutschlandkonzert in Gelsenkirchen liegen Taylor Swift die Massen zu Füßen, und doch gibt sie jedem das Gefühl, nur seinetwegen hier zu sein. 

Irgendwann an diesem Abend, da wirbelt sie schon seit zwei Stunden über die Bühne, blitzt in Taylor Swifts Pony eine verschwitzte Strähne auf. Es ist eine beruhigende Erkenntnis: Sie ist auch nur ein Mensch, keine Maschine. Es ist allerdings das einzige kleine Anzeichen dafür, dass sie ihr Konzert, das erste von Dreien in Gelsenkirchen und das erste in Deutschland seit neun Jahren, anstrengt. Während viele Fans zu diesem Zeitpunkt im Innenraum eine Pause machen müssen, auf dem Boden sitzen und ihre Cowboy-Stiefel - eines der beliebtesten Accessoires des Abends - ausgezogen haben, macht die 34-Jährige einfach immer weiter. 

„The Eras Tour“ hat sie ihre Konzerte überschrieben. Und was bei anderen überheblich klingen würde, ist bei ihr schlicht Realität. Obwohl noch so jung, hat sie nicht nur eine Ära, sondern gleich mehrere geprägt. Sie ist der größte Popstar des Planeten, bricht einen Rekord nach dem nächsten. Diese Tour hat die Milliardenmarke bei den Einnahmen geknackt und ist damit die erfolgreichste bisher - noch vor der Abschiedstour von Elton John.

Fast dreieinhalb Stunden dauert die Show

In Gelsenkirchen ist sie angetreten zu beweisen, warum an ihr im Moment kein Weg vorbeiführt. Fast dreieinhalb Stunden dauert ihre Reise durch die bisher 18 Jahre ihrer Karriere. Und für jedes Album gibt es ein eigenes Konzept. Von ihren Kostümen über die der Tänzerinnen und Tänzer bis zum Licht und den teils aufwendig produzierten Videos auf der Leinwand, alles ist aufeinander abgestimmt, jeder Schritt sitzt, jeder Blick, jede Geste.

Ein Fingerzeig von ihr und das Geschrei der 60.000 in der Veltins-Arena, das vorher schon ohrenbetäubend war, nimmt noch einmal an Lautstärke zu. An den Handgelenken aller Zuschauer leuchten die vor der Show verteilten Blinklichter in unterschiedlichen Farben. Ob man es will oder nicht, man wird zum Teil dieses großen Organismus', der nur von einer Macht gesteuert wird. 

Ihre Konzerte haben schon die Erde so erzittern lassen, dass Erdbeben-Messungen sie aufgezeichnet haben. Es gibt Soziologen, die sagen, Swift könnte entscheidend zum Ausgang der US-Wahl beitragen. Ein Wahlaufruf von ihr für die Demokraten und Donald Trump ließe sich vielleicht doch noch verhindern. Nicht ohne Grund taucht sie auf Listen der mächtigsten Frauen der Welt auf.  

Das ist nicht nur ein Konzert, das ist ein Gesamtkunstwerk. Swift beweist, warum guter Pop nicht die ausgefeiltesten Melodien braucht, sondern eine Geschichte erzählen muss. Sie singt nicht davon, wie es ist, berühmt zu sein. Sie singt von alltäglichen Momenten und davon, was die Liebe mit uns manchmal macht. Und da kommen sich die Pop-Milliardärin und deutsche Teenager dann eben doch ganz nahe. Jeder weiß, wie es sich anfühlt, wenn einem das Herz gebrochen wird.

Zu „Enchanted“ trägt sie ein rosafarbenes Prinzessinnenkleid. Zu den Titeln vom Album „1989“ einen gelb-golden glitzernden Rock mit passendem Bustier. Wenn sie Songs aus ihren Alben „Folklore“ und „Evermore“ singt, die während der Corona-Pandemie entstanden, steht da plötzlich eine mit Moos bewachsene Holzhütte auf der Bühne, auf deren Dach sie in ein weißes, wallendes Kleid gehüllt sitzt. Und aus der Bühne wachsen wie von Zauberhand grüne Pflanzen in die Höhe. 

Sehr viel Glitzer und bunte Kostüme

Ansonsten sind da sehr viel Glitzer und farbenfrohe Kostüme. Sie sind so bonbonbunt und fröhlich, wie es Gute-Laune-Pop wie „Shake It Off“ braucht. Outfits und Bühnenbilder wechseln so schnell, dass man erahnt, welche Armee an Helfern da im Hintergrund tätig sein muss.  

Die Amerikanerin spielt diese Show seit vielen Monaten überall auf der Erde, da ist jedes Detail genaustens geplant, sonst würde es nicht funktionieren. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Wer sich bei einem Konzert überraschen lassen will, ist bei Taylor Swift falsch.

Bei aller Inszenierung fühlt sich die Verbindung echt an, die alle in der Halle spüren. Swift hat dieses seltsame Talent, das vielleicht nur US-Amerikaner so selbstverständlich in die Wiege gelegt wird. Sie steht jeden Abend vor Zehntausenden Menschen und gibt doch jedem das Gefühl, gerade seine Anwesenheit besonders wertzuschätzen.

Sie begrüßt ihr Publikum auf Deutsch: „Schön, euch zu sehen!“. Sie meistert tapfer das für englische Muttersprachler zungenbrecherische „Gelsenkirchen“. Es sei eine Ehre, hier zu spielen und sie spüre schon jetzt, dass das Publikum heute Abend eines der besten der Tour werde, sagt sie relativ früh. Und in diesem Moment ist es egal, dass sie das vermutlich überall behauptet. Heute, hier und jetzt, muss es wahr sein. Heute ist Gelsenkirchen, sonst nicht gerade für Glamour bekannt, der Nabel der Popwelt.

Am Ende von „Champagne Problems“ steht sie von ihrem Flügel auf, nimmt die In-Ear-Kopfhörer raus und blickt mit großen, staunenden Augen ins Rund der Arena. Das Geschrei und Gekreische, das vorher schon unglaublich laut war, schwillt noch einmal an. Es wirkt wie der perfekte Moment zwischen ihr und den Fans, aber wer bisherige Konzertmitschnitte gesehen hat, weiß, dass sie das an dieser Stelle immer macht. Die Fans wissen es auch. Sie empfinden das aber nicht als Inszenierung, für sie ist es eine Verabredung mit ihrem Star. Sie wissen, was Taylor jetzt von ihnen erwartet, und sie wollen ihr alles geben, was sie von ihnen verlangt. 

Ihre Fans, die Swifties, liegen ihr so oder so zu Füßen. Sie haben einiges für dieses Konzert auf sich genommen, viel Geld ausgegeben, sind oft von weit her angereist, standen stundenlang im Stau - auf der Autobahn, an den Eingängen, vor den Toiletten. Sie haben wochen- und monatelang im Voraus an ihren Outfits für den Abend gearbeitet, die an die jeweiligen Bühnenoutfits angelehnt sind. Mal quietschbunt, mal schwarz und rot, passend zum Album „Reputation“, manche tragen auch Hochzeitskleider.

Und fast alle haben unzählige Freundschaftsbänder geknüpft, die sie mit Stolz tragen und vor der Arena tauschen. Wer keine Lust auf ein aufwendiges Kostüm hat, hat einfach ein T-Shirt mit passender Botschaft übergestreift: „But Daddy I love him“ oder „Who's Taylor Swift anyway? Ew“. Letzteres trägt sie zwischenzeitlich selbst auf der Bühne. 

Während der Show sind alle Mühen, die sie im Vorfeld auf sich nehmen mussten, egal. „Wenn ihr die Songs nach diesem Abend hört, werdet ihr an die Erinnerungen denken, die wir heute gemacht haben“, sagt Swift. Irgendwann ist ein kleines, vielleicht zwölf Jahre altes Mädchen mit Zahnspange auf der riesigen LED-Wand zu sehen. Sie strahlt Swift an, wie nur Kinder es können. Und was macht die? Kommt zu ihr, umarmt sie und schenkt ihr ihren Hut. Blickt man in dieses und all die anderen glücklichen Gesichter, kann man sicher sein, dass es gute Erinnerungen sein werden.